Es begann am 25. Juli 1934 um 13 Uhr: SS-Männer stürmten die Räumlichkeiten der „Radio Verkehrs AG“ (RAVAG) in Wien und zwangen die dortigen MitarbeiterInnen, den vermeintlichen Rücktritt der Regierung Dollfuß zu verlesen. Die Meldung diente als Signal für die weiteren illegalen NationalsozialistInnen, um einen österreichweiten Putschversuch zu starten.
Wenige Minuten davor waren bereits als Soldaten verkleidete SS-Männer beim Bundeskanzleramt in Stellung gegangen. Fast gleichzeitig mit der Radiomeldung wurde der austrofaschistische Bundeskanzler Engelbert Dollfuß von SS-Mann Otto Planetta verwundet und verstarb knapp drei Stunden später in seinen Büroräumlichkeiten.
Zu diesem Zeitpunkt war der gekaperte Radiosender bereits wieder in Regierungshänden, die Rücktrittsmeldung wurde umgehend widerrufen. Am frühen Abend ergaben sich dann auch die SS-Männer im Bundeskanzleramt. Nachdem bekannt wurde, dass Dollfuß verstorben war, wurde das zuvor zugesicherte freie Geleit zur deutschen Grenze zurückgenommen. Otto Planetta wurde gemeinsam mit einem weiteren Putschisten namens Franz Holzweber Tage später hingerichtet – weitere Todesurteile folgten in den darauffolgenden Wochen.
Weit weniger bekannt sind jedoch jene Putschversuche im restlichen Österreich, die von der SA geleitet wurden. Die beiden Bundesländer Steiermark und Kärnten entwickelten sich dabei zu Zentren des Umsturzes. Die steirischen Nazis konnten auf rege Unterstützung durch den deutschnationalen und antisemitischen „Steierischen Heimatschutz“ zählen. Auch die sogenannten „Bauernwehren“ des „Landbunds für Österreich“ schlossen sich den Putschisten an.
Am 25. Juli errangen die illegalen Nazis größere Erfolge in der Südoststeiermark sowie im Raum Deutschlandsberg. Am darauffolgenden Tag verlagerten sich die Kämpfe in die Obersteiermark, die bis zum Abend andauerten. Größere Kampfhandlungen gab es auch in Kärnten, dort erlangten die Nazis für mehrere Tage die Kontrolle über das Lavanttal. Der Putsch konnte schließlich am 30. Juli endgültig niedergeschlagen werden.
In den restlichen Bundesländern kam es zuvor ebenfalls zu kleineren und größeren Kampfhandlungen. Der Historiker Winfried R. Garscha schreib beispielsweise über die Geschehnisse in Salzburg:
„Erst am Nachmittag des 27. Juli gab die Salzburger SA-Führung (von Freilassing aus) den Einsatzbefehl, der aber nur in der Stadt Salzburg und im Flachgau befolgt wurde. Am Abend überfielen Nationalsozialisten den Gendarmerieposten von Seekirchen am Wallersee. Doch außer in Lamprechtshausen wurde der Aufstandsversuch überall unterbunden, bevor er begonnen hatte.“
Offenkundig ist, dass der Juliputsch von Nazi-Deutschland aus orchestriert wurde. Hitler wollte den Umsturz in Österreich möglichst rasch erzwingen und sah sich vor allem durch die außenpolitischen Aktivitäten Frankreichs unter Druck gesetzt.
Hat der deutsche Diktator also den Juliputsch persönlich angeordnet? Der Historiker Kurt Bauer fand dazu in den Tagebüchern von Joseph Goebbels eindeutige Hinweise. So vermerkte der Propagandaminister am 22. Juli 1934 nach einem Treffen mit Hitler in Bayreuth in seinem Tagebuch: “Sonntag: beim Führer … Österreichische Frage. Ob es gelingt? Ich bin sehr skeptisch.”
Noch deutlicher wird Goebbels am 25. Juli, am Tag des Putsches selbst:
“Beim Führer: Alarm aus Österreich. Bundeskanzleramt und Ravag besetzt. Großer Klamauk. Tolle Spannung. Entsetzliches Warten. Ich bleibe skeptisch … Abwarten!”
Der „große Klamauk“ kostete mehr als 200 Menschen das Leben. Doch auch davor und danach gab es zahlreiche Anschläge und Gewaltakte der illegalen Nazis in Österreich. Kurt Bauer meinte dazu, dass ungeachtet des Rückhalts, den die Nazi-Partei in Teilen der österreichischen Bevölkerung vorfand, diese wie eine ganz normale terroristische Organisation agierte. Doch der eigentliche Terror sollte erst mit der Machtergreifung im März 1938 beginnen.
Titelfoto: Alexander Neunherz