Mittlerweile sollte allseits bekannt sein, dass Comics eine spannende Literaturform sind, die zahlreiche Ausprägungen erlebt. Gezeichnete Geschichten können historische und politische Zeitdokumente im Stil von Art Spiegelmans Maus oder Marjane Satrapis Persepolis sein, gesellschaftskritische Züge annehmen, traurig und tragisch oder lustig und kurzweilig sein. Ähnlich vielfältig sind mittlerweile auch die Kino-Umsetzungen mit realen Menschen, die regelmäßig über 500.000 Millionen Dollar einspielen und somit wohl auch in den nächsten Jahren die Mainstream-Kinowelt dominieren werden.
Leider schleicht sich mit der Routine auch Belanglosigkeit und Abwechslungsarmut ein. Der Eindruck bleibt, so man denn mehr als nur zwei Stunden seichte Unterhaltung darin sehen will, dass man die immer selben Geschichten in neuen Superheldenkostümen vorgesetzt bekommt. Es gibt den Guten (meist nach wie vor männlich) und das Böse ist entweder die Spiegelung des Guten oder irgendein großes waberndes Monstrum mit Tentakeln, das aus den Tiefen der modernen Computertechnologie emporkroch. Dann kamen die Guardians of the Galaxy (2014). Eine bunte Truppe, die deutlich mehr an trashige Space-Seifenopern und alte, stark drogenbeeinflusste Métal Hurlant -Geschichten erinnerte und sich nicht so sehr an den optischen Einheitsbrei des bisherigen Marvel Cinematic Universe klammerte. Die Guardians waren charmant, flogen mit einem großartigen Soundtrack durch ein fremdartiges Universum und werden von vielen als die bis dato beste Marvel-Verfilmung betrachtet.
Hoch waren dementsprechend die Erwartungen an Regisseur James Gunn, der sich auch beim zweiten Teil für Drehbuch und Regie verantwortlich zeigt. Der ist übrigens ein äußerst sympathischer Kerl, der den Entstehungsprozess und die Arbeit am Film immer wieder auch im Social Web mitkommentierte. Es lohnt sich für Filminteressierte, ihm zu folgen, da man wohl auch in Zukunft noch spannende Werke von ihm erwarten darf.
Noch spannende Werke? Hoffentlich, denn Guardians of the Galaxy Vol.2 kann die Brillanz des Vorgängers nicht ganz halten. Der erste Teil lebte vor allem davon, dass es eine so kunterbunte Orgie im Marvel Cinematic Universe bis dahin nicht gab. Teil 2 muss sich an seinem Vorgänger messen und vermag durchaus zu unterhalten, fühlt sich aber etwas träger und verbrauchter an. Eine Einführung der Charaktere findet nicht statt, wir kennen sie bereits aus dem Vorgänger. So stürzen wir mit den Guardians mitten hinein ins Geschehen. Sie sind von einer hochentwickelten und arroganten Alien-Rasse angeheuert worden, um eine wertvolle Energie-Quelle gegen ein transdimensionales Tentakel-Wesen zu verteidigen. Bei diesem ersten Kampf schon zeigt James Gunn wieder seinen Mut, eigene Wege zu gehen. Anstelle des Kampfes sehen wir hauptsächlich Baby Groot (Vin Diesel), der über das Schlachtfeld tanzt. Den eigentlichen und scheinbar opulenten Kampf sehen wir nur verschwommen im Hintergrund.
Leider verliert sich Guardians 2 im weiteren Filmverlauf die meiste Zeit doch in Blockbuster-Konventionen. Solche kreativen Spielereien bleiben die Ausnahme.
Die Handlung kommt ins Rollen, weil Rocket (Bradley Cooper) ein paar der wertvollen Batterien klaut, die sie eigentlich beschützen sollten. Auf der Flucht begegnen sie einem Mann namens Ego (Kurt Russell), der sich als bald als Peter Quills (Chris Pratt) Vater herausstellt. Peter erfährt endlich mehr über seine Vergangenheit – und sein Schicksal! Eher nebenbei geraten dabei die Erde und der eine oder andere bewohnte Planet in Gefahr. Weil man sich als Marvel-Kinobesucherin und Kinobesucher an die totale CGI-Vernichtung aber schon so sehr gewohnt hat, lässt uns das Motiv der Galaxie-Rettung in Guardians of the Galaxy Volume 2 seltsam kalt. Ob die Erde jetzt in Guardians 2 oder im letzten oder im nächsten Marvel-Film fast zerstört wird, ist mittlerweile einfach völlig belanglos. Großen Spaß machen die Guardians allerdings auch bei ihrem neuen Ausflug, was nicht zuletzt den pointierten Dialogen zu verdanken ist, deren Witz über weite Strecken prächtig funktioniert. Wer übrigens erwartet, dass die übergreifende Rahmenhandlung um die Infinity Stones vorwärtsgetrieben wird, wird enttäuscht: Im Zentrum des Geschehens steht Peters Herkunft.
Was Guardians von den meisten anderen Marvel-Verfilmungen außerdem abhebt, ist das fantastische Design. Die Raumschiffe, die Planeten, die fremden Wesen – alles wirkt eigenwillig und dennoch in sich stimmig. Ich habe bereits erwähnt, dass mich die Optik eher an Heavy Metal-Comics (allerdings ohne der expliziten Sexualität) als an die üblichen Superhelden-Comics erinnert. Im Blick auf die Gestaltung der Schauplätze und Figuren scheint mir Guardians 2 sogar noch mutiger und ausgefallener als der erste Teil. Sehenswert ist Guardians of the Galaxy Volume 2 allemal – allein wegen der fantastischen Optik, die zwar durchaus ihre Vorbilder haben mag, aber auf der großen Leinwand dennoch umwerfend ist.
Guardians of the Galaxy 2 funktioniert am besten, wenn er lustig, bunt und schrill sein will.
Die tragischen Momente wirken hingegen eher bemüht und belanglos. Obwohl Guardians 2 nicht an den fantastischen Vorgänger heranreicht, der erstmals gezeigt hat, dass man sich auch bei Marvel aus dem Fenster lehnen kann, zählt die Fortsetzung definitiv zu den besseren Ablegern des Marvel Cinematic Universe. Fans schauen sich sowieso alle Filme an – die anderen bekommen einen quitschvergnügten Blockbuster, indem ein Mensch, ein Waschbär ein paar grüne und blaue Außerirdische und ein junger Baum in einer eher belanglosen Geschichte die Galaxie retten und dabei sogar Sylvester Stallone über den Weg laufen.
Guardians of the Galaxy Volume 2
Regie: James Gunn
Drehbuch: James Gunn
Soundtrack: Tyler Bates
Cast: Christ Pratt, Zoe Saldana, Dave Bautista, Vin Diesel, Bradley Cooper, Michael Rooker, Karen Gillan, Kurt Russell, Sylvester Stallone, Pom Klementieff
Laufzeit: 136 Minuten
FSK: 12
Kinostart: 27.4.17 (AT)
Das Titelbild stammt von der offiziellen Disney-Homepage. //Fair Use