Politik

Plädoyer für eine starke SPÖ

posted by Jutta Moser-Daringer 6. Dezember 2019 2 Comments

Kommentar.

Während die Medien nicht müde werden, den drohenden Untergang der SPÖ herbei zu schreiben, gibt es leider auch viele Funktionär_innen in der Partei, die sich bemüßigt fühlen, ihre „Ich bin besser als meine Partei“-Statements kund zu machen. Das ermöglicht nicht nur, sich selbst eine schnelle Schlagzeile in den Medien zu garantieren, sondern beschleunigt auch die Abwärtsspirale, in der sich die SPÖ derzeit leider befindet. Dabei braucht es mehr denn je eine starke SPÖ.

Wir leben in einer Zeit, in der es für eine sozialdemokratische Partei schwer ist, wie man europaweit sehen kann. Eine Zeit, in der sich der breite politische Diskurs auf populistische Floskeln reduziert, die nicht mal ansatzweise eine Politik ermöglichen, die den aktuellen Herausforderungen gerecht werden könnte. Globale politische Herausforderungen, bei denen viele kleine Fehlentscheidungen zu einer globalen Katastrophe führen können. Eine Zeit, in der sich die Frage nach linker oder rechter Politik darauf reduziert, ob man nun öffentlich gegen Ausländer hetzen darf oder nicht. Eine Zeit, in der es Antworten braucht, die sich in den Grundsätzen der Sozialdemokratie wiederfinden. Nicht in einem medial inszenierten Erneuerungsprozess, der letzten Endes nur auf ein neuerliches „Köpfe rollen“ abzielt.

Demnach stellt sich auch nicht die Frage, ob Pamela Rendi-Wagner die richtige Person ist, die SPÖ in eine neue Zukunft zu führen. Denn die SPÖ war noch nie eine Partei, die sich wie die Mitte-Rechts-Parteien dadurch ausgezeichnet hat, einen einzigen, starken Parteivorsitzenden an der Spitze zu haben. Nicht mal zu Bruno Kreiskys Zeiten, denn selbst da gab es ein Team aus fulminanten Persönlichkeiten, die sich als Expert_innen ihrer jeweiligen Kabinette ausgezeichnet haben. Die SPÖ ist und war stets eine Partei, die nur als Gemeinschaft funktioniert hat. Diese Gemeinschaft kann nicht durch eine strahlende Persönlichkeit an der Spitze wieder erstarken, sondern nur durch ein Team, das die Vielfalt in der Partei wiederspiegelt.

Der vermeintliche Erneuerungsprozess

Nachdem Sebastian Kurz es gelungen ist, mit einem neuen Farbanstrich und einem medial inszenierten Erneuerungsprozess, der durchaus strategisch gut angelegt war, seine Partei wieder an die Spitze sämtlicher Umfragen zu hieven und seither auch einen Wahlerfolg nach dem anderen einfährt, gibt es leider immer mehr Stimmen, die sich das auch von der SPÖ wünschen. Doch kann das in einer Partei wie der SPÖ gar nicht funktionieren. Es ist zwar erstaunlich, wie bereitwillig selbst eingefleischte christlich-soziale VertreterInnen in der ÖVP bereit waren, ihre grundsätzlichen Werte über Bord zu werfen, nur um an allen Ebenen an die Macht zu kommen. Die SPÖ funktioniert aber anders, denn wir in der SPÖ sind stolz auf unsere Werte und fühlen uns verraten, wenn die Parteispitze diese nicht umzusetzen vermag. Schon Willy Brandt sagte einst „Es hat keinen Sinn, eine Mehrheit für die Sozialdemokratie zu erringen, wenn der Preis dafür ist, kein Sozialdemokrat mehr zu sein.

Fehlende politische Antworten?

Der SPÖ wird gern vorgeworfen, sie hätte nicht die richtigen Antworten auf die Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen. Wer das glaubt, kennt weder die politischen Grundsätze noch das Parteiprogramm der SPÖ. Es ist schon erstaunlich, dass es in der breiten Öffentlichkeit eher honoriert wird, wenn ein Kabinett rund um Sebastian Kurz die Kinderbeihilfe für im Ausland lebende Kinder kürzt, obwohl deren Eltern hier ihre Beiträge einzahlen, als wenn die SPÖ einen Mindestlohn und eine Mietpreisbremse fordert. Gute politische Ansätze, die als „Orchideenthemen“ abgekanzelt werden. Dabei sind das Einkommen und die Wohnkosten Themen, die die Grundversorgung der Menschen betreffen.  

Die SPÖ war immer schon darum bemüht, politische Maßnahmen zu setzen, die es der arbeitenden Bevölkerung ermöglicht, das Auskommen ihres Einkommens so zu gestalten, dass ein Drittel für die Wohn-, ein Drittel für die Lebenserhaltungskosten und ein Drittel zum Sparen ermöglicht. Ja, davon sind wir weit entfernt, die SPÖ hätte aber die richtigen politischen Ansätze in ihren Parteitagsbeschlüssen, um wieder ein Stück näher an dieses Ziel heran zu kommen. So gibt es z. B. einen Beschluss zur Zweckwidmung der Wohnbaugelder, die dank Schwarz-Blau in den Bundesländern lieber dafür verwendet werden, Budgetlöcher zu stopfen als in den gemeinnützigen Wohnbau zu investieren. Die Forderung nach einem Mindestlohn, um Niedrigstlöhne, die keinem Job gerecht werden, zu bekämpfen. Den Erhalt des öffentlichen Gesundheitssystems, um eine Gesundheitsversorgung zu garantieren, die nicht von der eigenen Finanzkraft abhängt. Um nur einige Beispiele zu nennen.

Mitte-Rechts-Parteien wie ÖVP und FPÖ setzen hingegen nur zu gerne auf das Motto „Mehr privat, weniger Staat. Da wird von den armen Unternehmern gesprochen, die ja ihren MitarbeiterInnen nur zu gerne mehr zahlen würden, wenn sie nicht so viele Abgaben und Steuern abführen müssten. Blödsinn! Jeder der glaubt, man würde Netto heraus bekommen, was derzeit brutto am Lohnzettel angeführt wird, verfällt einem Irrglauben, der dank rechts-konservativer Meinungsmacher und populistischer Floskeln in der Öffentlichkeit verbreitet wird. Und wer dann auch noch glaubt, sich eine private Gesundheitsversorgung und Altersvorsorge finanzieren zu können, die auch nur ansatzweise die Leistungen bringen, die wir dank eines bislang gut funktionierenden Sozialstaates in Österreich derzeit staatlich finanziert bekommen, irrt sich gewaltig. Ein Blick in die USA zeigt das nur zu gut.

Das Märchen von der wirtschaftsfeindlichen SPÖ

In diesem Kontext wird auch nur zu gerne das Märchen von der wirtschaftsfeindlichen SPÖ erzählt, die unsere Unternehmen mit ihrer Politik vertreibt anstatt standortfreundliche Politik zu betreiben. Da setzt man dann auf eine selbst ernannte Wirtschaftspartei a la ÖVP, deren Wirtschaftsverständnis sich leider auf rein betriebswirtschaftliche Maßnahmen reduziert, jedoch weit entfernt von einer konjunkturfreundlichen Politik ist, von der vor allem eine Wirtschaftsstruktur wie Österreich profitieren würde, die auf Kleinstunternehmen aufgebaut ist.

Nehmen wir an, es gelingt durch viele Einzelmaßnahmen, zu erreichen, dass die arbeitende Bevölkerung maximal ein Drittel ihres Einkommens für Wohnkosten aufbringen muss. Das würde nicht nur die Zufriedenheit der Menschen wesentlich steigern, sondern auch die Kaufkraft, wovon unsere heimischen Unternehmen immens profitieren würden. Anstatt einer guten Standortpolitik zu betreiben, begnügen sich jedoch konservative Kräfte damit, über hohe Personalkosten zu jammern, denn das lässt sich leicht über ein paar populistische Floskeln verkaufen, ohne dass man zu sehr in die Tiefe gehen muss. Zugleich kann man auch die Gewerkschaft zum Feindbild machen und sie als „Reformbremser“ beschimpfen, obwohl gerade die Tradition der Sozialpartnerschaft wesentlich zum Wirtschaftswachstum und zum sozialen Frieden in Österreich beigetragen hat, von dem alle profitieren. Eine Erfolgsgeschichte, die von der Regierung unter Sebastian Kurz aufgekündigt wurde, weil ihm ein medial inszeniertes Reformtempo lieber war als dialogbasierte politische Lösungen.

Konservative Kräfte in Europa haben in den letzten Jahrzehnten dank einer neoliberalen Politik, die weit entfernt ist, von einer sozialen Marktwirtschaft, erreicht, dass unsere heimischen Unternehmen zunehmend unter Druck geraten und schieben jegliche Verantwortung von sich. Man muss sich nur anschauen, was in den letzten Jahren unter dem schönen Deckmantel „Freihandel“ alles in diversen Abkommen wie CETA, TTIP und wie sie alle heißen, ausverhandelt wurde und welche Politik hier betrieben wird. Hier finden wir die Ursachen, weshalb Kleinstunternehmen keine Möglichkeit haben, in der Konkurrenz zu Großkonzernen auch nur ansatzweise wettbewerbsfähig zu bleiben. Selbst Adam Smith hat in seiner Theorie der unsichtbaren Hand festgehalten, dass z.B. Kartelle und Monopole in einer freien Marktwirtschaft verhindert werden müssen. Heute leben wir in einer Welt, in der jeder Industriezweig zu ca. 80 Prozent von nicht mal mehr zehn Konzernen beherrscht wird. Wie soll ein Kleinunternehmen hier bestehen?

Das zeigt sich am besten am Beispiel Landwirtschaft. Heute muss ein Landwirt das Vielfache von dem produzieren, was noch vor 30 Jahren notwendig war, um dieselben Gewinne zu erzielen. Viele Landwirte in Österreich, vor allem kleine Landwirtschaften, wie Bergbauern, sind daher nicht mehr im Stand ihre Landwirtschaft weiter zu betreiben, oder wenn dann nur im Nebengewerbe. Anstatt auf eine Politik zu setzen, die es Landwirten ermöglicht unabhängig und wettbewerbsfähig zu sein, wird eine „Freihandelspolitik“ betrieben, die sie nach der Reihe ruiniert. Zugleich werden Subventionen ausgeschüttet, die Abhängigkeiten erzeugen. Dann werden auch noch dank der so genannten Flächenförderung, bei der mehr Fläche auch eine höhere Fördersumme bedeutet, große Landwirtschaften bevorzugt, weshalb es für die kleineren Landwirtschaften immer schwieriger wird, überhaupt noch zu bestehen. Die SPÖ hat immer wieder versucht, dagegen anzukämpfen, doch leider ohne Erfolg, weil sie dafür nie die Mehrheiten erlangen konnte.

Hinzu kommt, dass man dank der selbst auferlegten Sparpolitik keine echte Standortpolitik mehr betreiben kann. Hier braucht es eine SPÖ, die wie in den 1970er Jahren eine konjunkturbelebende Politik forciert, um dort Investitionen zu tätigen, wo sie dringend erforderlich sind anstatt alles kaputt zu sparen und die Wirtschaft nachhaltig zu schädigen. Für den Wirtschaftsstandort Österreich wäre es nämlich wesentlich sinnvoller, Investitionen in die Infrastruktur zu tätigen, als ständig von zu hohen Personalkosten zu fantasieren. Gerade in Zeiten der Digitalisierung ist es nämlich für Unternehmen in ländlichen Gebieten tödlich, wenn nicht mal eine funktionierende Internet-Verbindung vorhanden ist. Leider wirft man auch hier sozialdemokratischen Parteien immer vor, sie würden eine reine Schuldenpolitik betreiben und es muss doch – mit Blick auf künftige Generationen – gespart werden anstatt notwendige Investitionen zu tätigen. Vieles in unserem Land ließe sich allerdings auch durch eine reine Umverteilungspolitik finanzieren, ganz ohne Schulden und auch dafür hat die SPÖ die richtigen Maßnahmen in ihren Grundsätzen und ihrem Programm.

Hinzu kommt, dass wir gerade in Punkto Schuldenpolitik ein Umdenken brauchen, denn seit der letzten Finanzkrise wird zwar die Neuverschuldung aufgrund der Leitzinssenkung immer billiger, um die Finanzblasen aufrecht zu halten und eine neuerliche Krise hinaus zu zögern. Zugleich wird es aber immer schwieriger Geld anzusparen, weil es keine Zinsen mehr dafür gibt. Wer es sich leisten kann, setzt daher auf Immobilien, was die Wohnkosten weiter in die Höhe treibt. Die SPÖ hat auch hier die richtigen Antworten in ihrem Programm und ihren Grundsätzen.

Auch wenn mein Kommentar jetzt länger ist, als ich es ursprünglich geplant hatte, so zeigt sich, dass wir es mit vielen komplexen Herausforderungen zu tun haben, für die wir eine breite politische Diskussion brauchen, die auf Inhalte statt auf Inszenierung setzt. Und wir brauchen eine starke Sozialdemokratie, die sich diesen Herausforderungen widmet. Es gibt viele Menschen in der Partei, die mein vollstes Vertrauen haben, wenn es darum geht, die richtigen Maßnahmen zu setzen. Man muss nur mal dort hinschauen, wo gute sozialdemokratische Politik betrieben wird, wie z. B. in vielen Gemeinden, um die Bedeutung der Sozialdemokratie wieder zu erkennen. Dann würden vielleicht auch jene Stimmen, die ständig nur den Untergang der Sozialdemokratie herbeisehnen, wieder mehr auf Inhalte setzen, anstatt eine Partei zu ruinieren, die sich für Solidarität und Gerechtigkeit auf allen Ebenen einsetzt!


Foto: Arne Müseler / CC-BY-SA-3.0

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