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Haders Reigen: Wilde Maus

posted by Johannes Mayrhofer 1. April 2017 0 comments

Wenn man meint – so wie ich in diesem Fall – seine Meinung über ein Werk kundtun zu müssen, welches schon seit geraumer Zeit auf Festivals und in Lichtspielhäusern im deutschen Raum gezeigt wird, wird man unumgänglich auch mit der Meinung anderer konfrontiert, die jenen Film bereits gesehen und kommentiert haben. Obwohl ich mir wirklich Mühe gab, keine Kritiken zu Josef Haders Regiedebüt Wilde Maus zu lesen, um unvoreingenommen in den Film zu gehen, habe ich doch die eine oder andere Kritik mitbekommen. Zum einen, weil viele in meinem Freundeskreis den Film als absoluten ‚Must-See’ bereits gesehen haben, zum anderen, weil unter jenen Freunden einige zum privilegierten Kreise jener zählen, die da und dort eine Plattform gefunden haben, wo sie ihre Meinung zu Filmen in schriftlicher oder mündlicher Form kundtun können (so wie ich auf Hallo-Salzburg). Die Reviews reichen von ‚großartig’ bis ‚missraten’ und zeigen einmal mehr, dass Filme letztendlich Geschmackssache bleiben.

Wilde Maus von und mit Josef Hader erzählt vom Musikkritiker Georg (Hader), der für eine renommierte Tageszeitung klassische Konzertkritiken verfasst, bis er eines Tages rausgeworfen wird. Sein alter Vertrag lässt sich nicht mit den Konventionen der modernen Marktwirtschaft vereinbaren und so wird er von seinem trockenen (deutschen) Chef Waller (Jörg Hartmann) freigesetzt. Er könne ja ein Buch schreiben, heißt es und eben das sagt Georg dann auch zur Sekretärin am Empfang, als er sich verabschiedet. Seinen Job bekommt die jüngere und engagierte Redakteurin Fritz (Nora von Waldstätten), die sich zwar mit den White Stripes auskennt, von Klassik aber keine Ahnung hat.

Georg führt eine scheinbar gute Ehe mit seiner Gattin Johanna (Pia Hierzegger), einer Therapeutin. Die beiden haben theoretisch keine Geheimnisse voreinander. Praktisch erzählt ihr Georg dann aber nicht, dass er gekündigt wurde und hängt stattdessen tagsüber im Wiener Prater herum und fährt mit der Bummelbahn im Kreis. Im Bummelbahn-Fahrer Erich (Georg Friedrich) erkennt er einen alten Schulfreund, soll heißen, Erich hat ihn damals in der Schule verprügelt. Als Erich seinen Job bei der Bummelbahn verliert, beschließen Georg und er, die Achterbahn ‚Wilde Maus’ zu sanieren. Georg streckt die 3000 Euro vor. Auch Erichs rumänische Freundin Nicoletta (Crina Semciuc) hilft mit, das Achterbahngeschäft sprichwörtlich zum Laufen zu bringen. Auch die Beziehung von Erich und Nicoletta wird durch Kommunikationsprobleme herausgefordert. Kommunikation, beziehungsweise das Nicht-Kommunizieren ist ein zentrales und wiederkehrendes Motiv in Josef Haders Film.

Auch bei der Therapeutin Johanna läuft nicht alles nach Plan, denn der homosexuelle Sebastian, einer ihrer Klienten (Denis Moschitto) erklärt ihr nach mehreren Monaten, dass sie eine schlechte Therapeutin sei. Der deutschstämmige Sebastian ist übrigens neben Zeitungschef Wallner der zweite unsympathische Deutsche im Film. Ein Phänomen, das mir schon in mehreren österreichischen Filmen aufgefallen ist. Auch Johanna verschweigt Georg, dass sie einen Patienten verloren hat, merkt aber, dass Georg Geheimnisse vor ihr hat. Ihre Beziehung steht vor einer harten Probe. Außerdem steht plötzlich Sebastian vor der (privaten) Tür und bietet seiner ehemaligen Therapeutin Freundschaft an. Trotz Sebastians Homosexualität entstehen sexuelle Spannungen zwischen den beiden und weil das nicht reicht, findet Johanna Gefallen an ihrem jungen Nachbarn.

Indes lässt Georg seiner Wut auf seinen ehemaligen Chef freien Lauf und demoliert dessen Sportwagen. Sein ehemaliger Chef weiß sich allerdings zu wehren, indem er eine Therapie bei Johanna beginnt, die noch immer nicht weiß, dass Georg arbeitslos ist. Georg wird nun zusätzlich von der Polizei verfolgt. Auch seine oft boshaften Musikkritiken haben noch ein Nachspiel. Auf eine Aktion folgt immer eine Reaktion, wie Georg feststellen muss.

Und in diesem Stile dreht sich der Reigen aus Verwirrungen, verpassten Gesprächen und misslungenen Intrigen weiter und führt von Wien zu einer Hütte und verschneiten Bergen. Es wird geprügelt, man versucht zu morden und zu selbstmorden, aber alles auf eine charmant österreichische Art, bei der am Ende, wie bei so vielen österreichischen Filmen, alles ein bisserl egal ist. ‚Scheiß da nix, dann feid da nix’ sagt der Film, obwohl Kommunikation letzten Endes auch in Wilde Maus zielführend scheint.

Wilde Maus eröffnet tatsächlich mehr Baustellen, als der Film letztlich abschließt, jedoch unterstelle ich jenen, die damit ein Problem haben, die Grundaussage des Films und den Schlussstrich nicht verstanden zu haben, denn es geht meines Erachtens nicht um das Abschließen aller Handlungsstränge. Alles in Wilde Maus wäre vermeidbar gewesen, hätten die Charaktere vernünftig kommuniziert und bei allen offenen Handlungssträngen geht es nur darum, ob die Figuren zu dieser Erkenntnis kommen oder eben nicht. Finden sie Wege zu kommunizieren, genügt dies als Mittel, um ihre Probleme zu lösen, auch wenn uns die Kamera das Ende oder die Enden der einzelnen Stränge nicht vortanzt.

Filmvergnügen ist ein höchst subjektives Vergnügen. Je mehr ich über Filme schreibe, desto deutlicher wird mir das bewusst. Dies ist eine Tatsache und Erkenntnis, die ich bei vielen Kolleginnen und Kollegen oftmals vermisse. Ich kann also letzten Endes nur schreiben, was mir persönlich an Wilde Maus gefallen hat und wieso der Film meines Erachtens ein durchaus gelungenes Regiedebüt von Josef Hader geworden ist.

Georgs Wanderung durch die verschiedenen sozialen Stufen der Gesellschaft ist gespickt mit pointierten Witzen und schrulligen und doch liebenswerten Charakteren, die zwischen Situationskomik und Tragödie hin und her tänzeln. Hader hat weder sich noch den österreichischen Film mit Wilde Maus neuerfunden, aber ziemlich genau das geliefert, was ich mir von einem Hader-Film erwartet habe.

Auch wenn es weit hergeholt sein mag, so hat mich der Film immer wieder an Arthur Schnitzlers Reigen erinnert, durch den uns Georg führt, der sich aber – knapp 100 Jahre, den Fall des österreichischen Imperiums und zwei Weltkriege später ­– bewusst in einer gewissen Bedeutungslosigkeit verliert.

Während Haders Figuren aus allen Gesellschaftsschichten vor mehr oder weniger existentiellen Problemen stehen, gibt es regelmäßig Szenen, in denen das Radio oder das Fernsehen den Tanz der Charaktere mit zeitpolitischen Geschehnissen kommentiert. Die eigentlichen Hintergrundgeräusche des Radios oder des Fernsehers treten in den Vordergrund, werden zum Kommentar und weisen auf größere Probleme in dieser Welt hin. Reale Geschehnisse, die außerhalb der filmischen Realität existieren. Sie verdammen die Schicksale der Figuren zur Gleichgültigkeit. Die Welt dreht sich weiter, unabhängig davon, ob Haders Figuren im Stau stecken oder rollen. Uns bietet Wilde Maus aber die Gelegenheit für 103 Minuten auszusteigen und in Haders Achterbahnfahrt einzusteigen.

Wie die reale Wilde Maus nicht die aufregendste Achterbahn ist, ist auch Haders Wilde Maus nicht der aufregendste Film. Für eine unterhaltsame und lustige Runde zwischendurch zahlt sich ein Besuch aber in beiden Fällen aus!

Wilde Maus
Regie: Josef Hader
Drehbuch: Josef Hader
Soundtrack: Vivaldi, chubert, Händel, Beethoven, Bilderbuch, Mozart u.a.
Cast: Josef Hader, Pia Hierzegger, Jörg Hartmann, Georg Friedrich, Nora von Waldstätten, Denis Moschitto
Laufzeit: 103 Minuten
FSK: ab 12
Kinostart: 17.02.17 (AT)

 

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