Der Einigungsparteitag 1888/89 in Hainfeld trug auch im Bundesland Salzburg zu einer positiven Entwicklung der Arbeiter_innenbewegung bei. So wurden rasch neue Fachvereine gegründet, die sich allerdings noch nicht „Gewerkschaft“ nennen durften. Die nun jährlich stattfindenden Parteitage in Wien halfen zusätzlich, den bisher losen Gedankenaustausch mit anderen GenossInnen zu intensivieren.
Nach dem Parteitag 1891 formierte sich in Salzburg erstmals ein Landesparteikomitee, zu dessen Obmann Franz Egger gewählt wurde. Zeitgleich wurde von Jakob Prähauser in Hallein ein “Arbeiter-Bildungsverein” ins Leben gerufen. Über den Verein „Zukunft“ konnten zusätzlich landesweite Vorträge organisiert werden.
Diese Vorträge mussten jedoch des Öfteren in Privatwohnungen stattfinden, da sich kaum Gastwirte fanden, die ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellten. Zudem wurde unter den Zuhörer_innen häufig Geld gesammelt, um die Reisekosten der Vortragenden aufbringen zu können.
Lend als Zentrum sozialer Auseinandersetzungen
Zu den ersten Vertrauensmännern (Funktionär_innen) zählten Johann Gehwolf aus Werfen, Franz Brutar aus Lend, Georg Koller aus Taxenbach, Simon Abram aus Saalfelden und Jakob Viehauser aus Dienten. Die Entwicklung der Arbeiter_innenbewegung schritt überall dort rasch voran, wo Industrie- und Bergbaubetriebe angesiedelt waren. Zentren dieser Entwicklung waren Lend, Bad Gastein (Goldbergbau) sowie Mühlbach und Dienten (Kupferbergbau).
Aluminiumfabrik in Lend, ca. 1904. [Quelle: Bauer Ingrid (Hg.), 100 Jahre Sozialdemokratie.
Von der alten Solidarität zur neuen sozialen Frage. Wien 1988, S. 49.]
Von besonderer Bedeutung war die Gemeinde Lend, in der eine alte Goldwäscherei sowie eine Schmelzhütte angesiedelt waren. 1887 wurde aus diesen Anlagen eine Asbestfabrik errichtet, die zu den schlimmsten Ausbeuterbetrieben der damaligen Zeit gehörte. Daneben hatte – bis zur Errichtung der Tauernbahn im Jahr 1905 – der Fuhrwerksverkehr nach Gastein eine überragende Bedeutung. Der dortige Arbeitstag dauerte zwischen vierzehn und sechzehn Stunden und war extrem kräftezehrend. All diese Faktoren zusammengenommen, machten aus der kleinen Gemeinde Lend ein Zentrum der sozialen Auseinandersetzung.
Eine neue Wendung ergab sich, als die „Aluminium-Industrie-AG“ in den Jahren 1898 und 1899 ihre Arbeit in Lend aufnahm. Franz Brutar gelang es nun, gemeinsam mit anderen Vertrauensmännern einen sozialdemokratischen Verein in der Gemeinde aufzubauen. Zeitgleich suchte man den Austausch mit anderen Genoss_innen in Bad Gastein und Dienten.
Die ersten tausend Sozialdemokrat_innen
Im Jahr 1892 fand in Wien der 3. Parteitag der Sozialdemokratie statt. Dort wurde offiziell beschlossen, ein weit verzweigtes Vertrauensmännersystem aufzubauen. Im selben Jahr wurden in Salzburg zwei weitere Arbeiter-Bildungsvereine geschaffen, und zwar in Saalfelden sowie in Bischofshofen. Ein weiterer Versuch in Thalgau blieb hingegen nur wenige Jahre lang bestehen.
Im Jahr 1894 konnte man mit Stolz verkünden, dass die sozialdemokratische Arbeiter_innenbewegung in Salzburg rund 1.000 Mitglieder umfasste. Insgesamt wurden fünf Organisationsbezirke gegründet, deren Zentren je ein Arbeiter-Bildungsverein war. Diese Bildungsvereine verfügten über 492 Mitglieder. Weitere 452 Personen waren in sechs Fachvereinen organisiert. Gemeinsam mit 51 Mitgliedern des Arbeiter-Sängerbundes waren damit 995 Genoss_innen in der sozialdemokratischen Bewegung organisiert.
1896: Das Geburtsjahr der Salzburger SPÖ
Das Jahr 1896 markiert für die Salzburger SPÖ ein historisches Datum: Jakob Prähauser wurde gewählt, um als erster Landesparteivorsitzender offiziell die Geschäfte der sozialdemokratischen Bewegung zu führen – eine Funktion, die er bis 1904 innehatte. 1897 wurde Prähauser zudem in die Reichsparteileitung aufgenommen.
„Der rote Jakob“, wie er im Volksmund hieß, wurde am 24. Mai 1849 in Hallein geboren und erlernte hier den Beruf des Steinmetzes. Prähauser galt als „klassenbewusster Pragmatiker“, der sich in gewerkschaftlicher Organisationsarbeit und in Lohnkämpfen bewährte. Der „Marmorschleifer“ stand noch ganz in der Tradition der von Handwerksgesellen geprägten Arbeiterbewegung.
Der Kampf um das Wahlrecht
Das Jahr 1896 markiert zudem einen weiteren Meilenstein, da erstmals auch Wahlen in der sogenannten fünften Kurie erfolgen durften. Dort war jeder männliche Staatsbürger (24 Jahre Mindestalter) wahlberechtigt, der sechs Monate in einem Wahlkreis ansässig war.
Trotz dieses ersten Erfolges war die Ungerechtigkeit des Systems enorm: So wählten rund 5.000 Großgrundbesitzer insgesamt 85 Abgeordnete, während 75.000 Wähler in der fünften Kurie lediglich einen Abgeordneten stellen durften.
Der Kampf um ein gerechtes Wahlsystem sollte demnach auch zu einem der wichtigsten Anliegen der SozialdemokratInnen in den kommenden Jahren werden.
Titelfoto: Gesamtparteitag 1899. [Public Domain]