Geschichte

„In der Theorie sind die Genossinnen schon gleichberechtigt…“: Die Anfänge des Internationalen Frauentages

posted by Alexander Neunherz 8. März 2017 0 comments

Von Beginn an war die Höhe der Entlohnung abhängig vom Geschlecht. In den Arbeitsverhältnissen wurde diese Ungleichbehandlung gewollt herbeigeführt und zusätzlich verstärkt. Vor allem Textilfabriken beschäftigten Mitte des 19. Jahrhunderts Frauen (und Kinder) in großer Zahl. Bereits 1875 war die Hälfte aller Textilarbeiter_innen im deutschsprachigen Raum weiblich.

Die Erwerbsarbeit von Frauen entstand jedoch schon früher und hatte ihren Ursprung in der Landwirtschaft und im Heimgewerbe. Ausbeuterische Verhältnisse waren so bereits vor der industriellen Arbeit zur Realität geworden. Neu hingegen waren die klare Trennung von Wohn- und Arbeitsplatz und die Herauslösung der Arbeit aus dem Familienverband.

In den Fabriken selbst wurde die Ausbeutung dann zügig vorangetrieben, richteten sich die Löhne doch nach dem Marktwert einer Arbeitskraft:

„Schon weil Frauen […] im Gewerbe und besonders in der Industrie viel weniger Arbeitsplatzalternativen besaßen, […] war das Angebot weiblicher […] Arbeitskräfte für textil-industrielle Verwendung sehr groß. […] Überdies richteten die Löhne sich nach Herkömmlichkeiten, und sie unterstellten soziale Bedürfnisse. Sie reflektierten die traditionelle Ungleichheit zwischen Männern und Frauen, wie zwischen den Lebensaltern.“ [1]

Die massiven Ungerechtigkeiten beschränkten sich jedoch nicht nur auf den deutschsprachigen Raum. Am 8. März 1857 kam es etwa in New York zu Protesten von Arbeiterinnen. Dabei wurden die unmenschlichen Arbeitsbedingungen angeprangert und gleicher Lohn für gleiche Arbeit gefordert.

51 Jahre später ereignete sich ebenfalls in New York eine große Tragödie: Dort traten am 8. März 1908 Arbeiterinnen der Textilfabrik „Cotton“ in den Streik. Um Solidarisierungen zu verhindern, wurden sie in der Fabrik eingeschlossen. Kurze Zeit später brach ein Brand aus – 129 Frauen verloren ihr Leben. Die Hintergründe und Ursachen konnten nie offiziell geklärt werden.

Doch nicht nur bei den Arbeitsbedingungen waren Frauen stark benachteiligt. Die politische Mitbestimmung war zur damaligen Zeit ein ausschließlich männliches Privileg.
Zu dieser Zeit tobte in Europa und Österreich bereits ein jahrelanger erbitterter Kampf um ein gerechteres Wahlsystem. Erste Erfolge zeichneten sich ab: So wurde etwa im Jänner 1907 das allgemeine und gleiche Männerwahlrecht in Österreich eingeführt. Dieser Meilenstein konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Frauen vom Wahlrecht weiterhin gänzlich ausgeschlossen blieben.

“In der Theorie sind die Genossinnen schon gleichberechtigt, in der Praxis aber hängt der Philisterzopf den männlichen Genossen noch ebenso im Nacken wie dem ersten besten Spießbürger.” Clara Zetkin, 1900.

Der Kampf um das Frauenwahlrecht war schließlich auch die Initialzündung für einen ersten nationalen Frauentag, den nordamerikanische Sozialistinnen im Jahr 1909 durchführten.
Ein Jahr später wurden in Kopenhagen auf Initiative der deutschen Sozialistinnen Clara Zetkin und Käte Duncker endgültig die Weichen für einen Internationalen Frauentag gelegt, „um die Bewegung für Frauenrechte zu ehren und Hilfe bei der Erlangung des universellen Frauenwahlrechts zu leisten“ [2]. Der Beschluss fiel auf dem 2. Kongress der Sozialistischen Internationale, zunächst jedoch ohne festes Datum.

„Im Einvernehmen mit den klassenbewussten politischen und gewerkschaftlichen Organisationen des Proletariats in ihrem Lande veranstalten die sozialistischen Frauen aller Länder jedes Jahr einen Frauentag, der in erster Linie der Agitation für das Frauenwahlrecht dient. […] Der Frauentag muß einen internationalen Charakter tragen und ist sorgfältig vorzubereiten.“ [3]

Im Jahr 1912 gab es auch erstmals in Salzburg massive Bemühungen, die (sozialdemokratischen) Frauen besser zu organisieren. Dazu wurden im März eine Landesfrauenkonferenz und im Mai der Internationale Frauentag abgehalten.

Erst 1921 wurde mit dem 8. März ein fixes Datum gefunden. Die Streiks der Jahre 1857 und 1908 sollten so in Erinnerung gebracht werden. Seither wurde viel erreicht, dennoch sieht echte Gleichstellung in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft anders aus. Der Internationale Frauentag wird so auch in Zukunft nichts von seiner Wichtigkeit einbüßen.


Titelfoto: Plakat der Frauenbewegung zum Frauentag am 8. März 1914. [Public Domain]

Quellen:
[1] Kocka, Jürgen (1990). Arbeitsverhältnisse und Arbeiterexistenzen. Grundlagen der Klassenbildung im 19. Jahrhundert, Bonn, S. 465.
[2] Vgl. “Rot bewegt – Geschichte der Sozialdemokratie” [Link öffnen]
[3] Wurms, Renate (1980). Wir wollen Freiheit, Frieden, Recht. Der Internationale Frauentag. Zur Geschichte des 8. März, Verlag Marxistische Blätter, S. 6.

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