Am 25. Juni 1991 erklärten die jugoslawischen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien einseitig ihre Unabhängigkeit, der Zerfall der “Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien” (SFRJ) war damit besiegelt. Erste Auflösungserscheinungen zeichneten sich aber schon wesentlich früher ab. Im einst von Josip Broz Tito geschaffenem Land der „Brüderlichkeit und Einheit“ verstärkte sich nach dessem Tod im Jahr 1980 der Wunsch nach mehr Souveränität im föderativen Staatsgebilde zusehends.
Josip Broz Tito im Jahr 1961 [Public Domain]
Nach den beiden Unabhängigkeitserklärungen im Jahr 1991 folgte die prompte Antwort der Belgrader Regierung: Sie bestand aus Soldaten und Panzern. Nachdem der Krieg in Slowenien dank einer Vermittlungsinitiative der EG lediglich zehn Tage dauerte, flammte er in Kroatien und später in Bosnien-Herzegowina erst auf. Durch die beiden Abkommen von Erdut (12. November) und Dayton (14. Dezember) wurden diese kriegerischen Auseinandersetzungen im Jahr 1995 offiziell beendet, bis im Februar 1998 erneut ein bewaffneter Konflikt um die Kontrolle des Kosovo entfacht wurde.
Heute sind es vor allem noch Einzelereignisse, die im Gedächtnis geblieben sind. Andere Geschehnisse verblassten. Wie etwa die besonders blutig verlaufenen ersten Kriegsmonate, die Tausende von Menschenleben forderten. Das Schicksal der ostbosnischen Kleinstadt Goražde ist ein Beispiel dafür. Der dortige Bürgermeister forderte im Jahr 1993 den amerikanischen Präsidenten Bill Clinton dazu auf, seine Gemeinde zu bombardieren. Ein verzweifelter Hilferuf einer verzweifelten Kleinstadt, die bereits seit April 1992 eingekesselt war.
Die Belagerung von Sarajevo sollte sogar 1.425 Tage dauern und mehr als 10.000 Menschen das Leben kosten. Rund 300 Granaten schlugen täglich auf dem Stadtgebiet ein, eine internationale Luftbrücke versorgte die Bevölkerung mit dem Notwendigsten. Am 29. Februar 1996 ging die längste Belagerung des 20. Jahrhunderts offiziell zu Ende.
Brennendes Parlamentsgebäude in Sarajevo
[Foto von Mikhail Evstafiev]
Zuvor erreichte der Krieg in Srebrenica im Juli 1995 seinen menschenverachtenden Höhepunkt. Mehr als 8.000 Bosniaken kamen bei sechs großen Massakern ums Leben. „Dann brach die Hölle über Srebrenica herein“, schrieb Hans Michael Kloth im Spiegel darüber und fuhr fort:
„Zeitzeugen berichteten von Massenvergewaltigungen, abgeschnittenen Ohren und einem Mann, der mit Draht an den Hoden aufgehängt wurde. Es kam zu Selbstmorden. Laut Augenzeugen hielt sich ein Bosnier eine Handgranate an den Kopf und sprengte sich in die Luft, um nicht den Serben in die Hände zu fallen.“
Lange zuvor verklärten Radovan Karadžić und Ratko Mladić den Streit um Bosnien-Herzegowina zum Befreiungskampf der bosnischen Serb_innen. Doch die Rettung des Abendlandes sollte nur das eigentliche Ziel – sich ein möglichst großes Stück vom zerfallenen Jugoslawien zu sichern – übertünchen.
Karadžić war 13 Jahre lang auf der Flucht, bevor der ehemalige Serb_innenführer im Jahr 2008 festgenommen wurde. Im heurigen Frühjahr wurde er vom UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag für den begangenen Völkermord in Srebrenica zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt. Der Prozess gegen Ex-General Mladić soll ebenfalls noch in diesem Jahr zu Ende gehen – auch ihm droht eine lebenslange Freiheitsstrafe.
Die späten Verurteilungen zweier Kriegsverbrecher werden aber nicht überall positiv aufgenommen. Karadžić etwa ist rund zwanzig Jahre nach dem Krieg in der Republika Srpksa für zahlreiche Anhänger_innen noch immer ein Held, Urteil hin oder her. Der Kampf um die Deutungshoheit wird weitergehen.
Titelfoto: Sarajevo [Public Domain]