Politik

CONTRA: Bedingungsloses Grundeinkommen

posted by Gerald Forcher 25. April 2017 0 comments

CONTRA

Gerald Forcher ist Geschäftsführer der GPA-djp Salzburg und bekleidet die Funktion des Landesvorsitzenden der FSG Salzburg. In diesem Contra-Beitrag erläutert er die Vorbehalte gegenüber einem bedingungslosen Grundeinkommen aus Perspektive der Gewerkschaft.
Der PRO-Beitrag zum Thema stammt von Guy Standing, dem Mitbegründer des Basic Income Earth Network (BIEN).


Die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter_innen Salzburg (FSG) bekennt sich zur unabdingbaren Notwendigkeit, unser Sozialsystem armutsfest zu machen. Der österreichische Sozialstaat verhindert Ausgrenzung und Verarmung leider nicht generell. Reformbedarf wird daher seitens der FSG nicht hinsichtlich eines neoliberalen Umbaus des Sozialstaates in Richtung „mehr Eigenverantwortung“ gesehen, sondern es sind Anpassungen fällig, die jene materiellen Bedingungen schaffen, auf denen sich individuelle Freiheit und soziale Chancen- und Geschlechtergleichheit entfalten können. Dazu gehören Mindeststandards wie die Mindestsicherung und die Öffnung des Zugangs zu sozialstaatlichen Leistungen.

Wir haben uns für eine Grundsicherung, nicht jedoch für ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgesprochen. Diese Forderung wäre in den Gewerkschaften wie der Gesellschaft derzeit wohl kaum mehrheitsfähig. Dass viele Beschäftigungsverhältnisse nicht existenzsichernd sind, kann man sowohl an den Trends in der Einkommensverteilung erkennen, als auch an der gestiegenen Anzahl von Personen, die neben einem Erwerbseinkommen beziehungsweise einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung zusätzlich noch Sozialhilfe beziehen. Daher ist es notwendig, dass unter anderem die Mindestsicherung Menschen vor Armut schützt.
Zweifellos gibt es Argumente, die für ein bedingungsloses Grundeinkommen vorgebracht werden können, wie die Erhöhung des individuellen Freiheitsgrades, eben die Armutsvermeidung ohne bürokratische oder schikanöse Bedarfskontrolle oder das zur Verfügungstellen eines Einkommens für jene Personen, die gesellschaftlich sinnvolle bzw. notwendige aber unbezahlte Arbeit verrichten. Darüber hinaus wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen Rückzugsmöglichkeit gegenüber schlechten Arbeitsbedingungen – aber auch nur in bestimmten Arbeitsmarktsegmenten.

Wenn Millionär_innen Sozialhilfe beziehen, löst das einen gesellschaftlich emotional diskutierten Skandal aus.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde vor allem dann negativ wirken, wenn im Gegenzug zur Finanzierung des Grundeinkommens andere sozialstaatliche Geld- oder Sachleistungen gestrichen würden, die progressive Verteilungseffekte hätten. Wenn ein Grundeinkommen Leistungen aus dem ersten sozialen Netz ersetzen soll, kann das im Hinblick auf die Verteilungsgerechtigkeit problematische Effekte haben. Die Auswirkungen eines Grundeinkommens auf den Arbeitsmarkt sind nicht bekannt. Doch die möglicherweise auftretenden Effekte werden von vielen Menschen zu Recht als hohes Risiko aufgefasst.

Das bedingungslose Grundeinkommen an sich stellt ein Nichtmarkteinkommen dar, das nicht an der Verwertbarkeit der Arbeitskraft ansetzt und keinen Zwang zur Aufnahme von Erwerbsarbeit abzielt. Doch es steht selbstverständlich mit dem Markt insofern in Wechselwirkung beziehungsweise in Abhängigkeit, als seine Finanzierung durch die Besteuerung von Einkommen erfolgen muss, die am Markt erzielt werden. Die Auswirkungen des bedingungslosen Grundeinkommens auf den Markt würden daher wieder auf dieses selbst zurückwirken. Zwischen einem bedingungslosen Grundeinkommen und einem disziplinierenden, stark auf Erwerbsdruck beruhendem Sozialstaat gibt es ein weites Feld an Möglichkeiten, soziale Sicherung zu gestalten. Nachdem der Markt keine gerechte Einkommensverteilung garantieren kann, braucht es für soziale Sicherheit eine Umverteilung, die gesellschaftlich erwünschte und auch akzeptierte Auswirkungen zur Folge hat.

Im Gegensatz zu der Markteinkommensverteilung steht in der Gesellschaft eine politisch beschlossene Umverteilung unter höherem Argumentationszwang und Rechtfertigungsbedarf. Das würde sich auch beim bedingungslosen Grundeinkommen nicht ändern und weiterhin zutreffen. Wenn Millionär_innen Sozialhilfe beziehen, löst das einen gesellschaftlich emotional diskutierten Skandal aus. Dass derartige Personen zuvor am Markt einen enormen Reichtum überhaupt erwerben konnten, wird dabei erst gar nicht problematisiert. Dass Reichtum gesellschaftlich entsteht und zugelassen werden muss, dringt nicht in das Bewusstsein. Auch ein Reichtum, der durch Zahlungen auf Markttransaktionen entsteht, bedeutet eine gesellschaftliche Zuordnung von Ansprüchen auf Ressourcen. Dieser Reichtum ist letztlich skandalöser.

Wenn ein bedingungsloses Grundeinkommen die beabsichtigten Wirkungen erzielen soll, darf es nicht gering sein. Steht dieses nicht bedarfsbezogen zu, ergibt sich ein erhebliches Umverteilungsvolumen und ein umfangreicher Finanzierungsbedarf. Die Einführung eines Grundeinkommens wäre kein irreversibler gesellschaftlicher Prozess bzw. Fortschritt, sondern könnte nach kurzer Zeit bei anderen politischen Kräfteverhältnisse wieder zurückgenommen werden. Unerwünschte Verteilungseffekte könnten ein bedingungsloses Grundeinkommen bald kippen.
Unter anderem wird argumentiert, das Grundeinkommen führe zu einem freieren Markt, weil Unternehmer_innen nicht mehr Arbeitgeber_innen sein müssten und man dem unternehmerischen Handeln deutlich mehr Freiheiten einräumen könnte. Arbeitgeber_innen könnten Arbeitnehmer_innen folglich leichter kündigen und somit Arbeitsplätze einsparen, da sie die zu Entlassenden nicht ins ökonomische Nichts beziehungsweise in die fremdbestimmte Arbeitslosigkeit schicken müssten. Jemanden zu kündigen wäre daher ein leichtfertigerer Akt. Wenn man aber vom Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin gekündigt wird, ist das selbstverständlich in jedem Fall eine fremdbestimmte Arbeitslosigkeit. Daran ändert auch ein Grundeinkommen nichts. Und wenn das bedingungslose Grundeinkommen niedriger angesetzt ist als das Arbeitslosengeld, bedeutet das einen höheren ökonomischen Verlust. Dass Stigmatisierung unter diesen Umständen wegfiele, ist unwahrscheinlich, zumal die Erwerbstätigkeit nach wie vor für Teilhabe am Leben entscheidend sein kann. Was dieses Bild für die in Beschäftigung verbleibenden Personen bedeutet, kann man sich leicht vorstellen: höherer Arbeitsdruck.

Dass die Menschen eine Kündigung leichter verkraften würden, ist ebenso nicht zutreffend: Die erwerbstätige Bevölkerung würde quasi die „produktive Elite“ in der Gesellschaft darstellen. Ein Ersatz durch das Grundeinkommen bedeutet für Bezieher_innen, dass man in der Wahrnehmung nun zu zu jenem Teil der Bevölkerung „degradiert“ wird, der von all den anderen erhalten wird.


Foto: Stefan Bohrer

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