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Blair Witch

posted by Johannes Mayrhofer 13. Oktober 2016 0 comments

Letzte Woche war der Kinobesuch mit Findet Dorie betont kinderfreundlich, deswegen gibt es diese Woche, zwecks der cineastischen Abwechslung, einen düstereren Stoff: Wir haben uns auf die verwackelte Suche nach der Blair Witch begeben.

First things first: 1999 tauchte Filmmaterial auf, das eine Gruppe Studierender bei der Suche nach einer Hexe zeigte. Blair Witch Project war ein kleines und fantastisches Indie-Filmprojekt, das eigentlich nie für ein großes Publikum ausgelegt war. Wie es das Schicksal will, schaffte der Film den Sprung vom Festivalfilm in den Mainstream. Unter anderem war das brillante Guerilla-Marketing des damaligen Verleihs Artisan für den Erfolg verantwortlich. Angeblich handelte es sich nämlich um reales Filmmaterial. Das Konzept ging auf: Bei einem Produktionsbudget von knapp 60.000 Dollar konnte der Film weltweit etwa 250 Millionen erwirtschaften.

16 Jahre später wurde ein mysteriöser Horrorfilm namens The Woods angekündigt, in dem eine Gruppe junger Erwachsener durch einen Wald irrt. Die Horror-Community freute sich darauf und sie freute sich noch mehr, als auf der Comic Con enthüllt wurde, dass der Film The Woods in Wirklichkeit Blair Witch heißt und The Blair Witch Project fortsetzt. Damals im Original verschwand unter anderem Hauptdarstellerin Heather. In der Fortsetzung will ihr Bruder James (James Allen McCune) den Verbleib seiner Schwester aufklären, denn er glaubt in einem Youtube-Video einen Hinweis auf Heather gefunden zu haben. Er schnappt sich ein paar Freunde, Walkie-Talkies, Kameras und – wir leben schließlich im Jahr 2016 – eine Drohne mit Kamera und begibt sich auf die Suche in den Wald. Dass das nicht die beste Idee ist, die er je hatte (möglicherweise aber die letzte!), erleben wir in düsteren, verwackelten und von Jump-Scares überschwemmten 90 Minuten.

Dumme Ideen scheinen generell eines der Hauptmotive dieses Films zu sein. Fast schon amüsant traurig ist es, zu beobachten, wie die Figuren stupide jedes Horrorfilm-Klischee abarbeiten.

Ist es eine gute Idee, mitten in der Nacht alleine vom Zelt in einen düsteren Wald zu gehen, in dem merkwürdige Dinge vor sich gehen, weil man irgendetwas gehört hat? Ist es clever, in stockfinsterer Nacht auf einen nassen, rutschigen Baum zu klettern, wenn man bereits einen verletzten Fuß hat? Was will man erreichen, wenn man in ein Hexenhaus geht, und lautstark die Namen seiner Freunde ruft? Natürlich, wer weiß schon, wie man in solch einer fiktiven Ausnahmesituation reagiert, wie lange man rational handeln kann und wann man die Nerven wegwirft, doch die Charaktere in Blair Witch verhalten sich nahezu den ganzen Film über völlig unglaubwürdig. Wenn sie gerade nicht etwas wirklich Dummes tun, sind sie in Dialogen und auf zwischenmenschlicher Ebene einfach nur unglaublich unsympathisch. Bindung lässt sich so keine zum Geschehen und den Charakteren aufbauen, worunter die Spannung enorm leidet.

Das ist bedauerlich, denn eigentlich sind genügend Elemente für einen wirklich spannenden Horrorfilm gegeben. Allein die Kulisse des schier endlosen Waldes ist schon unheimlich. Das Motiv, eine vermisste Schwester zu suchen, ist auch nachvollziehbar. Die Ausgangssituation ist ähnlich wie im Original. Die Technik hat sich in den letzten fünfzehn Jahren jedoch weiterentwickelt. Wie schlagen sich die jungen Abenteurerinnen und Abenteurer, wenn Dinge wie GPS, Kameras, Smartphones und Drohnen selbstverständlich zur Unterstützung bereitstehen und bis zu welchem Grad kann man diesen Gerätschaften blind vertrauen?

Spätestens nach dem ersten Nachteinfall zeigt sich, dass sich Blair Witch wenig Mühe gibt, auf Suspense und Atmosphäre zu setzen. Mehr oder weniger gelungene Jump-Scares dominieren den Film. Diese plötzlichen und meist lauten Schreckmomente sind mittlerweile allgemein ein beliebtes Stilmittel im Film und erfüllen oft auch in Blockbustern einen Effekt wie der Paukenschlag in der ähnlich benannten Symphonie. Blair Witch bietet leider nicht mehr. Viele Paukenschläge, keine Symphonie. Was an guten Ansätzen – auch bezüglich der düsteren Stimmung und dem Gefühl des Ausgeliefertseins in den weiten verlassenen Wäldern – da ist, wird durch uninteressante, idiotisch agierende und unsympathische Figuren und ein Sperrfeuer aus Jump-Scares zunichte gemacht. Es reicht nicht, mit ein paar Holzfiguren und Steinhäufen nostalgische Momente zu beschwören, wenn sich der Film in jeder Szene mit Unglaubwürdigkeiten und dummen Protagonistinnen und Protagonisten dagegen sträubt, dass wir uns als Publikum auf seine Welt einlassen können.

Blair Witch ist nicht so viel schlechter als sein Vorgänger Blair Witch Project. Die Ausgangslage ist für beide Filme aber eine komplett andere und meines Erachtens in diesen Fällen auch miteinzubeziehen. Blair Witch Project war ein gelungener Geniestreich. Die Macher konnten mit ihren Mitteln das Beste aus ihrem Projekt herausholen. Hinter Blair Witch – 16 Jahre später; 16 Jahre in denen wir genügend andere Found Footage Filme und Jump-Scares erlebt haben – steht hingegen mit Lionsgate ein relativ großer Player im Hintergrund. Das Budget beträgt nicht mehr 60.000 Dollar sondern 5 Millionen. Das ist für einen Film noch immer nicht sonderlich viel, andere Filme, etwa The Purge oder Saw, haben aber bewiesen, dass man auch mit einem Budget in diesem Bereich deutlich mehr Qualität erreichen kann. Der Plan war scheinbar, wie es gerade modern ist (Star Wars 7, Jurassic World … ), die altbekannten Elemente in ein neues Drehbuch zu stopfen und zu hoffen, dass sich das Publikum mit Reminiszenzen an den Vorgänger einer Extase aus purer Nostalgie hingibt. Mir persönlich hat das in diesem Fall nicht gereicht. Diese bloße Aneinanderreihung von verwackelten Waldaufnahmen und lauten Shockmomenten verkauft ihr Publikum für dumm, beleidigt es geradezu.

Ja, es ist beindruckend, wie mich ein Film, der mich gefühlt alle 2 Minuten richtig erschreckt, so langweilen kann.

Blair Witch
Regie: Adam Wingard
Drehbuch: Simon Barrett
Soundtrack: Adam Wingard
Cast: James Allen McCune, Callie Hernandez, Brandon Scott, Valorie Curry
Laufzeit: 90 Minuten
FSK: ab 16
Kinostart: 06.10.16 (AT)

Das Titelbild stammt von der offiziellen Facebook-Seite des Films.

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