Politik

Darf man Menschen enteignen, nur weil sie Pflege brauchen?

posted by Daniel Winter 28. Juni 2017 0 comments

80.000 Familien in Österreich sind vom Schicksal auf solche Weise getroffen, dass sie mit einem Pflegefall in der Familie leben müssen.”Da geht’s um 40.000 Menschen in Österreich und ihre Familien, die alles verlieren, wenn sie zu Pflegefällen werden”, betonte Bundeskanzler Christian Kern am Mittwoch (28.06.2017) nach dem Ministerrat und erhöhte mit einer klaren Ansage noch einmal den Druck:

“Wir werden die Abschaffung einbringen – mit oder ohne ÖVP”
(Christian Kern, Bundeskanzler)

Bei den Parteien im Nationalrat herrscht überwältigende Einigkeit darüber, dass der Pflegeregress, letztendlich eine 100-prozentige Erbschaftssteuer ab dem ersten Euro für Pflegebedürftige, möglichst bald der Vergangenheit angehören soll. Allein die ÖVP stellte sich bisher quer. Die öffentliche Diskussion der vergangenen Tage brachte nun aber auch die “neue Volkspartei” dazu, in der Sache einzulenken. Offen bleibt allerdings die Frage der Finanzierung. Während die SPÖ die Abschaffung mit einer Erbschafts-und Schenkungssteuer auf Vermögen ab einer Million Euro gegenfinanzieren möchte, sträubt sich der neue ÖVP-Chef Sebastian Kurz gegen den Vorschlag. Dieser zeigt sich bislang höchstens dazu bereit, die Entlastung für Pflegebedürftige durch Einsparungen bei der Bürokratie gegenzufinanzieren. Einen konkreten Vorschlag blieb er allerdings schuldig.

Von uns gibt es – wie Sie sicherlich nicht verwundert – keine Bereitschaft zu einer Erbschaftssteuer, oder sonstigen neuen Steuern.
(Sebastian Kurz, Neue Volkspartei)

Erfreut darüber, dass Bewegung in die Debatte rund um die Abschaffung des Pflegeregresses  kommt, zeigte sich in mehreren Stellungnahme auch die Salzbruger SPÖ. “Es geht hier nicht darum, wie Sebastian Kurz meint, darum neue Steuern zu erfinden, sondern darum, die derzeitige 100-prozentige Enterbung im Pflegefall durch durch eine Erbschafts- und Schenkungssteuer auf Vermögen, die eine Million Euro übersteigen, zu ersetzen. Etwa zwei bis drei Prozent der österreichischen Haushalte wären davon betroffen. Wir sprechen hier aber von Leuten, die sich trotz einer solchen Besteuerung glücklich schätzen dürfen. Gleichzeitig würden wir die vielen pflegebedürftigen Menschen von ihrer Enteignungbefreien”, so der Salzburger SPÖ-Chef Walter Steidl, für den ebenfalls klar ist:

Die ÖVP unter Sebastian Kurz kann nun zeigen, ob sie die Reichen schonen will, oder Gerechtigkeit für die vielen Menschen, die nach einem fleißigen und genügsamen Leben ihr Sparbuch verlieren, weil sie auf Pflege angewiesen sind.“
(Walter Steidl, Salzburger SPÖ-Chef)

“Die Forderung von Christian Kern, den Pflegeregress abzuschaffen und durch eine Steuer auf Erbschaften ab einer Million Euro zu finanzieren, ist gerecht, sozial und fair. Damit nehmen wir den Menschen die Angst, ihr über die Jahre angespartes Geld zu verlieren, weil sie Pflege benötigen. Eine Steuer, die ab 1 Million greift, ist Erben hingegen zuzumuten“, erklärte auch die SPÖ-Landtagsabgeordnete und Sozialsprecherin Ingrid Riezler-Kainzner.

Soll der Pflegeregress durch eine Erbschafts- und Schenkungssteuer auf Vermögen finanziert werden, die 1 Million Euro übersteigen?

  • Ja (91%, 48 Votes)
  • Nein (9%, 5 Votes)

Total Voters: 53

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Caritas unterstützt Abschaffung des Pfegeregresses

In der ZIB2 trat am Dienstagabend auch der österreichische Caritas-Präsident Michael Landau für die Abschaffung des Pfegeregresses  ein und bezeichnete den politischen Vorstoß an sich als “sehr erfreulich” bzws als sinnvollen und logischen Schritt, wenngleich er sich als “gelernter Österreicher skeptisch zeigte, dass diese ernste Problematik ausgerechnet im Vorwahlkampf zu den Nationalratswahlen zum Thema erhoben wird:

Ich halte das Thema Pflege für zu wichtig, um es im Wahlkampf zu zerlegen oder es zu missbrauchen.
(Michael Landau, Caritas-Präsident Österreich)

Sollte sich im Nationalrat neben der Mehrheit für die Abschaffung des Pflegeregresses ebenfalls eine Mehrheit für die Gegenfinanzierung finden, so könnte diese – auch ohne die Stimmen der ÖVP – immerhin noch beschlossen werden, bevor der Wahlkampf wirklich anläuft.

Aktionstage in Salzburg

Seit dem heutigen Tag versucht die SPÖ mit bundesweiten Aktionstagen unter dem Motto ‘Aus Respekt vor dem Alter’ noch einmal den Druck zu erhöhen. Zusätzlich wurde eine Petition gestartet, die sich für die Abschaffung ausspricht.

 

Auch in Salzburg wird mit Straßenaktionen für die Abschaffung des Pflegeregresses geworben. Unter anderem wird in den verteilten Flyern aber auch der Erhalt des öffentlichen Pensionssystems und eine flächendeckende ärztliche Versorgung gefordert. Ein Thema, das für die Salzburger SPÖ angesichts der Einsparungen bei regionalen Krankenhäusern im Bundesland Salzburg mittlerweile zum Dauerbrenner geworden ist. “Respekt vor dem Alter bedeutet für mich auch, dass wir den Menschen eine gute Gesundheitsversorgung vor Ort gewähren. Im Bundesland Salzburg erleben wir derzeit, wie die ärztliche Versorgung in den ländlichen Regionen zunehmend ausgetrocknet wird. Wir müssen unsere bestehenden Spitäler am Leben erhalten und um zusätzliche Primärversorgungszentren ergänzen“, so Steidl.

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