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X-Men: Apocalypse

posted by Johannes Mayrhofer 21. Mai 2016 0 comments

Irgendwie ist es Hollywood gelungen, mit den verfilmten Geschichten eines damals dem Untergang geweihten Mediums ein neues Milliarden-Geschäft zu installieren. Comic-Realverfilmungen erfreuen sich einer uneingeschränkten Beliebtheit. Die Geschichten der DC- und Marvel-Heldinnen und Helden sind für das nächste Jahrzehnt vorausgeplant und erscheinen mehrmals pro Jahr. Obgleich das Genre zwar kaum noch wirkliche Innovation auffährt, ertappe auch ich mich dabei, wie ich sie mir doch regelmäßig anschaue. Im neuesten Vertreter des Genres geben sich Marvels X-Men wieder mal ein Stelldichein.

Die Geschichte fand ihren ersten Anlauf in einer mehr oder weniger gelungenen Trilogie, bekam mit X-Men: First Class (der virtuose deutsche Titel lautet: X-Men: Erste Entscheidung) ein Prequel, welches in der Fortsetzung X-Men: Days of Future Past (Zukunft ist Vergangenheit) die Figuren der alten Trilogie und des Prequels vereinte. Der neueste Teil setzt in den Achtziger-Jahren nach den Ereignissen von Days of Future Past an, als durch einen Zufall ein übermächtiger Mutant, genauer der erste der Mutanten, aus seinem Jahrtausende langen Schlaf erwacht. Er hört auf die Namen En Sabah Nur und Apocalypse (Oscar Isaac) und sein Ziel ist die Vernichtung der Menschheit. Seine Gründe sind eher halbherzig und nicht nennenswert, weil Blockbuster. Um sein Ziel zu erreichen, rekrutiert er weitere Mutantinnen und Mutanten, die quasi die Reiter der Apokalypse repräsentieren.

Magneto, im bürgerlichen Namen Erik Lehnsherr (Michael Fassbender), versucht sich währenddessen ein ruhiges Leben in Polen aufzubauen, doch ausgerechnet, als er seine Kräfte zur Rettung eines Menschen einsetzt, eskaliert alles. Wie immer droht ihn der innerliche Konflikt zwischen der guten und der bösen Seite zu zerreißen. Professor Charles Xavier (James McAvoy) baut seine Akademie aus und scharrt weitere junge Talente um sich. Während uns der Film spielerisch neue Mutantinnen und Mutanten, darunter die telepathisch begabte Jean Grey (Sophie Turner), vorstellt und alte Bekannte wie Mystique (Jennifer Lawrence) zurückbringt, beginnt der böse Apocalypse zielstrebig Xavier zu suchen. Er soll eine Schlüsselrolle in der Vernichtung der Welt, wie wir sie kennen, spielen. So werden junge wie altbekannte X-Men in die Handlung eingezogen, bis sie sich letztendlich im optisch fulminanten Finale gegenüberstehen.

Eines der Highlights des Films ist, unter anderem weil es Abwechslung in die trist werdenden Comic-Realverfilmungen bringt, die Opening Scene, die uns in die computergenerierten Stereotypen des alten Ägyptens führt und die Vorgeschichte rund um Apocalypse erzählt. Diese erste Szene erinnert teils an den trivialen, bunten Kitsch eines Gods of Egypts, dessen Drehbuch zwar geradezu schmerzhaft war, optisch bot der Film dennoch sehenswerte Highlights. Dieser gelungene Auftakt im alten Ägypten führt zu mehreren Längen. Gerade im ersten Drittel hätte dem Film eine etwas gestraffte Erzählweise nicht geschadet. Wenig überraschend überzeugt X-Men: Apocalypse wie die meisten Marvel- oder überhaupt Superheldinnen- und Helden-Verfilmungen nicht durch seine kreative oder innovative Geschichte. So etwas wie tatsächliche Spannung oder Empathie für die Charaktere lässt das Genre schon lange vermissen, stattdessen werden eine optische Reizüberflutung und schöne Bilder geliefert. X-Men: Apocalypse ist keine Ausnahme.

Eines der Hauptprobleme von Marvel-Verfilmungen (ich schreibe bewusst Marvel, denn ich halte DC in dieser Hinsicht für eine Spur differenzierter), egal ob sie nun aus dem Hause Disney oder wie im Fall von X-Men von Fox stammen, ist, dass sie oftmals extrem wichtige, spannende und gesellschaftskritische Themen anschneiden, diese aber geradezu gefährlich trivial abhandeln und so in eine Belanglosigkeit drängen. Ob es um Diskriminierung in den X-Men-Filmen oder um Themen wie Überwachung (Captain America 2) geht, im Idealfall ist es einfach nicht das Ziel des Films diese Themen tatsächlich überlegt abzuhandeln. Im schlimmsten Fall bleibt die Botschaft, das alles wäre unproblematisch, solang es nur auf der richtigen Seite eingesetzt würde.

Auch in X-Men: Apocalypse schwingt allgegenwärtig das Thema Diskriminierung mit. Die Fähigkeit und Technologie Charles Xaviers, der alle Menschen und alle Mutanten auf der ganzen Welt erspüren kann, scheint für niemanden ein ernstes ethisches Problem zu sein. CIA-Agentin Moira (Rose Byrne) merkt sogar an, dass die CIA diese Technologie und Fähigkeit lieben würde. Erst als Apocalypse Xavier für diese Fähigkeit missbrauchen will, gilt es, ihn aufzuhalten. Das Problem ist dabei aber niemals, dass ein Einzelner alle überwachen und manipulieren kann, sondern nur, dass die falsche Seite es auch probiert. So schaffen es die Comic-Realverfilmungen, dass wir langsam und schleichend für gesellschaftlich extrem wichtige Themen abstumpfen.

X-Men: Apocalypse, bei dem erneut Bryan Singer am Regie-Stuhl saß, erfüllt seine Erwartungen, die man bei Comic-Verfilmungen generell nicht zu hoch schrauben sollte. Die Effekte sind stimmig, dennoch bleibt teilweise das Gefühl, dass man heutzutage in aktuellen Videospielen wie Uncharted 4 schon Schöneres gesehen hat. Es bleibt neben der belanglosen Geschichte kurzweilige Action, die trotz einigen Längen zu Beginn des Films zu unterhalten vermag und wie üblich wichtige und interessante Themen wie Machtkontrolle, Diskriminierung und Überwachung andeutet, sich aber nicht traut, diese dann auch kritisch abzuhandeln. Muss ein Blockbuster das? Wohl nicht, doch schaden würde es auch nicht. Spätestens nach den noch dieses Jahr erscheinenden Comic-Realverfilmungen Suicide Squad (Start: 19.8.16) und Doctor Strange (Start: 27.10.16) werden wir uns an X-Men: Apocalypse aber genauso verschwommen erinnern, wie an an die meisten anderen Superheldinnen und Helden. Erinnert sich etwa wirklich noch jemand an Iron Man 3? Immerhin wird das Genre durch das sequentielle Erscheinen der gedruckten Vorlage gerecht.

X-Men: Apocalypse
Regie: Bryan Singer
Drehbuch: Bryan Singer, Simon Kinberg, Michael Dougherty, Dan Harris
Soundtrack: John Ottman
Cast: James McAvoy, Michael Fassbender, Jennifer Lawrence, Sophie Turner, Evan Peters, Olivia Munn, Nicholas Hoult, Rose Byrne …
Laufzeit: 144 Minuten
FSK: 12 Jahre
Kinostart: 19.05.16 (AT)

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