“Wie schlimm stehts um die Salzburger Landesregierung?”, hieß vor einigen Wochen noch der Titel eines Hallo Salzburg-Beitrages. So schlimm offenbar, dass medial immer häufiger Rücktrittsaufrufe an Wohnbaulandesrat Hans Mayr oder gar die gesamte Koalition laut werden.
Ein Vorzeigeprojekt der Landesregierung offenbart sich als Baustelle – und wird zum “aufgelegten Elfmeter” für die Opposition.
(Die Presse)
Insbesondere die schwarz-grüne Wohnbauförderung. Sie hätte ein Meisterstück der Salzburger Landesregierung aus ÖVP, Grünen und dem Ex-Stronach-Landesrat Hans Mayr werden sollen. Doch nicht einmal anderthalb Jahre nach ihrem Inkrafttreten erweist sie sich mehr und mehr als Debakel erweist, das von der Opposition, wie auch unabhängigen Expert_innen gleichermaßen kritisiert wird.
Chronologie der schwarz-grünen Bruchlandungen
1. Eigentumsförderung
Als sich die schwarz-grüne-(Stronach)-Landesregierung 2013 dazu entschloss, den bis dahin bestehenden Wohnbaufonds aufzulösen und dieses Darlehenssystem durch Einmal-Zuschüsse zu ersetzen, wollte Landeshauptmann Haslauer ein Exempel statuieren und den „roten“ Landeswohnbaufonds abdrehen. Obwohl der Salzburger Wohnbaufonds so konstruiert war, dass er sich im Wesentlichen langfristig selbst finanziert hätte. Der Umstieg auf die Einmal-Zuschüsse trat schließlich mit 1. April 2015 in Kraft und lockte mit großzügigen Förderrichtlinien. Die Einkommensobergrenzen wurden hoch angesetzt: Obergrenzen bei Bau- und Grundstückskosten für Häuslbauer_innen gab es überhaupt nicht. Das führte dazu, dass selbst die Errichter eines Einfamilienhauses mit Bau- und Grundstückskosten von über einer Million Euro noch 50.000 Euro geschenkt bekommen haben. Wenig überraschend kamen die Geschenke in der Höhe von durchschnittlich 46.000 Euro pro Förderung gut beim Volk an. Zu gut. Die Eigentumsförderung lief derart aus dem Ruder, dass bereits zur Jahresmitte 2016 das budgetierte Geld ausging.
Ende Juli zog die schwarz-grüne Regierung dann die Notbremse: Die schwarz-grüne Landesregierung einigte sich daraufhin, den Fördertopf für den Bereich Eigentum um weitere 27 Millionen Euro nachzubessern, um wenigstens allen bereits bewilligten Ansuchen das versprochene Geld zukommen lassen zu können. Obwohl ebenfalls die Förderrichtlinien überarbeitet wurden, änderte sich am Problem der mangelnden sozialen Treffsicherheit kaum etwas. „Es ist immer noch möglich, Förderungen von 5600 Euro für ein 150-Quadratmeter-Penthouse über den Dächern der Stadt zu bekommen“, rechnete der SPÖ-Landesparteivorsitzende Walter Steidl vor.
2. Sanierungsförderung
Einige Wochen später folgte bereits die nächste Hiobsbotschaft. Wie bereits zuvor bei der Eigentumsförderung stellte sich gegen Ende August heraus, dass auch der mit 12,1 Mio. Euro dotierte Budgetopf für die Förderung von Wohnraum-Sanierungen so gut wie aufgebraucht wurde. Es gab nur mehr Geld für 100 Wohnungen, danach werden Antragsteller auf Anfang 2017 verwiesen. Erneut stieß diese Nachricht auf Kopfschütteln bei der Opposition. „Es gibt keinen Grund, warum heuer schon im August die Fallzahl von 3.500 zu sanierenden Objekten erreicht werden soll. Sollte das tatsächlich der Fall sein, hat sich Wohnbaulandesrat Hans Mayr neben dem Eigentumsbereich auch im Sanierungsbereich ordentlich verrechnet. Der Flächenbrand der schwarz-grünen Wohnbauförderung breitet sich aus“, kommentierte SPÖ-Wohnbausprecher Roland Meisl den Umstand, dass sich die schwarz-grüne Landesregierung offenbar erneut verkalkuliert hat.
3. Einsparungen bei den Mieter_innen
Wenn das Geld ausgeht, versucht man es irgendwo anders aufzutreiben. Im Fall der schwarz-grünen Landesregierung sind das zum Beispiel die Mieterinnen und Mieter. Denn die Ankündigungen von Wohnbaulandesrat Hans Mays im Bereich Mietsenkungsprogramm bedeuten, dass entgegen seiner bisherigen Ankündigungen nur mehr ein Teil der versprochenen 19.000 Mieten gesenkt wird. Grund dafür ist die Einführung einer rigiden Einkommensgrenze. Einzelpersonen, die mehr als 1.644,50 Euro netto verdienen bzw. vierköpfige Familien, die mehr als 3.036 Euro netto Einkommen zur Verfügung haben, schauen durch die Finger. Das bedeutet, dass nur ungefähr die Hälfte (ca. 8.000) der geförderten Altmietwohnungen tatsächlich gesenkt wird. Entgegen Mayrs Versprechen werden diese zudem nicht rückwirkend mit 1. Jänner 2015, sondern frühestens ab dem 1. Jänner 2017 schlagend.
4. Probleme mit den Maastricht-Kriterien
Die mittelfristige Finanzplanung 2016 bis 2019 weist Maastricht-Salden aus, die sich jedenfalls sehr nahe an der Grenze des Zulässigen bewegen. Das wird das Land Salzburg zumindest ab jenem Zeitpunkt, ab dem sich das Wohnbauförderungssystem im Vollausbau befindet, vor große budgetäre Herausforderungen stellen.“
(Hofrat Herbert Prucher, Leiter der Finanzabteilung, 2014)
Doch das Modell der Einmalzuschüsse erzeugt noch weitere Probleme. Denn Geldgeschenke sind – anders als Darlehen oder Kredite – Maastricht-relevant für das Landesbudget, womit Finanzreferent LHStv. Christian Stöckl (ÖVP) in die Bredouille kommt. Die Finanzabteilung des Landes Salzburg warnte die Landesregierung bereits 2013 davor, dass der Umstieg vom Darlehensmodell auf Einmalzuschüsse „Maastricht-schädlich“ sei, also Probleme bei der Einhaltung der EU-Budgetregeln verursache. Ebenso warnten das Finanzministerium, Statistik Austria als auch die oppositionelle SPÖ warnte davor, dass dies über kurz oder lang Strafzahlungen für das Land Salzburg zur Folge haben würde. Allein bei der schwarz-grünen Landesregierung stießen die Kassandrarufe auf taube Ohren.
Zur Gänze werden wir nicht mehr auf Einmalzuschüsse in der Wohnbauförderung setzen können. Wir müssen eine Novellierung überlegen.”
(Finanzreferent Christian Stöckl [ÖVP], 2016)
Jetzt, mehr als zwei Jahre später, beginnt auch Finanzreferent LH-Stv. Christian Stöckl (ÖVP) damit, den Warnungen der Opposition Glauben zu schenken. „Wir sind unter Zugzwang, weil wir heuer noch die Maastricht-Kriterien erfüllen, nächstes Jahr wird es aber schwierig. Zur Gänze werden wir nicht mehr auf Einmalzuschüsse in der Wohnbauförderung setzen können. Wir müssen eine Novellierung überlegen.“ In letzter Sekunde hat auch die schwarz-grüne Landesregierung erkannt, dass eine Beibehaltung des Systems der Einmalzuschüsse dem Land Salzburg ab 2017 Millionen kosten würde. Denn der europäische Stabilitätspakt muss auch von der schwarz-grünen Landesregierung eingehalten werden. Folgerichtig verkündete Finanzlandesrat Christian Stöckl, zumindest teilweise von den Einmalzuschüssen zum Darlehenssystem zurückkehren zu wollen.
Modell der Einmalzuschüsse gescheitert
Geht es nach dem Wohnbauforscher Wolfgang Amann, dann sprechen ohnehin genug Sachargumente dafür, zum alten „Wohnbaufonds“-Modell zurückzukehren. Selbst nach der jüngsten Anpassung für die Eigentumsförderung werden immer noch überdimensionale Wohnflächen gefördert, erklärte auch er in einem Interview mit dem Standard. Amann zufolge ist es eine „massive Fehlentwicklung, dass heute alle 200 Quadratmeter-Paläste hinstellen“. Im Bundesland Salzburg werden diese sogar gefördert. Das grundlegende Problem der schwarz-grünen Wohnbauförderung besteht also zum einen an ihren Richtlinien, das Förderungen nicht nach dem Kriterium sozialer Treffsicherheit, sondern eher nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Das zweite Problem liegt im Umstand, dass das Geld beim System der Einmalzuschüsse nicht mehr zurückkommt, weil es verschenkt wird. Zusammengefasst brachte die neue Wohnbauförderung, für die sich die schwarz-grüne Landesregierung bis vor kurzem noch selbst über den grünen Klee lobte, ausschließlich Probleme. Sie ist sozial nicht treffsicher, schlecht kalkuliert und mit Blick auf die Maastricht-Kriterien für das Land Salzburg nicht leistbar.
Schwarz-Grün gescheitert?
„Diese Regierung hat jeglichen Kredit verspielt und ist rücktrittsreif“, teilte der Vorsitzende der Sozialdemokratischen GewerkschafterInnen Salzburg (FSG) Gerald Forcher der Öffentlichkeit mit. Unterdessen wird auch die Kritik der Opposition an Wohnbaulandesrat Hans Mayr immer lauter. „Wir fordern Landesrat Mayr auf, sein Ressort endlich in den Griff zu bekommen und den gesamten Wohnbau neu zu reformieren, oder endlich seinen Sessel zu räumen“, hieß es vonseiten der FPÖ. Die Salzburger SPÖ denkt mittlerweile laut darüber nach, bei der kommenden Landtagssitzung am 5. Oktober 2016 erneut einen Misstrauensantrag gegen Mayr zu stellen.
In Sachen Reparatur der Wohnbauförderung zeigt sich die SPÖ konstruktiv und signalisiert Bereitschaft, eine Rückkehr zum Darlehensmodell zu unterstützen. „Wenn die Regierung von Landeshauptmann Haslauer nun endlich zur Einsicht gelangt und ihre Wohnbauförderung nun mit dem Umstieg zu einer Darlehensförderung wenigstens in Teilen korrigieren will, begrüßen wir das. ÖVP, Grüne und ihr Mayr gestehen damit ein, dass ihr Zuschussmodell gescheitert ist. Das Darlehensmodell ist nach wie vor die beste Option“, machte SPÖ-Chef Walter Steidl klar. Seiner Meinung nach müsse freilich auch solch ein Modell regelmäßig adaptiert werden. Im Unterschied zum schwarz-grünen System bestünde beim alten Modell jedenfalls Planungssicherheit und Verlässlichkeit. Das vom Land Salzburg günstig verliehene Geld floss wieder zurück und stand für andere Salzburgerinnen und Salzburger stets zur Verfügung. Im Unterschied zum schwarz-grünen Modell, dem nun das Geld ausging, erhielten alle Förderberechtigten Unterstützungen vom Land.
„Wenn die Regierung von Landeshauptmann Haslauer nun endlich zur Einsicht gelangt und ihre Wohnbauförderung nun mit dem Umstieg zu einer Darlehensförderung wenigstens in Teilen korrigieren will, begrüßen wir das. ÖVP, Grüne und ihr Mayr gestehen damit ein, dass ihr Zuschussmodell gescheitert ist“
(Walter Steidl, SPÖ-Landesparteivorsitzender)
Ob ein schwarz-grünes Ende bevorsteht, hängt womöglich auch davon ab, ob diese Koalition in der Lage ist, die eigenen Fehler einzugestehen und aus den Fehlern zu lernen. Das einstige Prestige-Projekt Wohnbauförderung-neu ist der Regierung Haslauer jedenfalls um die Ohren geflogen.