Geschichte

Die ersten roten Abgeordneten: Der Kampf um das Wahlrecht in Salzburg Teil 3/3

posted by Alexander Neunherz 13. November 2016 0 comments

Aus der Serie „120 Jahre SPÖ Salzburg“:
Die Anfänge der Salzburger Arbeiter_innenbewegung [Teil 1 / Teil 2]
Der Kampf um das Wahlrecht in Salzburg [Teil 1 / Teil 2]


Die sozialdemokratische Partei erreichte bei der Reichsratswahl im Jahr 1907 mehr als eine Million Stimmen und stellte in weiterer Folge 87 Abgeordnete. Dieser Erfolg stärkte auch die Genoss_innen in Salzburg, die sich nach wie vor mit einem ungerechten Wahlrecht auf Landesebene konfrontiert sahen. Daher wurde unmittelbar nach der Reichsratswahl abermals in Salzburg demonstriert. Bei einer groß angelegten Versammlung im Schanzlgarten forderte man erneut das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht für Salzburg.

Robert Preußler hielt an diesem 15. September 1907 das Hauptreferat und kritisierte dabei die Zusammensetzung des Landtages, der zur damaligen Zeit 28 Mitglieder zählte:

„Ein Abgeordneter war der Erzbischof Dr. Katschtaler, der sich selber wählt. 18 Wähler der Handels- und Gewerbekammer entsandten zwei Abgeordnete, 235 Wähler des Großgrundbesitzes bestimmten fünf Abgeordnete, die 5333 Wähler der Städte entsandten sechs Abgeordnete, 2147 Wähler der Märkte fünf Abgeordnete und 13.420 Wähler der Landgemeinden neun Abgeordnete. […] 22.000 Arbeiter aber hatten überhaupt kein Wahlrecht.“ [1]

Es folgten weitere Veranstaltungen, die den hohen Organisationsgrad der Salzburger Sozialdemokrat_innen demonstrierten. Die „Salzburger Wacht“, das offizielle Zeitungsorgan der Partei, veröffentlichte dazu im Jahr 1907 eine Statistik, die dies ebenfalls untermauerte. Auf je 100 Beschäftigte im Kronland Salzburg entfielen 33 gewerkschaftlich organisierte Arbeiter. Im deutschsprachigen Österreich stellte dies nach Wien (39 von 100 Beschäftigten) den zweithöchsten Wert dar.

Dennoch konnte die Vormachtstellung der Bürgerlichen und Klerikalen zunächst nicht gebrochen werden. So scheiterten im Jahr 1907 die sozialdemokratischen Kandidaten abermals bei der Neuwahl von sechs Gemeinderäten in der Stadt Salzburg. Auch bei der darauffolgenden Nachwahl sollte sich dieses Bild nicht ändern.

Die ersten beiden Landtagsmandate

Der 3. Mai 1909 stellte dann einen bemerkenswerten Etappensieg der Salzburger Genoss_innen dar. Bei der abgehaltenen Landtagswahl gelang es in zwei Stadtwahlbezirken stimmenstärkste Partei zu werden. Die sozialdemokratische Partei Salzburgs stelle nun mit Robert Preußler und Josef Proksch erstmals zwei Landtagsabgeordnete. Der Erfolg wurde überschwänglich gefeiert, zumal es am Wahltag zu massiven Behinderungen gekommen war. Die Dienstherren nutzten den Umstand aus, dass die Wahl an einem Montag stattfand. Vielerorts wurde daher versucht, die Arbeiter an der Ausübung ihres Wahlrechts zu hindern.

Am 16. September 1909 trat der Landtag – nun 39 Mitglieder umfassend – zu seiner ersten Sitzung zusammen:

„Robert Preußler und Josef Proksch trugen rote Nelken im Knopfloch. Sie nahmen ihre Plätze auf der äußersten Linken des Landtages ein. Da auf der rechten Seite bei den Klerikalen ein Platz fehlte, mußte Prälat Alois Winkler neben den Sozialisten Platz nehmen. Josef Proksch wurde in den Finanzausschuß, Robert Preußler in den Verwaltungs- und in den Verkehrsausschuß gewählt. Dem Verlangen der beiden Sozialdemokraten, einen von ihnen auch in den Schulausschuß zu wählen, wurde nicht stattgegeben.“ [2]

Trotz dieses Wahltriumphs im Kronland blieben die Fronten in der Stadt Salzburg weiterhin verhärtet. Eine Diskussion über eine mögliche Wahlreform blieb auch 1910 ohne Erfolg. So wählten weiterhin 3.110 Wähler im ersten, zweiten und dritten Wahlkörper 30 Gemeinderäte, während 4.000 Wähler in der vierten Kurie lediglich zehn Gemeinderäte wählen durften.

Im Jahr 1912 gab es in Salzburg massive Bemühungen, die sozialdemokratischen Frauen besser zu organisieren. Dazu wurden im März eine Landesfrauenkonferenz und im Mai der „Internationale Frauentag“ abgehalten. Die Durchführung eines solchen Frauentags wurde zwei Jahre zuvor auf der „Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz“ in Kopenhagen beschlossen:

„Im Einvernehmen mit den klassenbewussten politischen und gewerkschaftlichen Organisationen des Proletariats in ihrem Lande veranstalten die sozialistischen Frauen aller Länder jedes Jahr einen Frauentag, der in erster Linie der Agitation für das Frauenwahlrecht dient. […] Der Frauentag muß einen internationalen Charakter tragen und ist sorgfältig vorzubereiten.“ [3]

Die Sozialdemokrat_innen waren demnach auch die Ersten, die das allgemeine und gleiche Wahlrecht für Frauen und Männer in ihr Parteiprogramm aufnahmen. Dennoch mussten sich die Frauen der Parteidisziplin zunächst unterordnen, da die Einführung des Frauenwahlrechts zugunsten der Durchsetzung des allgemeinen und gleichen Männerwahlrechts hintangestellt wurde. [4]

Der erste rote Salzburger Gemeinderat

Im Jahr 1914 konnte endlich auch in der Stadt Salzburg ein großer Wahlerfolg verbucht werden. Obwohl sich die bürgerliche Mehrheit nach wie vor weigerte, das undemokratische Wahlrecht für den Salzburger Gemeinderat zu ändern, konnte ein sozialdemokratischer Kandidat erstmals die Stichwahl für sich entscheiden. Mit 34 Stimmen Vorsprung wurde Robert Preußler in den Gemeinderat gewählt.

„Da sich die bürgerliche Mehrheit weigerte, Preußler in verschiedene Kommissionen zu entsenden, erklärte er, daß er leider gezwungen wäre, unter diesen Umständen öfters im Plenum des Gemeinderates zu sprechen […]. Bürgermeister Ott sagte daraufhin, daß es geschäftsordnungsmäßige Mittel gebe, falls die Sitzungen allzu lange würden. Überdies sei bekannt, daß die Herren Gemeinderäte nach sieben Uhr abends nicht mehr gerne an Sitzungen teilnehmen. Unter großer Heiterkeit rief Preußler aus: ‚Dann bleib’ ich eben mit dem Bürgermeister allein da.‘“ [5]

Aber 1914 wurden alle Zukunftspläne zerstört. Der Erste Weltkrieg brach aus. Vier Jahre später konnte nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie das allgemeine und gleiche Wahlrecht für Frauen und Männer endlich durchgesetzt werden. Die neu errungene Mitbestimmung sollte allerdings nur von kurzer Dauer sein. Nach der Ausschaltung des Parlaments durch die Dollfuß-Regierung im Jahr 1933 gab es bundesweit keine Wahlen mehr. Diese sollten erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wieder abgehalten werden.

Titelfoto: Neue Glühlichter, Ausgabe vom 22. April 1908 (Seite 1), Steinocher-Archiv des Renner-Instituts Salzburg.

Quellen:
[1] Kaut, Josef (1982). Der steinige Weg. Geschichte der sozialistischen Bewegung im Lande Salzburg, Salzburg, S. 64-65.
[2] Kaut, Josef (1982). Der steinige Weg. Geschichte der sozialistischen Bewegung im Lande Salzburg, Salzburg, S. 67.
[3] Wurms, Renate (1980). Wir wollen Freiheit, Frieden, Recht. Der Internationale Frauentag. Zur Geschichte des 8. März, Verlag Marxistische Blätter, S. 6.
[4] Demokratiezentrum Wien [Link öffnen]
[5] Kaut, Josef (1982). Der steinige Weg. Geschichte der sozialistischen Bewegung im Lande Salzburg, Salzburg, S. 76.

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