Während das Freihandelsabkommen TTIP die Gemüter erregt, ist ein ganz ähnliches geplantes Abkommen mit Canada (CETA) erstaunlich unbekannt. Nämlich in einem Monat bereits soll im EU-Handelsministerrat das Freihandelsabkommen vorläufig in Kraft gesetzt werden, obwohl die nationalen europäischen erst 2018 und 2019 die endgültige Entscheidung darüber treffen sollen. Reinhold Mitterlehner (ÖVP Wirtschaftsminister), der für Österreich im Ministerrat sitzt, begrüßt dieses Vorgehen. Grund genug, im Landtag einen dringlichen Antrag zu stellen, der Mitterlehner dazu auffordert, die Zustimmung zum CETA-Abkommen in der vorliegenden Version zu verweigern.
Die Kritikpunkte an der geplanten vorläufigen Inkraftsetzung von CETA betreffen im Wesentlichen zwei Punkte. Neben inhaltlichen Kritikpunkten ist es vor allem auch der Umstand, dass dieses nun vollkommen ohne Einbindung der nationalen Parlamente verwirklicht werden könnte. „Wenn das Abkommen bereits in Kraft tritt, ehe die nationalen Parlamente damit betraut werden, ist das ein massiver Angriff auf unsere Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“, kommentiere Landtagsvizepräsidentin und Antragstellerin Gudrun Mosler-Törnström den Plan, das CETA-Abkommen über den Handelsministerrat an der Legislative vorbeizuwinken. Eine Einschätzung, die auch von der Nationalrätin und SPÖ Wirtschaftssprecherin Cornelia Ecker geteilt wurde, welche eine vorläufige Umsetzung von CETA gar als Schlag ins Gesicht der Demokratie bezeichnete.
Unterstützung bekam der SPÖ Landtagsklub auch von den befreundeten Organisationen, die vor allem den Inhalt vom CETA-Abkommen kritisierten und auf folgenschwere Auswirkungen für Österreich hinwiesen. So meinte etwa der JUSOS-Vertreter Tobias Aigner: „Freihandelsabkommen haben mehrere Dimensionen. Die eine ist, dass Länder ohne Zölle frei miteinander Handel treiben können. Das unterstützen wir natürlich grundsätzlich auch. Im Unterschied dazu sehen die Abkommen CETA und TTIP aber vor, dass auch Produktstandards und Arbeitsrechte aufgeweicht werden. Mit dem schiedsgerichtlichen Investor-Staat-Verfahren (ISDS) werden der Rechtsstaat und die Verfassung ausgehebelt.“ Die Salzburger SPÖ Bauern wiederum verwiesen darauf, dass bei einer Umsetzung von CETA das Bundesland besonders schlimm getroffen werden könnte. SPÖ-Bauerngeschäftsführer Hannes Mathes befürchtet bei Inkrafttreten von CETA gar das Ende der kleinstrukturierten Landwirtschaft und sieht einen Dominoeffekt für die gesamte Wirtschaft im Bundesland Salzburg: Auch wenn viele kleine und mittelgroße Bergbauernhöfe auf Subventionen angewiesen sind und im Wettbewerb am Markt nicht bestehen können, sind diese für Österreich von enormer Bedeutung, auch wirtschaftlich. Ohne Almbewirtschaftung gibt es keinen Wintertourismus. Schutzwälder, die jetzt noch Lawinenabgänge verhindern, verschwinden. Außerdem sterben die Ortskerne in den ländlichen Räumen aus, wodurch auch Arbeitsplätze verloren gehen.“ Wie der JUSOS-Landesvorsitzende Tobias Aigner sehen die SPÖ Bauern in den Schiedsgerichten eine große Gefahr. Die Schiedsgerichte würden große Landwirtschaftskonzerne, wie sie in Österreich unmöglich wären, dabei unterstützen, ihre Profitinteressen durchzusetzen.
Ein symbolischer Erfolg für die Salzburger SPÖ im Landtag.
In der Landtagssitzung vom 27. April wurde der dringliche Antrag des sozialdemokratischen Landtagsklubs mehrheitlich angenommen. Obwohl einige ÖVP-Abgeordnete dagegen stimmten, fand er eine deutliche Mehrheit. Ändern kann diese Salzburger Meinungsbekundung freilich nichts, sehr wohl aber handelt es sich dabei um ein klares demokratisches Signal aus Salzburg an Wirtschaftsminister. „Nun liegt es an Mitterlehner, seine Verantwortung gegenüber Österreich wahrzunehmen und sich bei der Abstimmung auf EU-Ebene gegen eine vorläufige Anwendung auszusprechen“, appellierte Mosler-Törnström immerhin an den demokratischen Geist des Obmanns der Volkspartei. „Solange kein ausreichender Schutz unserer umfassenden Sozial- und Arbeitsrechte sowie unserer vorbildlichen Umwelt- und Konsumentenschutzbestimmungen gewährleistet werden kann, wird es mit der Salzburger SPÖ keine Zustimmung zu derartigen Liberalisierungsmaßnahmen kommen“, machte SPÖ-Chef Walter Steidl klar, dass das Thema die Salzburger SPÖ auch weiterhin beschäftigen wird.
Was sind die Gefahren von Freihandelsabkommen?
Folgendes Video veranschaulicht anhand von TTIP, wie Freihandelsabkommen entstehen und warum diese kritisch zu beurteilen sind.