Gesellschaft

Ich bins, dein Stangerlfahrer #1

posted by Der Stangerlfahrer 6. Juni 2017 0 comments

Ein regelmäßiges Update über Mensch und Verkehr

In den folgenden Ausgaben werde ich, der Stangerlfahrer, die Sicht auf den Verkehr und die davon betroffenen Menschen aus einer völlig anderer Sicht reflektieren. Immer wieder liest man von der Stauhauptstadt Salzburg, von Expert_innenkommissionen und auch von verärgerten Fahrgästen. Doch eigentlich niemand berichtet über die unzähligen Busfahrer_innen der Stadt Salzburg. Das will ich hiermit ändern….


Eine allgemeine Klarstellung…

Wie kannst du das nur machen?
Wie hältst du die Leute aus?
Bist du im Dienst auch so unfreundlich wie deine Kolleg_innen?
Der Verkehr muss dich doch wahnsinnig machen?

Das sind die vier Fragen, die einem am häufigsten gestellt werden, wenn man erzählt, dass man Obusfahrer in der Stadt Salzburg ist. Ich gebe klar und deutlich zu, dass ich mir selbst oft die eine oder andere Frage gestellt habe, vor allem bevor ich mich dazu entschlossen habe, diesen Beruf zu wählen. Ich sehe es aber mittlerweile eher als Berufung, denn als Beruf und kann diese Fragen leicht beantworten.

Ich kann das machen, weil ich insgeheim immer große Fahrzeuge, vor allem Busse steuern wollte. Durch meine Jobs früher bekam ich einen guten Einblick und nun habe ich diesbezüglich den Gipfel erreicht. Aber abgesehen davon ist das, was ich mache, nichts Abstruses oder etwas, was es kaum auf der Welt gibt. Es ist herausfordernd, in einer eng gebauten Stadt mit einem 18 Meter langen und 2,50 Meter breiten Fahrzeug herumzukurven, mit einem Auge dabei immer auf die Oberleitung gerichtet, und mit dem dritten und vierten Auge auf den Verkehr und die Fahrgäste.

Es ist meiner Meinung nach etwas verdammt Wichtiges, hält es doch die Lebensadern einer Stadt am Leben. Du bist nicht nur Lenker, sondern Informationsgeber, Kummerkasten, Erziehungsberechtigter, Watschnbaum, oftmals das zum Mensch gewordene Übel, Kündigungs- oder Scheidungsgrund, Unfallvermeider und ggf. Ersthelfer und Lebensretter. Kurz um, ein Spiegelbild der Gesellschaft, so wie „die Leute“ auch, also die Kund_innen.

So groß die Vielzahl an unterschiedlichen Charakteren bei den Bediensteten ist, so groß ist sie bei den Personen, die einsteigen. Es gibt sie noch, jene Personen, die bei der ersten Tür einsteigen und freundlich grüßen. Aber man würde nicht glauben, welchen Aufwand viele Menschen betreiben, um ja nicht „Guten Morgen“ oder „Grüß Gott“ sagen zu müssen. Da wird dann gerne mal an der ersten Tür vorbeigerannt und die zweite oder sogar dritte Tür bevorzugt. Sollten diese geschlossen sein und man sich dann doch in er Notlage wiederfinden, die erste Tür zu benutzen zu müssen, so folgen oft eine Fülle an Halsverrenkungen, um nur ja nicht dem Gegenüber ins Gesicht schauen zu müssen. Ich muss zugeben: An guten Tagen liebe ich es, gerade in solchen Situationen demonstrativ laut und freundlich zu grüßen. Diese bilateralen, oft unvermeidbaren Zusammenkünfte lassen sich auf viele Situationen ummünzen.

Vice versa sind auch wir Fahrer_innen nicht immer davor gefeit, mal ein fades Aug zu haben oder einen bissigen Kommentar abzugeben. Auch wird dann mal nicht auf die herbeilaufenden Personen gewartet, da man eh schon elf Minuten Verspätung hat. Was man auch übrigens nicht muss, denn das Linienfahrzeug ist zu erwarten und nicht der Gast; nur mal am Rande erwähnt. Ebenso leidet die Auskunftsfreudigkeit zunehmend an der Häufigkeit der etwas seltsamen Fragen. Ein Fahrzeug der Linie 5 auf dem „5 – Zentrum/Birkensiedlung“ steht, wird nicht „der 3er“ sein oder nach Obergnigl fahren.

Die Ticketpreise macht nicht der Buslenker und Ermäßigungen für Senior_innen gibt es eben nur im Vorverkauf… Ein ganz eigenes Thema. Auch darüber ließe sich seitenweise berichten, aber dazu und allgemein zum Verhältnis Mensch vs. Mensch im öffentlichen Verkehr in einer anderen Kolumne mehr.

Im Wesentlichen lässt sich klar sagen, dass die Menge der freundlichen Busfahrer_innen in der Stadt Salzburg relativ der Menge der in Salzburg wohnenden freundlichen Menschen entspricht.

Und dann kommt natürlich auch noch der wunderbare, alltägliche und immer schlimmer werdende Verkehr mit ins Spiel. Mittlerweile kann ich für mich und ich denke für einen Großteil meiner Kolleg_innen sagen, dass das ewige Staustehen und die dadurch angehäuften Verspätungen zum Beruf dazu gehören und uns nicht mehr wirklich belasten. Das Nervenaufreibende sind die wahrscheinlich teilweise weniger belastbaren anderen Verkehrsteilnehmer_innen, die in der Früh gestresst und missmutig in die Arbeit pendeln und abends müde bzw. noch hektischer nach Hause drängen. Ständig in brenzliche Situationen zu geraten, die am-Steuer-mit-dem-Handy-spielende Personen in ihren PKWs fabrizieren, falschparkende Autos oder überhaupt LKWs, anarchische Zustände allgemein auf de facto allen Straßen Salzburgs und eine entweder überforderte oder desinteressierte Polizei sind die maßgeblichen Nervenkiller. Die eben erwähnten Situationen gepaart mit irreführenden Straßenführungen und Ampelregelungen, die jeglicher Logik entbehren, vervollständigen das CHAOS auf Salzburgs Straßen. Aber auch diesbezüglich in Kürze mehr…

Im Allgemeinen sollte man sich gelegentlich, wenn man in den Bus einsteigt, kurz darauf besinnen, dass am Steuer ein Mensch sitzt, mit Gefühlen, mit Sorgen, mit Humor, mit Leidenschaft etc. und dieser möchte auch als Mensch behandelt werden. Weil, mal im Ernst: Jede_r von uns hat schon mal ein unerfreuliches Erlebnis in einem öffentlichen Verkehrsmittel gehabt. Aber ebenso auch vielleicht in einer Bar oder bei einer Behörde und glaubt mir, jede_r Busfahrer_in hatte schon mindestens einmal ein unerfreuliches Erlebnis mit einem Fahrgast.

In diesem Sinne gute Fahrt! Und immer daran denken: Im Vorverkauf sind die Tickets günstiger.

 


Disclaimer: Diese Kolumne stellt die Meinung dieses Autors/dieser Autorin dar und spiegelt nicht grundsätzlich die Meinung der Redaktion wider.

Das könnte sie auch interessieren