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Hätte Kreisky Strache gewählt?

posted by Jutta Moser-Daringer 15. Januar 2018 1 Comment

Kurz & Strache: Die Totengräber von Kreiskys Erbe

Zugegeben. Es muss durchaus schwierig sein, wenn man der einzige Parteivorsitzende in Österreich ist, der de facto nie (ausgenommen Felix Baumgartner) Unterstützung von prominenter Seite erhält. Möglicherweise ist dieser Umstand zugleich die Erklärung dafür, warum H.C. Strache, nun Vizekanzler,  immer wieder versucht, die tote Prominenz für sich zu vereinnahmen. Das war schon sehr lächerlich, als er noch in Anlehnung an den kommunistischen Revolutionsführer Ernesto Che Guevara mit seinen “H.C. Stra-CHE”-Werbemittel durchs Land zog. Wo die FPÖ Popularität vermutet, legt der rechte Parteiführer sogar die Berührungsängste mit dem Kommunismus ab. Geradezu pietätlos war es dann, als er nach dem Unfalltod von Jörg Haider behauptete, er hätte ihm kurz vor seinem Tod noch das entzogene “Du-Wort” wieder angeboten, als es anscheinend im 4-Augen-Gespräch zur Versöhnung kam. Ja klar , als hätte man so eine Versöhnung nicht öffentlich und medienwirksam zelebriert…

Kreisky hätte Strache gewählt
(Heinz-Christian Strache, FPÖ-Chef und Vizekanzler der Republi Österreich)

Aber Bruno Kreisky? Da fragt man sich schon: Ist H.C. Strache auch ein Geschichts-Verweigerer wie unser “Das war doch vor meiner Geburt”-Kanzler Sebastian Kurz? Versteht er wirklich nicht, wofür die Politik eines Bruno Kreisky steht? Oder hat er mit der Angelobung zum Vizekanzler das letzte Fünkchen Anstand verloren? Nicht nur, weil man Tote ruhen lassen sollte, sondern auch, weil die Politik von Strache und Kurz im krassen Widerspruch zu jener Bruno Kreiskys steht.

Und wenn mich einer fragt, wie denn das mit den Schulden ist, dann sage ich ihm das, was ich immer wieder sage: dass mir ein paar Milliarden Schulden weniger schlaflose Nächte bereiten, als mir ein paar hunderttausend Arbeitslose mehr bereiten würden“
(Bruno Kreisky)

So lautet eines der berühmtesten Zitate des ehemaligen Bundeskanzlers Bruno Kreisky, dass sehr gut verdeutlicht, was diese Form der Politik bedeutet. Kreisky, der in jungen Jahren mitansehen musste, wie die Armut in Österreich immer größer wurde, wie Politiker_ begannen, Feindbilder zu schaffen statt Lösungen zu propagieren, der miterlebte, wie Nachbarn, die friedlich zusammenlebten plötzlich aufeinander losgingen, der gezwungen war sein geliebtes Heimatland Österreich zu verlassen, weil er selbst zu einem dieser Feindbilder gehörte, hat in dieser Zeit sowie auch im Exil in Schweden gelernt, was es bedeutet, ein echter Demokrat zu sein.

Er wusste aufgrund seiner Erfahrungen, wie wichtig es ist, dass Menschen nicht in Armut schlittern. Nicht nur, weil er verinnerlicht hatte, dass man Menschen, die in Notsituationen geraten, nicht mit Füßen tritt, sondern unterstützt. Vor allem auch, weil er erkannte, dass nur so der soziale Frieden in Österreich gewahrt werden kann. Kaum eine politische Persönlichkeit in der Geschichte Österreichs hat den Sozial- und Wohlfahrtsstaat dermaßen vorangetrieben wie Bruno Kreisky. Genau dieser Sozial- und Wohlfahrtsstaat ist es, den Kurz und Strache permanent angreifen. Nicht nur durch Ankündigungen wie die Abschaffung der Notstandshilfe oder die Verweigerung einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, sondern auch wegen dem politischen Stil, den die beiden pflegen.

Kurz und Strache schrecken keine Sekunde davor zurück, Feindbilder zu kreieren, um ihre Politik durchzusetzen. Das Narrativ der bösen Ausländer_innen, oder um im Jargon der beiden zu bleiben, “den kriminellen Wirtschaftsmigranten”, und der Gefahr des “politischen Islams” hinter jeder Tür wird nun ergänzt um ein Narrativ der bösen Arbeitslosen: Wer langfristig keine Arbeit findet, wird unter Generalverdacht gestellt, nicht arbeiten zu wollen, ein “Durchschummler” zu sein. Wer für sein Studium länger braucht als die Mindestzeit, weil er oder sie nebenbei arbeitet, ist ein_e “fauler Bummelstudent_in” und wenn sich dies_r vielleicht sogar noch politisch engagiert, gar ein “linkslinker Gutmensch”.

Es gab auch kaum jemanden in der politischen Geschichte Österreichs, dem die Außenpolitik so sehr am Herzen lag, wie Bruno Kreisky. Diese Politik war geprägt von einem tiefen Verständnis dafür, wie wichtig es ist, der Diplomatie den Vorrang zu geben, um Konflikte zu vermeiden. Auch das steht im krassen Widerspruch zur Politik von Kurz und Strache. Die Anbiederung an die Visegrad-Staaten, wie Kurz und Strache sie betreiben, ist in diesem Zusammenhang nur ein Beispiel. Das beste Beispiel dafür ist sicher, dass man Südtiroler_innen künftig eine italienisch-österreichische Doppelstaatsbürgerschaft ermöglichen möchte. Das ist ein Affront gegen die Regierung in Rom, die auch entsprechend reagierte und befeuert einen Konflikt, der eigentlich schon lange beigelegt war. Von einem Bundeskanzler, der jahrelang Erfahrungen als Außenminister sammeln konnte (oder hätte können), dürfte man durchaus mehr diplomatisches Feingefühl erwarten. Aber: Fehlanzeige!

Hinzu kommt, dass Bruno Kreisky wusste, dass es nicht reicht, demokratische Strukturen zu verankern, um in einer Demokratie zu leben. Demokratie braucht vor allem kritische Bürger_innen, die sich aktiv an der Gestaltung unseres Landes beteiligen. Und H.C. Strache? Der hat vergangenes Jahr einen Kooperationsvertrag mit Putins Partei Einiges Russland abgeschlossen, in dem sich die Vertragsparteien auf die “Erziehung der jungen Generation im Geiste von Patriotismus” einigten. Kritikfähigkeit? Fehlanzeige!

Wenn Sie mich jetzt zurück schicken, liefern Sie mich den Menschen aus, denen ich gerade entkommen bin.
(Bruno Kreisky)

So lautet ein weiteres berühmtes Zitat von Kreisky. Es war  damals Kreiskys Apell an die dänischen Behörden, ihn nicht an die Nazis auszuliefern, weil er wusste, dass es seinem Todesurteil gleichkäme. Kreisky hätte sich mit allen Mitteln gegen eine derartige Flüchtlingspolitik von Kurz und Strache gewehrt. Er wusste, was es heißt, wenn man vor der Entscheidung steht, entweder sein geliebtes Heimatland zu verlassen, oder ermordet zu werden. Er hätte diese Menschen nie für seine Zwecke missbraucht oder als faule Wirtschaftsmigrant_innen abgekanzelt, so wie das H.C. Strache und Sebastian Kurz machen. Ein letztes Zitat von Bruno Kreisky möchte ich daher unserer neuen Regierungsspitze noch mit auf den Weg geben:

“Lernen S’ ein bissl Geschichte”
(Bruno Kreisky)

Denn nur wer aus den Fehlern der Vergangenheit lernt, kann die Gegenwart so gestalten, dass die Zukunft besser wird.

 


Fotos:
Bruno Kreisky mit Edward Gierek in Polen, Undatiert – Archiv Zukunft / ABC Pressefotos
Bruno Kreisky, 1983 –
SPÖ Presse und Kommunikation

 

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