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Lawrence erzählt, wer der Böse ist: Red Sparrow

posted by Johannes Mayrhofer 11. März 2018 0 comments

Und was ist Ihre größte Schwäche?
Ich habe ein zu großes Herz!
Mister Nash, dann sind Sie genau richtig bei unserem gemeinnützigen Verein. Willkommen bei der CIA!

Währenddessen irgendwo im finsteren Russland. Das Klima ist rau, kalt und grau.

Ihr werdet nun alle zu Staatshuren im Dienste des SWR. Und wem das nicht passt, der wird erschossen. Aus patriotischen Gründen!

Diese Szenen kommen im Film Red Sparrow so zwar nicht vor, fassen den Grundkonsens  aber zusammen. Jennifer Lawrence spielt unter der Regie des in Wien geborenen Francis Lawrence (nicht mit Jennifer verwandt) die russische Prima-Ballerina Dominika Egorova, die nach einem Unfall ihre Ballett-Karriere an den Nagel hängen muss. Das bringt sie und ihre todkranke Mutter in existenzbedrohende Schwierigkeiten, denn wer soll nun die Krankenhauskosten, die Krankenhilfe und die Miete bezahlen? Als sich Onkel Ivan, der beim Geheimdienst arbeitet, meldet und ihr einen kleinen Job anbietet, bleibt ihr nichts anderes übrig, als einzusteigen. Sie kommt auf eine geheime Akademie und wird zur Agentin mit Schwerpunkt auf Verführung ausgebildet.

Ihr erster Job ist die Annäherung an den CIA-Agenten Nathan Nash, um einen Doppelagenten zu enttarnen. Was folgt ist ein verwirrendes Katz- und Maus-Spiel, bei dem die meiste Zeit unklar ist, wer gerade wen betrügt, hintergeht und verrät und bei dem es gelegentlich auch zu Folter und Mord kommt. Wenn die Kritik von Hektolitern Blut spricht, ist das allerdings äußerst überzogen. Das Intrigenspiel führt Dominika unter anderem nach Budapest, London und Wien.

Red Sparrow erfüllt grundsätzlich eigentlich das, was man sich von einem Spionage-Thriller erwartet. Die Laufzeit von 140 Minuten könnte etwas straffer sein und einige Spannungsspitzen mehr hätten dem Film nicht geschadet. Positiv muss Regisseur Francis Lawrence angerechnet werden, dass er die Thematik ganz klar als Thriller inszeniert und nicht versucht, einen Abklatsch von Atomic Blonde zu produzieren.

Während der Film selbst wohl einfach ein mittelmäßiger Thriller geworden ist, weist die Meta-Ebene drei besprechenswerte Punkte auf. Zunächst ist das offensichtlich kühle weltpolitische Klima zwischen den USA und Russland zu spüren. Im Film selbst wird einmal gesagt, dass der Kalte Krieg nie geendet hat, sondern nur zu facettenreichen Splittern zerbrochen ist. Eine Aussage, die im Film Russland in den Mund gelegt wird. In Zeiten von gewünschter atomarer Aufrüstung (Trump) und in denen sich Russland und die USA Stellvertreterkriege in Syrien, der Ukraine und wer weiß wo noch liefern, trifft diese Aussage wohl auf beide Großmächte gleichermaßen zu. Der Film handelt zwar von einer Russin und spielt die meiste Zeit im russischen Geheimdienst-Milieu, weil aber alle russischen Charaktere einen aufgesetzten russischen Akzent bekommen haben, wird auf lächerliche Art die nötige Distanz geschaffen, die uns zeigt, wer den Film letztendlich produziert hat. Dass Russland äußerst brutal inszeniert wird und die CIA – wie eingangs erwähnt – freundlich, besonnen und hilfsbereit, vollendet das Bild und macht aus Red Sparrow einen astreinen Propagandafilm. Ich beziehe mich hier lediglich auf die Inszenierung des Films. Einer Wertung, welches der beiden Länder im aktuellen weltpolitischen Geschehen tatsächlich verwerflicher handelt, möchte ich mich ganz klar enthalten, denn daran scheitern auch deutlich qualifiziertere Menschen.

Trotz der offensichtlich negativen Inszenierung Russlands und des russischen Geheimdienstes sei aber Jennifer Lawrence‘ Figur hervorgehoben, der es als starke Frau gelingt, den Durchblick in dem Wirrwarr aus Intrigen zu behalten und die trotz ‚Hurenausbildung‘ wie sie es selbst nennt, die Männer, die sie sexuell ausbeuten wollen, nicht ver-, sondern vorführt und entlarvt (natürlich nur Russen. CIA-Agent Nathan Nash (Joel Edgerton) ist zwar anfällig für weibliche Verführung und hat manchmal mit Prostituierten zu tun, bekommt dann aber ein schlechtes Gewissen und gibt zu viel Trinkgeld – O-Ton im Film).

Der andere spannende Punkt bei den Wellen, die Red Sparrow schlägt, ist die Moral, die plötzlich ausgepackt wird. Natürlich ist Sexismus und Missbrauch ein trauriges und momentan präsentes Thema, das unbedingt diskutiert und aufgearbeitet werden muss. Eine gewisse Doppelmoral offenbart sich in der Kritik aber doch, wenn Red Sparrow verteufelt wird, weil die Hauptfigur lernt, ihren Körper einzusetzen, anstatt haufenweise Gegner mit Schusswaffen niederzustrecken. Sie lernt ihren Körper und die Psychologie dahinter als Waffe und Werkzeug zu nutzen. Sie nutzt ihr Wissen dann aber nicht im Kampf, außer um Männer als instinktgetriebene Tiere vorzuführen. Ich meine dahinter ein vor allem amerikanisches Problem zu sehen. Dort scheint es völlig okay zu sein, wenn im Film gefoltert wird, Köpfe abgetrennt werden und sich ein Agent durch die Gegner metzelt. Wenn man aber Brüste sieht, wird es plötzlich verwerflich. In einem kürzlich veröffentlichten New York Times-Artikel wurde diese Problematik folgendermaßen zusammengefasst: „In der amerikanischen Moralauffassung ist ein Assault Rifle weniger gefährlich als ein Pornofilm.“ Red Sparrow ist weit davon entfernt ein Porno zu sein. Dass Verführung, sexuelle Begierde und die Arbeit mit Prostitution zum Geheimdienst-Repertoire gehören und vermutlich deutlich näher an der Realität als jeder James Bond-Film sind, lässt sich in zahlreichen Büchern zu diesem Thema nachlesen.

Red Sparrow ist ein mittelmäßiger Agententhriller mit einer gewohnt großartigen Hauptdarstellerin. Der Film hätte deutlich schlechter und deutlich besser werden können und wird letztendlich in den Wogen der Belanglosigkeit des Kinojahres 2018 untergehen. Immerhin sagt er uns ganz klar und deutlich, wer der Böse ist, falls das jemand in der komplizierten weltpolitischen Lage vergessen hat. (Spoiler: Es ist der Russe!) Wer weiß, vielleicht können wir in dreißig Jahren über die Propaganda dieses Films lachen, wie wir es heute über Rambo 3 und Rocky 4 tun.

Red Sparrow
Regie: Francis Lawrence
Drehbuch: Eric Singer, Justin Haythe
Soundtrack:James Newton Howard
Cast: Jennifer Lawrence, Joel Edgerton, Matthias Schoenaerts, Jeremy Irons, Charlotte Rampling, Thekla Reuten
Laufzeit: 141 Minuten
FSK: 16
Kinostart: 02.03.18 (AT)

Die Bilder stammen von der offiziellen Seite des Films.

 

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