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Der neue Edgar Wright: Baby Driver

posted by Johannes Mayrhofer 21. Juli 2017 0 comments

Schon wieder ein Film mit Gangstern und schnellen Autos, der im Kielwasser von Fast and Furious mitschwimmen will, dachte ich, als ich beiläufig das erste Mal über Baby Driver gestolpert bin. Mein nächster Gedanke war, dass allein der Name äußerst abstoßend und uninspiriert klingt. Irgendwann durchschaute ich, dass das der neue Film des großartigen Edgar Wrights ist, jenes Mannes, der uns durch die Cornetto-Trilogie geführt, der mit Scott Pilgrim vs. the World die wohl außergewöhnlichste Comicverfilmung Hollywoods geschaffen hatte und der beinahe Ant Man gemacht hätte. Edgar Wright steht für pointierten Witz, innovative Schnitte, sympathische Charaktere und generell eine stilsichere Inszenierung. So änderte sich meine Erwartungshaltung von Ablehnung zu euphorischer Begeisterung. Wenn Edgar Wright die Geschichte eines Fluchtwagenfahrers inszeniert, dann schaue ich es mir an.

Baby Driver erzählt die Geschichte des jungen Fluchtwagenfahrers Baby (Ansel Elgort), der Musik liebt und hinter dem Lenkrad ein wahrer Gott ist. Dom und seine prolligen Freunde aus Fast and Furious könnten sich von ihm glatt noch eine Scheibe abschneiden. Baby arbeitet nicht ganz freiwillig für einen dubiosen Anzugträger namens Doc (Kevin Spacey), bei dem er verschuldet ist. Für ihn fährt Baby finstere Gestalten wie Griff (Jon Bernthal), Buddy (Jon Hamm), Darling (Eiza González) oder Bats (Jamie Foxx) zu Raubüberfällen und was viel wichtiger ist: Er bringt sie von dort auch wieder weg. Baby liebt Musik. Er hat immer die Stöpsel irgendeines Ipods im Ohr, während er durch die Straßen tänzelt oder vor der Polizei davon rast. Außerdem kümmert er sich liebevoll um seinen taubstummen Ziehvater Joseph (CJ Jones) und ist am besten Wege, sich in Debora (Lily James), die Kellnerin eines Bistros, zu verlieben. Ohne zu viel zu verraten: Nicht jeder Auftrag geht immer gut aus und nicht alle sind mit Babys Entscheidung, all das hinter sich zu lassen, glücklich.

Baby Driver fängt rasant an und diktiert von der ersten Minute, worauf es in diesem Film ankommt. Rasante Verfolgungsjagden und kultverdächtige Musikklassiker. Die toll besetzten Charaktere geraten dabei zur Nebensache, auch wenn wir zumindest zu Baby eine gewisse Bindung aufbauen können. Inszenatorisch gibt sich Baby Driver gewohnt gut: Die Kamera ist verspielt, der Schnitt rasant und perfekt abgestimmt, die Actionszenen sind imposant. Bei allem Lob wirkt die Kinematografie verglichen zu Edgar Wrights Meisterwerk Scott Pilgrim aber geradezu konservativ.

Die Handlung kann mit der gelungenen Inszenierung leider nicht mithalten. Es fehlt die Nähe zu den Charakteren. Diese sind – man ist es von Edgar Wright nicht anders gewohnt – zwar unglaublich coole Archetypen, aber verglichen zu Scott Pilgrim, Ramona oder auch Simon Peggs und Nick Frosts Charakteren aus der Cornetto-Trilogie deutlich weniger charmant. Leider nützt sich auch Babys Vorliebe für Musik, die die Fluchtfahrten untermalt, mit zunehmendem Filmverlauf ab und im unausweichlichen Showdown zieht sich der kurzweilige Film dann etwas in die Länge. Das ist allerdings Nörgeln auf hohem Niveau, denn Baby Driver unterhält durchaus und macht als amüsanter Actiontrip Laune. Von einem Edgar Wright hätte ich mir allerdings ein raffinierteres Drehbuch und spannendere Charaktere gewünscht. So bleibt am Ende der Eindruck, dass man mit einem großartigen Film begonnen hat, der sich irgendwo am Weg selbst aus den Augen verloren hat und im wahrsten Sinn des Wortes auf der Strecke geblieben ist.

Man stelle sich vor, Guy Ritchie (in seinen alten guten Lock-Stock-Snatch-Tagen) hätte eine Mischung aus Nicolas Winding Refns Drive und Michael Manns Heat inszeniert.

Baby Driver ist dieser Film geworden, verliert aber durch seine Selbstgefälligkeit. Was unglaublich ambitioniert und toll sein könnte, gibt sich mit zu wenig zufrieden. Baby Driver hätte so viel mehr sein können und ist am Ende nur ein äußerst unterhaltsamer Actionfilm geworden.


Baby Driver
Regie: Edgar Wright
Drehbuch: Edgar Wright
Soundtrack: Steven Price
Cast: Ansel Elgort, Kevin Spacey, Lily James, Jon Bernthal, Jamie Foxx, Jon Hamm, Eiza González, CT James
Laufzeit: 113 Minuten
FSK: 16
Kinostart: 27.07.17 (AT)

 


Foto: Fair Use

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