Was man Sebastian Kurz mit Sicherheit nicht vorwerfen kann, ist schlechte Rhetorik. Sie ist zwar kein NLP, streng genommen ziemlich simpel und folgt – meist – demselben Muster, ist aber dennoch effektiv. Im Wesentlichen folgt er dabei fast immer sechs Schritten, welche nun folgend kurz erklärt werden:
Erster Schritt: Das 5-vor-12-Szenario
Sebastian Kurz beginnt seine Ausführungen gerne mit „Gott sei Dank“ und schildert eine Ausgangslage, bei der Österreich auf riesige Probleme zusteuert. Gleichzeitig aber lässt er durchsickern, dass der metaphorische „Untergang“ noch nicht besiegelt ist.
Zweiter Schritt: Drohszenario
Sebastian Kurz zeichnet ein negatives Bild von der Zukunft, sollte sich nicht schleunigst etwas ändern.
Dritter Schritt: Politik hat versagt
In einem dritten Schritt erhöht Sebastian Kurz meist den Ernst der Lage und gibt „der Politik“ die Schuld für das Problem, das er im ersten Schritt benannte. Je nach Themenfeld hat diese entweder nur a) zugeschaut oder b) aktiv versagt hat, indem falsche Entscheidungen getroffen wurden.
Manchmal werden dafür übrigens auch die Fakten zurechtgeborgen:
Vierter Schritt: Der Prophet
An dieser Stelle verkündet Sebastian Kurz seine Meinung/Forderung und erhebt diese zur letzten Möglichkeit, der im zweiten Schritt angekündigten Katastrophe zu entgehen. Meist – aber oft nur in einem Nebensatz – erwähnt er außerdem, dass er diese Forderung bereits in der Vergangenheit gegen den Widerstand (der anderen Parteien, der Medien, der Mehrheitsmeinung) gefordert hat, aber auf taube Ohren gestoßen war. Damit erzeugt er ein Momentum moralischer Überlegenheit und nimmt gewissermaßen die Rolle eines Propheten ein.
Fünfter Schritt: Heilsbotschaft
Die Botschaft ist klar: Es gibt nur einen Ausweg aus der Situation und diese besteht allein in der Umsetzung seiner Forderungen.
Sechster Schritt: Der Heilsbringer
Im letzten Schritt stellt sich Kurz selbst als die starke Person dar, die das Drohszenario noch abwenden kann.
Freilich ist diese Darstellung nur schematisch. Folgendes Beispiel zeigt jedoch sehr anschaulich, dass die Rhetorik des Sebastian Kurz im Wesentlichen darin besteht, ein Drohszenario zu zeichnen, in dem er selbst die Rolle des Retters übernimmt:
Das, was in den Vororten von Paris stattfindet; das, was in Belgien teilweise stattfindet, das gibt es so Gott sei Dank noch nicht bei uns. Aber eine falsche Migrationspolitik, die führt dazu, dass man irgendwann solche Zustände hat. Eine Integrationspolitik, die vom Laissez-faire Prinzip geprägt ist, wie wir das früher immer wieder hatten, wie das auch in Wien immer wieder teilweise der Fall ist, die führt dazu, dass die Probleme größer und nicht kleiner werden.
(Sebastian Kurz, in der Salzburgarena am 20. Juni 2017)
Mit dieser Rhetorik erscheint dann plötzlich selbst Wien wie ein Schreckgespenst. Ja genau, Wien. Das Wien, das seit Jahren die Liste der lebenswertesten Städte der Welt anführt, ist eines der Negativbeispiele, die Sebastian Kurz gerne für seine Ausführungen heranzieht…
Bildcollage: Hallo Salzburg
Das Foto von Sebastian Kurz stammt vom österreichischen Außenministerium.