„Braucht es noch die Sozialdemokratie“ ist eine Beitrags-Serie von Hallo Salzburg. Unterschiedlichste Personen aus der SPÖ, ihrem kritischen Umfeld, aber auch Leute aus anderen Parteien und der Zivilgesellschaft werden darum gebeten, ihre Gedanken zur Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert zu formulieren. Hat sie ihre Ziele bereits erreicht? Sind ihre Ideen überholt oder gar gescheitert? Oder braucht es sie mehr denn je? Muss sie sich ändern oder zurück zu ihren Wurzeln?
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Ein Beitrag von Karl Öllinger, Abgeordneter zum Nationalrat für die Grünen.
Was für eine Frage! Noch vor zwanzig Jahren wäre sie unvorstellbar gewesen. Die Sozialdemokratie stellte nicht nur in Österreich den Regierungschef, sondern in vielen Ländern der Europäischen Union. Die Sozialdemokratie regierte in Spanien, Portugal, Griechenland, Schweden usw., mit Unterbrechungen auch in Großbritannien, der BRD und Italien – sie war der bestimmende Faktor in Europas Politik. Oder richtiger – sie wäre es gewesen, wenn sie sich nicht zu großen Teilen ideologisch dem Neoliberalismus ausgeliefert hätte. Schröder und Hartz 4 in Deutschland, Blair und „New Labour“ im Vereinigten Königreich. Nicht – wie in Sonntagsreden immer wieder versprochen – eine demokratische und soziale Europäische Union, sondern eine Währungsunion ohne flankierende Maßnahmen war das Resultat.
Das Window of Opportunity ist für die Sozialdemokratie einstweilen geschlossen.
Die europäische Sozialdemokratie hat in dieser für die Zukunft Europas wichtigsten Frage versagt. Das „Window of Opportunity“, das Zeitfenster für diesen Umbau Europas, ist einstweilen wieder geschlossen. Jetzt drängen sich die Expert_innen der Abrissbirne vor, denen es nichts ausmacht, wenn nicht nur Europa, sondern auch der Sozialstaat in Trümmern liegt. Rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien, die keine bzw. die falschen Antworten auf die großen Fragen von Verteilungsgerechtigkeit, Demokratie und Menschenrechten haben, machen der Sozialdemokratie Konkurrenz.
Gute Sozialdemokratie setzt nicht auf Angst.
Und wie reagiert die Sozialdemokratie? Teile von ihr setzen auf Anbiederung, auf Umarmung der extremen Rechten, auf Bündnisse mit ihnen. Ein fatales Rezept für die Sozialdemokratie, das sie überflüssig machen würde. Denn die Sozialdemokratie, die wir brauchen könnten, das ist eine, die auf Aufklärung und nicht auf Angst, auf Menschenrechte und nicht auf Verachtung bestimmter Gruppen, auf Inklusion und nicht auf Ausgrenzung, auf Mut und nicht auf Furcht setzt.
Eine solche Sozialdemokratie täte uns allen – auch den Grünen – gut!