FilmKultur

Stephen Kings ES ist schaurig schön zurück

posted by Johannes Mayrhofer 6. Oktober 2017 0 comments

Wer sich 2017 im Angesicht des Horrors und der Schrecken in Innen-, Außen- und Weltpolitik ein wenig erholen und entspannen möchte, kann sich im Kinojahr 2017 mit vergleichsweise harmloser Unterhaltung wie Anabelle 2 oder der lang erwarteten Neuverfilmung von Stephen Kings Kultroman It (zu Deutsch: Es) ablenken. Nach Jahrzehnten des Wartens hat Horrorclown Pennywise in It nun seinen Weg auf die Leinwand geschafft.

Der Film tritt damit ein großes Erbe an, denn die TV-Vorlage (1990), in der Tim Curry den Clown verkörperte, erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Die Beliebtheit mag aber hauptsächlich auf Nostalgie beruhen, denn die TV-Interpretation aus den Neunzigern ist – wenn man ehrlich ist – nicht gut gealtert. Zwar erinnern wir uns gerne an ikonische Szenen wie Pennywise‘ Auftritt in der Dusche, doch mittlerweile haben sowohl TV-Produktionen („Stranger Things“) als auch Horrorfilme („Conjouring“, „Insidious“) ein dermaßen hohes technisches Niveau erreicht, dass uns It (1990) eigentlich nur noch ein müdes Lächeln abringen kann und wir uns am schundigen Charme der alten Effekte und der kitschigen Schnitte erfreuen können. Bei allem Gejammer über Reboots und Remakes: Für Stephen Kings Es war die Zeit für eine Generalüberholung reif.

Die gute Nachricht vorweg: Der Film übertrifft seinen Vorgänger in nahezu allen Belangen und ist zu Recht schon der erfolgreichste R-Rated-Film aller Zeiten.

In Zahlen: It hat bei einem Produktionsbudget von etwa 35 Millionen Dollar weltweit bereits knapp 500 Millionen eingespielt. So schreibt man Erfolg in Hollywood und so garantiert man Fortsetzungen, die auch bitter nötig sind, denn It endet mit dem Schriftzug ‚Kapitel Eins‘. Wo die TV-Verfilmung die Handlung des Buchs (über Tausend Seiten) noch in einen Film gequetscht hat, hat man sich bei der Neuauflage nur für die Hälfte der Geschichte entschieden. Wir verfolgen in It (2017) nur noch das Geschehen um die Jugendlichen, die sich mit dem fremdartigen Wesen anlegen. Dass es – wie im Buch und der TV-Verfilmung – zurückkehren wird und die erwachsen Gewordenen erneut den Kampf aufnehmen, wird in diesem Film komplett ignoriert, soll aber in der angekündigten Fortsetzung behandelt werden.

Die Geschichte spielt in der Kleinstadt Derry, in der Kinder brutal ermordet werden. Die Außenseiterin Beverly (Sophia Lillis) und die Außenseiter Bill (Jaeden Lieberher), Ben (Jeremy Ray Taylor), Richie (Finn Wolfhard), Mike (Chosen Jacobs), Eddie (Jack Dylan Grazer) und Stanley (Wyatt Oleff) schließen im Sommer 1988 Freundschaft. Sie alle hatten unheimliche Begegnungen. Ihnen erschienen ihre größten Albträume, die sich am Ende immer wieder als der furchtbare Clown Pennywise (Bill Skarsgård, derzeit auch im fantastischen Actionfeuerwerk Atomic Blonde zu sehen) entpuppten. Gemeinsam stellen sich die Kinder der übernatürlichen Bedrohung. Was ein Sommer voller Badespaß und Sonne werden sollte, entpuppt sich immer mehr als Albtraum, der die Jugendlichen tief in die Kanalisation von Derry und an ihre Grenzen führen wird.

Auch filmtechnisch erleben wir diesen Spagat. Immer wieder sehen wir die Idylle des Kleinstadtlebens. Die Sonne scheint, die Kinder spielen. Untermalt ist das Geschehen von einem großartigen und fröhlichen Soundtrack. Die Achtziger blühen auf und fast wünscht man sich in diesen herrlichen Sommer, würde nicht immer wieder dieser bitterböse Clown auftauchen. Mit ihm wandelt sich die friedliche Sommerstimmung zum dunklen Albtraum.

Vor allem der Soundtrack von Benjamin Wallfisch schafft es, die Emotionen perfekt von unbeschwerten Momenten zum dunklen Albtraum zu tragen. Gerade weil die Inszenierung über weite Strecken kindlich unbeschwert ist, bricht der Horror mit umso größerer Wucht über uns herein.

Wehe, wenn eines der Kinder alleine unterwegs ist. Ob im hauseigenen Keller, im Bad oder in der freien Natur: Das Böse versteckt sich immer und überall und hat auch den einen oder anderen wirklich effektiven Jump-Scare zu bieten. Wer allerdings die Trailer kennt, hat viele der Situationen in gekürzter Version bereits gesehen.

Der Film profitiert von der Entscheidung, sich völlig auf die Jugendlichen zu konzentrieren und die Handlung um die Erwachsenen in die Fortsetzung zu schieben. So bleibt genügend Zeit, die Figuren kennenzulernen und ihre persönlichen Probleme zu ergründen. Beverly leidet etwa unter ihrem gewalttätigen Vater und unter Mobbing in der Schule, muss gleichzeitig und auf sich alleingestellt aber auch lernen, was es bedeutet eine Frau zu werden. Teilweise weist It durchaus Elemente des Coming Of Age-Films auf, durchbricht diese aber immer wieder mit schaurigen Szenen, die sich in keiner Weise vor den aktuellen Genregrößen des (Mainstream-)Horrors verstecken brauchen.

Während It über weite Strecken eine äußerst gelungene Literaturumsetzung ist und die veraltete – wenn auch durchaus noch charmante – TV-Verfilmung von 1990 in den meisten Dingen übertrifft, bleibt die Frage hängen, warum Beverly, die 1990 noch vorangehen durfte und Tim Curry als Pennywise mit der Steinschleuder bezwang, nun im Jahr 2017, wo man eigentlich nach zahlreichen Debatten über derlei hinweg sein sollte, als einziges Mädel in der Runde wieder zur Damsel in Distress degradiert wird. Klar mindert das die Qualität des stimmungsvollen und schaurigen Films nicht, aber was zu einer derlei rückständigen Drehbuch-Entscheidung führte, lässt uns mit Verwunderung und Unverständnis zurück. Auch der dunkelhäutige Mike, der als Bibliothekar in der Verfilmung von 1990 eine der wichtigsten Rollen hatte, wird in der Neuauflage in die Belanglosigkeit gedrängt. Gegen Ende hin wird das Drehbuch zudem etwas sprunghaft. Während der Kampf gegen Es ausführlich und nachvollziehbar geschildert wird, bekommt der Erzählstrang um das Alltagsleben in Derry Lücken. Die erwähnten Punkte hätte man besser lösen können, ändern aber nichts daran, dass die Neuauflage von Es trotzdem ein fantastischer und sehenswerter Horrorfilm geworden ist.

Es scheint, als hätte It (2017) vom umwerfenden Erfolg der Netflix-Serie Stranger Things profitiert. In Sachen Optik orientiert sich die Neuauflage des Stephen King Klassikers am Stil dieser romantisierten, nostalgischen Achtziger-Welt. Die Handlung des Romans (und auch der alten TV-Adaption) wurde in der Neuauflage geteilt. It (2017) behandelt ausschließlich die Jugendjahre, was im Gegenzug eine ausführlichere Beschäftigung mit den Hauptcharakteren ermöglicht. Die Atmosphäre ist sowohl in den hellen und freundlichen- wie auch in den düsteren Szenen intensiv und dicht. Tim Curry hatte als Pennywise dem beliebten Roman von Stephen King seinerzeit ein filmisches Denkmal gesetzt. Er lehrte eine ganze Generation das Fürchten und es stellt sich die Frage: Was war zuerst? Die allgegenwärtige Abscheu vor Clowns oder Stephen King und Tim Curry? Seit jenen Tagen haben sich aber sowohl TV-Produktionen als auch Horrorfilme auf ein neues technisches Level bewegt und die neue Verfilmung von It ist hier, um dieses Erbe anzutreten und Stephen King mit Würde im 21. Jahrhundert zu vertreten. It (2017) ist ein Pflichtfilm für Gruselfans und am besten genießt man den Film auf einer riesigen Leinwand mit Top-Soundanlage.

It
(dt. Titel: Es)
Regie: Andy Muschietti
Drehbuch: Chase Palmer, Cary Fukunaga, Gary Dauberman, Stephen King (basiert auf seinem Roman Es)
Soundtrack: Benjamin Wallfisch
Cast: Bill Skarsgård, Jaeden Lieberher, Sophia Lillis, Jeremy Ray Taylor, Finn Wolfhard, Chosen Jacobs, Jack Dylan Grazer, Wyatt Oleff, Nicholas Hamilton
Laufzeit: 135 Minuten
FSK: 16
Kinostart: 28.09.17

Das Beitragsbild stammt von der offiziellen Website des Films.

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