Musik & Konzerte

Ein Bilderbuch von einem Magic Life

posted by Andreas Eisl 24. Februar 2017 0 comments

Eine Albumkritik.

2015 katapultierten sich Bilderbuch mit ihrem dritten Album „Schick Schock“ in den deutschsprachigen Musikolymp. Ihr damaliges Motto lautete: „Eine Band sampelt sich selbst.“ Aus Indie Rock, HipHop und R’n’B brauten sie eine Hit-Mixtur, die zwar nicht unbedingt ein großes Ganzes ergab, aber mit einer schier endlosen Aneinanderreihung von single-tauglichen Hymnen praktisch ein vorgezogenes Best-Of der Band darstellte.

Magic Life: Konsumvergötterung und Gesellschaftskritik

Nach ihrem Riesenerfolg waren die Erwartungen an ihren vierten Longplayer „Magic Life“ natürlich dementsprechend hoch. Und während die Magie beim ersten Anhören noch nicht recht überspringen will, so gewinnt das Album mit jedem Durchlauf an Kraft und Eigenständigkeit dazu. Bilderbuch treiben das Selbstzitat an die Spitze.

Geschickt greift die Truppe um Sänger Maurice Ernst zahlreiche Themen der Vorgänger-Scheibe geschickt wieder auf und lassen auf dem neuen Werk clever Konsumvergötterung mit Gesellschaftskritik kollidieren. Ob das besungene „Magic Life“ im „Grand Success Resort“ am Ende nur Fassade bleibt, oder ob einem „Wellen“ und „Prosecco“ zum guten Leben schon reichen, wird im Verlauf der CD verhandelt.

Eine sichere Bank ist im Gegensatz dazu wie immer das Spiel mit der Sprache, das Bilderbuch mittlerweile perfektioniert haben. Das Deutsch so sexy klingen kann, ist bei weitem nicht selbstverständlich, und die gewollten Verhörer bereiten wieder amüsierende Aha-Erlebnisse. Wenn aus Monaco „mein‘ Akku“ und aus der Automarke Lada „ein Lader“ für den Akku wird, dann ist man gleichzeitig wohlig entzaubert und aufs Neue verzaubert.

Mit „Magic Life“ legen Bilderbuch ein Album vor, dass sicher nicht allen Anhänger_innen der „Schick Schock“-Euphorie gefallen wird, dazu hat das Lied zu wenige sogenannte Hits, zu zurückgenommen sind viele Arrangements im Vergleich zur Vorgänger-Platte. Aber wenn man sich auf die neue CD einlässt, schleift sich der Rohdiamant „Magic Life“ wie von selbst zum Brillanten. Dazu trägt im Speziellen auch Mizzy Blue’s (Michael Krammer) Talent an der Gitarre bei, der in fast jedem Lied Gelegenheit bekommt, sich an herrlichen Solis auszutoben.

Und da bist du wieder Candy. #bilderbuch #magiclife #bungalow #igerssalzburg

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Magic Life: Ein Konzeptalbum

Das textlose Intro Carpe/Diem weist den Weg in das „Magic Life“ Ressort und weist den Weg in das Album, dass sich sogleich als Konzeptalbum ankündigt. Vom Indie Rock früher Tage wird hier wenig überbleiben.

„Peitsch mich Baby / Ich brauch Hits“: ISTRESS ist eine schweißtreibende Liebeserklärung an das Schaffen und Erleben. Das Leben soll nicht zu leer werden und darf gerne mit Porsche, Thai-Massage und Sex on the Beach gefüllt werden. Mit pochendem Beat und schneidender Gitarre lernen wir, dass man immer mehr braucht, auch wenn nicht immer klar ist, was es sein soll. Hauptsache man hat Stress dabei.

Ungewöhnlich und trotzdem dem Stil des Albums treu bleibend geht es mit Sweetlove weiter. Ganz ohne Schlagzeug bezirzen sich Maurice Ernst’s Stimmorgan und Mizzy Blue’s 80er Jahre E-Gitarre. Während andere Bands – und vermutlich auch Plattenbosse – so eine Nummer an das Ende eines Albums stellen würden, platzieren Bilderbuch die Lösung für die Leere des Konsumrausches gleich an I♥STRESS folgend:

Die Welt ist kalt – so cold (so cold) / Aber du hast Liebe für mich / Und nimmst mich von ihr fort / Sofort.

Das Zwischenspiel Baba 2 entführt uns aus dem Traum zurück in die Wirklichkeit, wo in der einzigen wirklichen „Hit-Single“ Bungalow die Netflix & Chill Generation gepriesen und gleichsam demontiert wird. Wir wollen jederzeit alles zur Verfügung haben, immer auf die heißeste Party gehen und in der Liebe unverbindlich bleiben, bloß nicht eine bessere Chance verpassen. Und so kommt es einem nicht allzu fremd vor, wenn es zur Einleitung heißt:

Du rufst mich an und fragst mich, wie’s mir geht / Ich ruf dich an und frag dich, wie’s dir geht /
Du rufst mich an und sagst, du kommst zu spät / Dabei bist du schon viel zu spät

Im Pophymnengewand halten Bilderbuch der eigenen Generation den Spiegel vor, wobei aber am Ende dann doch alles gut wird, wenn die/der Angebetete dann mit dem Skoda doch noch zur Late-Night-Show in den Bungalow vorbeikommt:

Es tut mir leid, wenn ich das alles nicht versteh / Es tut dir leid, wenn ich nach Hause geh / Dann rufst du an auf meinem Handy / Und da bist du wieder candy.

Ab Bungalow entwickelt „Magic Life“ erst den richtigen Flow, der durch die restlichen zwei Drittel des Albums führt. Das folgende Sprit n’Soda stellt sich einem eigentlich sperrig in den Weg, aber der absurde und durchgehende variierte Achtelbeat entwickelt einen seltsamen Sog, der das treibende Element von I♥STRESS neu einkleidet. Wollen wir tatsächlich ständig im Stress sein? Haben wir noch genug „Sprit“ im Körper?

„Ich seh dich schnaufen / So viel schnaufen / Du läuft und läuft / Und willst nicht laufen / Du machst das alles für dein‘ Papa / aber ehrlich, er ist ein Wappler“.

Zum Stress haben gehört natürlich auch das Reisen dazu. Aber wie so oft, ist das Heimkommen dann doch das Schönste an der ganzen Übung: Erzähl Deinen Mädels Ich Bin Wieder In der Stadt. Vorher selbst noch fast sitzen gelassen worden, hat sich das eigene Rarmachen wohl gelohnt: „Sei nicht sauer meine kleine Grapefruit / Ich schmecke immer noch nach Fruit Juice“. Mit entspanntem Funk gleitet das Lied wie ein Cadillac durch Wien, bis einem wieder zu schrecklich heiß wird: „Du weißt, ich muss weg, ja / Du weißt, der Success, ja“. Aber sei nicht sauer, das nächste Mal kommt bestimmt.

Mit dem folgenden SUPERFUNKYPARTYTIME bricht das Funkfieber aus und Grenzen von Raum und Zeit nieder: „Ich brauch no Passport, no creditcard na / Ich seh‘ die Zukunft durch das Kristall“. Tristesse adé, denn „Mir war so fad / Doch die Zeit / Ja, die Zeit ist jetzt vorbei / It’s Superfunkypartytime“.

Und wenn die Party dann irgendwann einmal wieder zu Ende gehen muss, dann wieder zurück an die Börse, genauer zum Investment 7: „Ich kauf mir den Shit / Und verkauf mich smart“. Im entspannten R’n’B-Gewand und zwischendurch als Kanon werden die Schecks war blanko ausgestellt aber auch das eigene Bett bleibt „blanko blanko“. Was der/die Angebetete verpassen? Das „splashy Marmorbad“.

Das titelgebende Zwischenspiel Magic Life bringt das Lebensgefühl des Albums dann mit Synthie, verzerrter Gitarre und Autotune-Stimmen auf den Punkt: „Papa haut sein neues Auto / Gegen irgendeinen Baum / Füllen’s auf den Prosecco / Füllen’s auf“.

Mit der vorletzten Nummer der Platte sagen wir der ‚Workaholic am Tag, Player bei Nacht‘-Attitüde schon einmal Baba. Die in Reggae-Verkleidung daherkommen Ballade trägt einen gemütlich durch das Quartier, wo Bier durch den Stroh geschlürft wird, wo man mit Monika „die Nächte ewig auf“ war, aber es jetzt zu gehen ist, weil der Akku leer ist. „Ihre Brand / Second Hand“.

Aber wenn es mit der Liebe schon nicht klappt so kann man wenigstens im Konsum noch sein Glück finden, besonders wenn die sneakers4free sind und „free drinks“ auf einen warten. „Die Alten sagen, nichts im Leben ist for free / Ich will’s nicht glauben / Seh da drin kein‘ Sinn / Ich bin so high wie nie.“ Traum oder nicht, Mizzy Blue’s Gitarrenspiel entlässt einen entspannt aus dem „Magic Life“: „Hast du Angst mein Kind / Keine Angst mein Kind“.

In der digitalen Version hängt sich dann noch die funkige Zusatznummer Babylon an, wo Christus sagt:

Ich brauch mehr friends / Ich adde wen ich kenn.

Und was auf der eigentlichen CD nicht aufgedeckt wird, klingt dann abschließend doch ziemlich klar, denn der Stress hat dann doch noch einen Zweck:

Das ist alles für die Liebe / Wo bleibt meine Liebe / Das ist alles für die Liebe / Ich kauf mir Liebe / Und das ist gut so.

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