Der Konsum von Obst und Gemüse spielt im Schulalltag nur eine untergeordnete Rolle. So haben Studien zum Ernährungsverhalten der Schüler_innen in Österreich ergeben, dass nur knapp mehr als ein Drittel täglich zum Apfel oder einem anderen Obst greift. Nur knapp jede_r vierte Schüler_in isst täglich Gemüse. Alarmierende Zahlen, die allerdings schon länger bekannt sind. Die genannten Zahlen stammen aus einer HSBC (Health Behaviour in School-aged Children) Studie, welche bereits 2012 veröffentlicht wurde.
Diese Studie zeigt auch, dass etwa ein Drittel der Kinder unter der Woche gar nicht frühstückt. Ein Umstand, der Mediziner_innen und Ernährungswissenschaftler_innen zu denken gibt. „In der modernen Wissenschaft ist heute klar belegt: Eine ausgewogene und gesunde Ernährung ist von zentraler Bedeutung, damit Kinder im Erwachsenenalter weniger oft zu Übergewicht und Fettleibigkeit neigen. Gesundes Essen im Kindesalter wirkt sich also positiv auf die Gesundheit und die damit verbundenen Kosten der Gesundheitsversorgung aus“, weiß der Salzburger Ernährungswissenschaftler Dr. Manuel Schätzer vom vorsorgemedizinischen Institut SIPCAN. In einer gemeinsamen Pressekonferenz unterstützte er den Vorstoß vom Salzburger SPÖ-Chef, dass in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren weitestgehend frisch gekochtes Mittagessen an allen Schulen im Bundesland erhältlich sein soll. „Die Forderung nach einem täglich frisch gekochten Mittagessen für Schüler_innen ist aus gesundheitlicher Sicht also sehr zu begrüßen“, so der Ernährungsexperte.
Tatsächlich handelt es sich bei Ernährung um ein Thema, das politisch kaum diskutiert ist, obwohl es in keiner Ideologie Gründe gegen ein gesundes Essen, speziell bei Schüler_innen geben dürfte. Vielleicht wird Ernährung aber auch gerade deshalb oft übersehen, weil es ein durch und durch sachpolitisches Thema ist, bei dem sich alle einig sein müssten. Der Umstand, dass nach den Grünen, die bereits veranlassten, dass 2016 das Jahr der Kindergesundheit ausgerufen wurde, die SPÖ nun eine konkrete Forderung stellt, gibt Grund zu sanftem Optimisums.
Situation in Salzburg.
Mit Ausnahme einiger Privatschulen und Initiativen mancher Gemeinden ist die Versorgungssituation an den Schulen im Bundesland Salzburg relativ bescheiden. Während die Versorgung sowohl in den Kindergärten, als auch in Altenheimen funktioniert, gibt es im Schulbereich kaum Ressourcen. Während an Bundeschulen zumindest teilweise Buffets mit Essen anbieten, das eher an Fast-Food erinnert, fehlt das Angebot in den meisten anderen Schulen komplett. Eine positive Ausnahme stellt etwa Bischofshofen dar, wo das Altenheim mittlerweile jugendtaugliches Essen produziert und die Schulen damit beliefert. Ein anderes Positivbeispiel wird der Bildungs-Campus Gnigl in der Stadt Salzburg.
Frisches Essen in Schulen in anderen Ländern Standard.
SPÖ-Chef Walter Steidl nannte bei der Vorstellung seiner Forderung, dass Schritt für Schritt jedes Schulkind täglich ein gesundes und frisch gekochtes Mittagessen erhalten soll, vor allem Finnland als Vorbild. Dort nämlich sei man schon einen Schritt weiter. Tatsächlich gibt es an finnischen Schulen seit etwa 60 Jahren flächendeckend täglich frisch gekochtes Mittagessen. Zukünftig wird dieses sogar um ein tägliches Frühstück ergänzt werden.
Alles spricht für frisch gekochtes Mittagessen in den Salzburger Schulen.
Jedes dritte Kind ist übergewichtig, durchschnittlich sitzen in jeder Klasse sogar zwei Kinder, die bereits an Fettleibigkeit (Adipositas) leiden. Der Ärztekammer zufolge wird das Gesundheitssystem durch die Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Jugendlichen bis 2030 um zusätzliche 1,6 Milliarden Euro belastet. Wenn die heutigen Kinder im Großeltern-Alter sind, würden die Mehrkosten für das Gesundheitssystem bei gleichbleibender Entwicklung auf 15,3 Milliarden Euro explodieren. Bereits jetzt ist Adipositas in Europa je nach Herkunftsland für zwei bis acht Prozent der Gesundheitsausgaben verantwortlich. Geht es nach Dr. Schätzer, dann wäre ein täglich frisch gekochtes Essen an Schulen ein wesentlicher Baustein für die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen. Studien zeigen, dass Menschen schlanker sind, wenn sie regelmäßig warme Speisen zu sich nehmen. Ebenso schwindet die Wahrscheinlichkeit für Übergewicht, wenn die aufgenommene Energie pro Mahlzeit geringer ist. Das bedeutet: Öfter essen, dafür geringere Mahlzeiten. Dass der Schulalltag gerade das oft nicht erlaubt, erklärt Elternvertreterin Ingrid Danzer: „Die Schüler_innen haben in der Mittagspause 55 Minuten Zeit, sich etwas zum Essen zu besorgen. Das ist eine eng bemessene Zeit. Von gesundem Essen ist da noch nicht einmal die Rede. Besonders am Land gibt es oft nicht einmal einen Supermarkt in der Nähe. Weil die Kinder auch noch mit dem Bus nachhause fahren müssen, bekommen sie oft erst um halb 6 am Abend ihr erstes warmes Essen.“ Täglich frisches Essen an den Schulen wäre ein wesentlicher Baustein, um Übergewicht und Fettleibigkeit bei Jugendlichen vorzubeugen.
Essen an Schulen ist politisch wertvoll.
Neben den erwähnten gesundheitspolitischen Aspekten sind es auch sozialpolitische Aspekte, die für die Umsetzung der Forderung sprechen. Die Krankheitshäufigkeit bei Fettleibigkeit zeigt eine massive soziale Ungleichheit. So sind Hauptschüler_innen doppelt so häufig adipös wie ihre Kolleg_innen in allgemein bildenden höheren Schulen. An Privatschulen wird frisch gekocht, in öffentlichen Schulen gibt es hingegen kein solches flächendeckendes Angebot. Ein frisch gekochtes Mittagessen an allen Schulen könnte helfen, diese soziale Ungleichheit zu minimieren. Für Walter Steidl ist neben Bildung vor allem auch Gesundheit zentral für eine Wohlstandsgesellschaft. Profitieren würden laut ihm alle Familien, die alleinerziehende Mutter genauso wie die Familie nach klassischem Modell, bei der ein Elternteil daheim ist. Gerade weil es immer schwieriger wird, alle Familienmitglieder zum selben Zeitpunkt an einen Tisch zu bringen, ist gesundes Essen an Schulen wichtig, auch aus einer gesellschaftlichen Perspektive. Doch auch die wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Aspekte dürfen nicht übersehen werden. Von einem täglich frisch gekochten Essen profitieren nicht nur die Kinder und ihre Eltern. Wirtschaftspolitisch gehören auch unsere regionalen Zulieferer und Lebensmittelproduzent_innen zu den langfristigen Profiteur_innen. Und nicht zuletzt ist Essen auch ein Stück Kultur: Während die Flüchtlingsströme bei vielen Menschen die Angst erzeugt, die österreichische Kultur könnte in Gefahr sein, wird das Aufpoppen von McDonalds und Starbucks-Filialen meist teilnahmslos zur Kenntnis genommen. Gerade, wenn es um Integration geht, müssten doch alle wissen: Beim Essen kommen d’Leut zam!