Politik

Salzburg: Ist das geplante Raumordnungsgesetz verfassungswidrig?

posted by Daniel Winter 22. Dezember 2016 0 comments

Kaum wurde die Novelle des Salzburger Raumordnungsgesetzes (ROG) in die Begutachtung geschickt, geben Expert_innen schon zu bedenken, es könne davon ausgegangen werden, dass wesentliche Teile davon verfassungswidrig seien und daher vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) aufgehoben werden könnten. Dieses Problem ist auch der schwarz-grünen Landesregierung bekannt. “Wir tun alles, damit es verfassungsmäßig hält”, so LH-Stv. Astrid Rössler (Die Grünen). Von der Opposition kommt unterdessen inhaltliche Kritik.

“Wir tun alles, damit es verfassungsmäßig hält
(Astrid Rössler, grüne LH-Stv.)

Wie ist das geplante Raumordnungsgesetz aufgebaut?

Grundsätzlich gibt es zwei Herangehensweisen, wie sich ein Raumordnungsgesetz gestalten lässt. Die erste Möglichkeit besteht darin, die individuelle Nachfrage von Bauwilligen in den Mittelpunkt zu stellen. Besitzt ein_e Bauwillige_r ein Grundstück, so wird ihm dieses zum Baugrund erklärt, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen erfüllt sind. Die zweite Möglichkeit, die Raumordnung zu organisieren, orientiert sich am bereits bestehenden Bauland. In diesem Fall liegt der Fokus darauf, Bauwilligen Zugang zu bereits gewidmeten Grundstücken zu verschaffen.

Beim Gesetzesvorschlag der schwarz-grünen Landesregierung entschied man sich nun für die erste Art der Herangehensweise, obwohl der eigentliche Anspruch an die Raumordnung lautete: Zersiedelung stoppen und unbebautes bestehendes Bauland aktivieren. Mit zirka 900 Hektarn gibt es im Bundesland Salzburg äußerst viel umbebautes Bauland. Ein Umstand, der unter anderem für Baulandspekualtion und steigende Grundstückspreise gesorgt hat. Dennoch versprechen sich ÖVP und Grüne von ihrem Gesetzesentwurf Verbesserungen in diesen Bereichen. “Ich bin überzeugt, dass wir mit dieser Novelle der Bevölkerung, den Gemeinden und dem Land dabei helfen, anstehende Probleme zu lösen und künftige zu vermeiden”, erklärte Rössler und bedankte sich artig bei der ÖVP für das Erzielen eines Kompromisses. Nach drei Jahren zähen Verhandlungen hat die Koalition es nun zumindest vorläufig zu einem Ergebnis gebracht. Und dieses sieht unter anderem folgendermaßen aus:

1. Befristung von Bauland
Neue Widmungen sollen auf einen Zeitraum von zehn Jahren befristet werden. Wird das Grundstück nicht innerhalb von zehn Jahren bebaut, dann soll die vorher festgesetzte Folgewidmung (Grünland) automatisch wieder in Kraft treten.

2. Mobilisierung von bestehendem Bauland
Für bereits bestehende gewidmete Baugründe soll zukünftig ein jährlicher Infrastrukturbeitrag eingehoben werden. Diese geplante Maßnahme wird von der Landesregierung sowohl sachlich, als auch politisch gerechtfertigt. Einerseits sollen damit für Gemeinden anfallende Kosten (Kanal, Wasser, Kindergarten etc.) abgedeckt werden, andererseits verspricht man sich davon, ein Drittel bis zu einem Viertel des bestehendes Baulandes zu mobilisieren, da der Anreiz für Spekulation aufgrund der Gebühren geringer sei. Das Wort zukünftig trifft es in diesem Fall aber gut. Selbst wenn das neue ROG bereits wie geplant im kommenden Sommer verabschiedet werden soll, würde diese Regelung erst fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes wirkend werden. Kurz gesagt: Für Baugrundspekulant_innen soll es eine Schonfrist von fünf Jahren geben. Danach sollen Flächen ab einer Größe zwischen 500 und 700 Quadratmeter (je nach Lage 860 bis 1.400 Euro) bzw. für jede weitere Einheit von 700 Quadratmetern um denselben Betrag mehr kosten. Ausgenommen von diesem Beitrag sind jene Baugründe, bei denen ein Eigenbedarf der Bauwilligen festgestellt werden kann.

Lob für diese Regelungen kommt auch vom Gemeindeverbandspräsidenten und Bürgermeister von St. Johann Günther Mitterer (ÖVP), der allerdings selbst am Effekt der geplanten Maßnahmen zur Befristung und Mobilisierung von Bauland zweifelt. Vielleicht aucht deshalb.

3. Verantwortung bleibt bei den Gemeinden
Nachdem es vor wenigen Monaten noch zum Eklat zwischen Bürgermeistern und Rössler gekommen war, scheinen sich die Orts-Chefs nun durchgesetzt zu haben. “Die Gemeinde entscheidet über die Siedlungsnetwicklung. Die Vorgaben des LAndes sind jetzt maßvoll formuliert”, erklärte Rössler in einem Interview mit dem ORF, dass die Kompetenz über geeignete Sidelungsstandorte zu entscheiden, auch weiterhin bei den Gemeinden liegen wird. Dass damit die Macht weiterhin bei den Gemeinden bleibt, wollte Mitterer nicht bestätigen, meinte aber: “Die Zuständigkeit bleibt bei den Bürgermeistern”.

Warum bestehen verfassungsrechtliche Bedenken?

Geht es nach dem Raumordnungsexperten und Ass.-Prof. für öffentliches Recht Karim Giese an der Uni Salzburg, dann führt der Ansatz, das ROG am indviduellen Bedarf von Bauwilligen zu orientieren, schneller zu verfassungsrechtlichen Problemen als der Zugang, bereits bestehendes Bauland für Bauwillige zugänglich zu machen. Konkret besteht bei der Novelle des Salzburger ROGs, das nun bis zum 15. Februar 2017 zur Begutachtung vorliegt, das Problem, dass es seiner Einschätzung nach so genannte gesetzeswidrige unsachliche Widmungen produziert. Im Gegensatz zum Anspruch der schwarz-grünen Landesregierung begünstigen Raumordnungen, die sich am individuellen Bedarf orientieren, die Zersiedelung. Es gibt daher größere Baugebiete. Das führt laut Giese dazu, dass nicht rechtzeitig bebaut werden und in der Folge dann ex lege als Grünland deklariert werden, obwohl es sich dabei um voll aufgeschlossene Grundstücke handelt, die im Verbund mit anderen Grundstücken de facto Bauland darstellen. Darüber hinaus hat der VfGH in seinen Erkenntnissen befristete Baulandregelungen bisher noch immer für verfassungswidrig erklärt und folglich aufgehoben. Begründet wurde dies damit, dass genau derartige Regelungen zu sachwidrigen Flächenwidmungen führen. Die Aussichten, dass der VfGH dies im Falle des Salzburger ROGs anders beurteilen könnte, hält Giese für eher gering. Inwiefern seine Einschätzung zutrifft, wird sich weisen.

Kritik von der Opposition

Die Opposition wiederum übt vor allem inhaltliche Kritik. Neben der FPS (Liste Schnell), welche kritisiert, dass nichts gegen Appartment-, Hotel- bzw. Chaletdörfer unternommen werde, zeigt sich die Salzburger SPÖ vom Ergebnis enttäuscht. “Von den großen Versprechungen der vergangenen Jahre ist nicht viel geblieben. Schwarz-Grün blieb auf der halben Strecke stehen”, erklärte der SPÖ Raumordnungssprecher Roland Meisl in einer ersten Reaktion. Für die Sozialdemokrat_innen ist das geplante ROG im besten Fall ein Novellchen, mit Sicherheit aber nicht der große Wurf, den man nach dreijähriger Verhandlungszeit erwarten hätte dürfen.

Einige Vorschläge der SPÖ wie etwa die Infrastrukturabgabe sind eingearbeitet. Die ÖVP hat es aber geschafft, diese sinnvollen Änderungen zu verwässern. Ebenso werden die Gemeinden weiter belastet. Durch die Änderung in der Regionalplanung wird eine zusätzliche Ebene eingezogen. Damit wird es komplizierter und der Aufwand wird sich erhöhen.
(Gerd Brand, SPÖ-Gemeindesprecher)

Sowohl Brand, als auch Meisl kritisieren am Gesetzesentwurf, dass von der grünen Raumordnungspolitik nicht mehr viel zu sehen sei. Der Entwurf trage eindeutig die Handschrift der ÖVP und ihrer zu bedienenden Klientel. Die ÖVP habe die Grünen bei den langen Verhandlungen offensichtlich zermürbt und zum Aufgeben gebracht, lautet die Kritik. Sollte sich die geplante befristete Widmung tatsächlich als verfassungswidrig herausstellen, würde von der Reform der Raumordnung de facto gar nichts mehr übrigbleiben. Die Höhe der Abgaben für unbebautes Bauland sei viel zu niedrig angesetzt, damit der gewünschte Effekt eintreten kann. “Das wird jeder Großgrundbesitzer gerne zahlen, denn die Wertsteigerung der Grundstücke wird diese Abgabe locker wieder hereinbringen”, erklärt Meisl, dass es höhere Abgaben bräuchte.

Tatsächlich brachte die Raumordnungsnovelle, wie sie nun am Tisch liegt, nur wenig Neues. Bei der Forcerung einer Leerstandsabgabe zur Bekämpfung von Spekulationswohnungen konnten sich die Grünen ebenso wenig durchsetzen wie bei den Vorbehaltsflächen. So etwa könnten Vorbehaltsflächen verpflichtend eingeführt werden, wenn  in einer Gemeinde ein bestimmter Wohnbedarf gegeben ist. Dafür hätte es aber politische Eingkeit mit der ÖVP gebraucht. Unabhängig davon, ob das neue ROG nun verfassungsmäßig ist oder nicht, steht fest: Vergleicht man den schwarz-grünen Kompromiss mit dem Raumordnungspapier, das SPÖ und ÖVP bereits 2012 vereinbart hatten,so wird man feststellen, dass das damalige Papier über weite Strecken eher dem entsprach, was die Grünen ursprünglich wollten, als das, was sie nun nach drei Jahren Verhandlungen mit der ÖVP erreichen konnten.

 

 

 

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