Gesellschaft

Zweiklassengesellschaft im Sozialstaat: Warum unser System ein Update braucht.

posted by Patrick Schlager 11. Dezember 2025 0 comments

Österreich ist stolz auf seinen Sozialstaat. Doch der Lack ist ab. Unser System wurde für die Industriearbeiter des letzten Jahrhunderts gebaut, nicht für die digitale Realität von heute. Ein Kommentar:

Wir leben in einer der wohlhabendsten Regionen der Welt. Doch wenn wir ehrlich sind, ruhen wir uns auf den Lorbeeren der Vergangenheit aus. Unser Sozialsystem stammt aus einer Zeit, in der man mit 15 in die Fabrik ging und mit 60 in Pension. Diese Welt existiert nicht mehr. Digitalisierung und Globalisierung haben den Arbeitsmarkt radikal verändert, aber unser Schutznetz hat das Update verpasst.

Die Gefahr der „Dualisierung“: Ein Riss durch die Gesellschaft

Analysen zeigen eine besorgniserregende Entwicklung, die man in der Fachsprache „Dualisierung“ nennt. Auf gut Deutsch heißt das: Wir steuern auf eine Zweiklassengesellschaft zu.

Auf der einen Seite stehen die „Insiders“: Menschen mit unbefristeten Altverträgen, guten Gehältern und vollem Kündigungsschutz. Auf der anderen Seite wächst die Gruppe der „Outsiders“: Junge Menschen, Leiharbeiter, Scheinselbstständige und Gig-Economy-Jobber, die von einem befristeten Vertrag zum nächsten hetzen.

Sicherheit ist kein Luxus, sondern Wirtschaftsmotor

Oft hören wir von konservativer und liberaler Seite, dass ein starker Kündigungsschutz und hohes Arbeitslosengeld die Wirtschaft bremsen würden. Das Gegenteil ist der Fall!

Wer existenzielle Angst haben muss, morgen auf der Straße zu stehen, investiert nicht in spezielle Fähigkeiten. Er lernt nur das Nötigste, um irgendwie über die Runden zu kommen. Echte Innovation und Fachwissen entstehen dort, wo Menschen sich sicher fühlen. Ein starker Sozialstaat ist also kein “Kostenfaktor”, sondern die Basis für qualifizierte Fachkräfte. Wer den Sozialschutz abbaut, züchtet eine Generation von billigen Hilfskräften heran, statt Experten zu fördern.

Wo wollen wir hin?

Die Wissenschaft unterscheidet grob drei Welten von Wohlfahrtsstaaten:

  1. Die Liberalen (z.B. USA/Republikaner): Der Markt regelt alles, wer hinfällt, bleibt liegen.
  2. Die Konservativen (z.B. Deutschland/Österreich CDU/ÖVP): Der Status Quo wird bewahrt, aber Ungleichheiten bleiben bestehen.
  3. Die Sozialen (z.B. Schweden/Österreich SCA/SPÖ): Hohe Sicherheit für alle, unabhängig vom Markt, was echte Chancengleichheit schafft.

Österreich steht am Scheideweg. Wollen wir zusehen, wie unser System langsam amerikanisiert wird und die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergeht?

Fazit: Mut zur Reform

Wir brauchen keinen Kampf „Alt gegen Jung“ oder „Stammbelegschaft gegen Leiharbeiter“. Wir brauchen eine neue Sozialpolitik, die alle Arbeitsformen absichert. Egal ob am Fließband oder am Laptop. Wenn wir den Sozialstaat nicht modernisieren, wird er zur bloßen Fassade verkommen. Es ist Zeit, die soziale Sicherheit vom Markt abzukoppeln („Dekommodifizierung“), damit Menschen wieder frei atmen können, statt nur ums Überleben zu kämpfen.

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