Vor zwölf Jahren wurde der damalige Erzbischof von Buenos Aires, Kardinal Jorge Mario Bergoglio, im Konklave zum ersten südamerikanischen Papst gewählt. Von diesem Moment an trug er den Namen Franziskus. Seine ersten Worte als Papst lauteten: „Buona sera”. Am 21. April verstarb er im Alter von 88 Jahren.
Die Namenswahl war kein Zufall, sondern ein deutliches Zeichen: Sein Vorbild war Franz von Assisi – jener Ordensgründer, der in freiwilliger Armut lebte und sich kompromisslos für die Armen und Bedürftigen einsetzte. Franz von Assisi war nicht nur Helfer der Schwachen, sondern auch Friedensstifter. Ganz in diesem Geist stellte sich auch Papst Franziskus gegen Ungerechtigkeit und scheute sich nicht davor zurück, wirtschaftliche und politische Entwicklungen zu kritisieren und zu hinterfragen.
Eine unsichtbare Tyrannei
So schrieb er 2013 im Evangelii Gaudium, dass sich die Einkommen einer kleinen megareichen Elite ins Unermessliche steigerten, während der Wohlstand für die breite Mehrheit in immer weitere Ferne rücke. Diese wachsende soziale Ungleichheit sei Ausdruck einer Ideologie, die auf die ausufernde Autonomie der Märkte und die Freiheit der Finanzspekulation setze. So entstehe, so Franziskus, eine neue Tyrannei, welche zu Lasten der Bevölkerung fiele.
Diese Analyse stand im deutlichen Kontrast zu vielen christlich-konservativen und rechtspopulistischen Parteien in Europa. Besonders in wirtschaftspolitischen Fragen könnte man fast meinen, Franziskus habe sozialdemokratische Werte nicht nur geteilt, sondern aktiv vertreten.
Gewerkschaften als Garant der Würde
So maß Franziskus zeitlebens auch den Gewerkschaften eine zentrale Rolle in der modernen Arbeitswelt bei. In mehreren Reden, etwa vor den italienischen Gewerkschaften CGIL und CISL, rief er sie dazu auf, Wächter der sozialen Gerechtigkeit zu sein. Ohne Gewerkschaften, so seine Überzeugung, gebe es keine wirklich freien Arbeiter. Franziskus forderte von ihnen nicht nur den Schutz vor Ausbeutung, sondern auch die Fähigkeit, Brücken zu bauen: zwischen Generationen, zwischen Arbeitslosen und Beschäftigten. In einer Welt, in der Arbeitnehmerinnen zunehmend unter Druck geraten, sah er in den Gewerkschaften ein notwendiges Gegengewicht.
Land, Wohnung, Arbeit – die Dreifaltigkeit der sozialen Gerechtigkeit
Bei einem Treffen mit sozialen Bewegungen im Jahr 2014 stellte Franziskus klar, dass grundlegende Rechte wie Wohnen, Bildung und Gesundheitsversorgung keine Almosen seien, sondern grundlegende Voraussetzungen für ein Leben in Würde. Er sprach von „Land, Wohnung und Arbeit” als den drei zentralen Forderungen der „Ausgeschlossenen“.
Der Staat, so seine Botschaft, dürfe sich hier nicht zurückziehen, sondern müsse aktiv für Gerechtigkeit sorgen.
Eine Kirche, die nicht verurteilt
Auch in moralischen und gesellschaftlichen Fragen zeigte sich Franziskus offener als viele seiner Vorgänger. So ließ er etwa im Umgang mit LGBTQ+-Personen eine neue, versöhnlichere Tonlage anklingen. Für ihn stand von Anfang an fest: Nicht moralische Urteile, sondern menschliche Nähe und Unterstützung sollten im Zentrum kirchlichen Handelns stehen. „Wer bin ich, um zu urteilen?“, sagte er 2013 im Zusammenhang mit homosexuellen Gläubigen, ein Satz, der weltweit für Aufsehen sorgte und vielen als Signal eines neuen Umgangs galt.
Manche Entscheidungen blieben umstritten, manche Reformen unvollendet und doch hat er die katholische Kirche in eine Richtung gelenkt, die offener, sozialer und näher an den Menschen ist. In Zeiten politischer Spaltung, wachsender sozialer Kälte und dem Aufstieg rechtspopulistischer Parteien, die mit Angst, Ausgrenzung und nationaler Abschottung Politik machen, war Franziskus eine moralische Gegenstimme. Vielleicht war er gerade deshalb ein Papst, der weit über die Grenzen der Kirche hinaus Wirkung zeigte.










