Geschichte

Südafrika: Wie vor 25 Jahren das rassistische System der Apartheid endete

posted by Alexander Neunherz 17. Juni 2016 0 comments

Der 17. Juni 1991 markiert eine Zäsur: Das Parlament in Kapstadt erklärte an diesem Tag vor 25 Jahren den Population Registration Act” für ungültig. Das letzte noch geltende Gesetz der sogenannten Rassentrennung in Südafrika war damit Geschichte.

Zuvor wurde die schwarze Bevölkerung jahrzehntelang unterdrückt, diskriminiert und ausgebeutet. 1948, nach dem Wahlsieg der „National Party“, wurde die Apartheid rechtlich verankert. Der „Population Registration Act“ von 1950 bildete dafür die Grundlage, rund 1.000 weitere Gesetze wurden erlassen. Die Geschichte der Rassentrennung begann aber schon wesentlich früher.

„Der Neger lebt gedankenlos in den Tag hinein …“
Encyklopädie [sic] der Naturwissenschaften 1880-1900

Mit „Bibel und Flinte“ schritt zum Ende des 19. Jahrhunderts die Aufteilung Afrikas rasch voran. Die Expansionspläne der Europäer_innen muteten zu dieser Zeit wie ein diplomatisches Spiel an, bewaffnete Auseinandersetzungen waren schon alleine wegen der technologischen Überlegenheit eher die Ausnahme.

In Südafrika erzielten Engländer_innen und Bur_innen durch zwei Konventionen in den Jahren 1881 und 1884 eine Art Ausgleich zwischen den britischen Besitzungen und den unabhängigen Bur_innen-Staaten. Doch die Bestrebungen des „British Empire“, ein zusammenhängendes Kolonialreich „vom Kap bis Kairo“ zu errichten, führten zwischen 1899 und 1902 zu kriegerischen Auseinandersetzungen.

Acht Jahre nach diesem „Zweiten Burenkrieg“ versöhnten sich die einstigen Gegner_innen weitgehend. In der neu entstandenen „Südafrikanischen Union“ blieb die schwarze Bevölkerung auf der Strecke, da die Aufrechterhaltung der weißen Vorherrschaft vorrangiges Ziel war.

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Kämpfer im Zweiten Burenkrieg, 1899 bis 1902. [Public Domain]

Der „Natives’s Land Act“ von 1913 schrieb gleich zu Beginn eine territoriale Segregation fest, lediglich ein kleiner Teil des südafrikanischen Bodens durfte demnach noch von der schwarzen Bevölkerung in Anspruch genommen werden. Das Gesetz brachte eine Vielzahl an Wanderarbeiter_innen hervor, die sich unter menschenunwürdigen Bedingungen ausbeuten lassen mussten.

In den 1930er und 40er Jahren verschärfte sich der Rassenkonflikt zusehends, nicht zufällig hegten zahlreiche Bur_innen Sympathien für Mussolini und Hitler. Als 1948 die rechtsgerichtete Bur_innen-Partei „National Party“ die Parlamentswahlen gewann, wurde die Rassentrennung endgültig zur traurigen Realität.

“Südafrika ist wieder unser, gebe Gott, dass es immer unser bleibe.”
Daniel Malan, Premierminister von 1948 bis 1954

Schnell wurden weitere Gesetze erlassen: Der „Group Areas Act“ von 1950 hatte rund 3,5 Millionen Zwangsumsiedlungen zur Folge, indem ethnischen Gruppen eigene Wohngebiete zugewiesen wurden. Es folgten der Verlust des Wohn- und Arbeitsplatzes sowie der Bewegungsfreiheit.

Der „Population Registration Act“, ein Gesetz über die Einwohner_innen-Registrierung, ermöglichte den Machthaber_innen eine Klassifizierung der Bevölkerung nach Rassenmerkmalen. Vorgesehen waren zunächst drei – später vier – Personengruppen, im Originaltext „… white person, a coloured person or a native, …“.

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“Diese öffentlichen Grundstücke und die hierauf befindlichen Einrichtungen
sind zum ausschließlichen Gebrauch durch Weiße bestimmt.” [Public Domain]

Zu dieser Zeit kämpfte der „African National Congress“, kurz ANC, bereits seit geraumer Zeit mit friedlichen Mitteln gegen Diskriminierung und Unterdrückung. 1912 als South African Native National Congress“ (SANNC) gegründet, wuchs die Organisation im Laufe der Jahre zu einer bedeutenden Befreiungsorganisation heran.

Die „Freiheitscharta“, im Jahr 1955 beschlossen, wurde dabei zum wichtigsten programmatischen Dokument des ANC. Darin hieß es: “Südafrika gehört allen, die darin leben, Schwarzen und Weißen.”

Das Regime reagierte jedoch mit Revanchismus und überzog schwarze Bürgerrechtler_innen mit Prozessen. 1960 wurde der „African National Congress“ verboten. Die ANC-Untergrundorganisation „Umkhonto we Sizwe“ (Speer der Nation) setzte mit Nelson Mandela an ihrer Spitze den ehemals friedlichen Kampf mit Gewalt fort. Anschläge wurden in erster Linie gegen Gebäude verübt, die Gewalt gegen Menschen blieb stets umstritten. Mandela wurde 1964 zu lebenslanger Haft verurteilt, 27 Jahre davon musste er auf der Gefängnisinsel „Robben Island“ verbringen.

Am 16. Juni 1976 eskalierte die Gewalt völlig: Schüler_innen rebellierten in Soweto gegen das Regime, 23 davon starben am selben Tag. Es folgten wochenlange Unruhen, die insgesamt 600 Todesopfer forderten. Der Soweto-Aufstand war dennoch ein Wendepunkt. Nachdem man das weiße Regime bereits 1974 aus der Weltgemeinschaft ausschloss, wurden die internationalen Sanktionen nach dem Massaker weiter verschärft.

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Jänner 1992: Frederik de Klerk und Nelson Mandela beim “World Economic Forum” in Davos. [This work is free.]

Es sollte aber noch weitere 20 Jahre dauern, bis der ANC schließlich bei den ersten freien Wahlen im April 1994 die absolute Mehrheit erringen konnte und Nelson Mandela als erster schwarzer Präsident Südafrikas angelobt wurde.

“Niemals wieder soll in diesem wunderbaren Land der Geist der Unterdrückung herrschen, in dem sich einer über den anderen erhebt.”
Nelson Mandela, am 10. Mai 1994

Das heutige Südafrika hat seither alles, was für eine Demokratie notwendig ist: Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit, eine moderne Verfassung sowie unabhängige Gerichte; Mandelas Versöhnungspolitik wurde darüber hinaus zum internationalen Vorbild.

Doch die Hoffnung, die Wohlstandsunterschiede durch Umverteilung beseitigen zu können, blieb bis heute eine Illusion. Die weiße Minderheit lebt zurückgezogen auf ihren Wohlstandsinseln. Der Alltag in den schwarzen Armenvierteln ist noch immer geprägt durch Arbeitslosigkeit, Krankheit und Gewalt. Besonders schmerzlich dabei: Der ANC stand in den vergangenen Jahren zusehends in der Kritik, eine durch und durch korrupte Regierungspartei geworden zu sein.

Als Nelson Mandela im Jahr 2013 starb, titelte der Spiegel daher sinngemäß: „Am Ende des Regenbogens.“ Es bleibt aber zu hoffen, dass das Land jene moralische Autorität wieder zurückgewinnen kann, die es vor rund zweieinhalb Jahrzehnten erhielt.

Titelfoto: Hector-Pieterson-Museum

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