Politik

Ist es eine Schande, Politiker_in zu sein?

posted by Daniel Winter 13. März 2018 0 comments
Ein persönlicher Kommentar.

Als Pressereferent der Salzburger SPÖ ist es möglicherweise nicht klug, einer Kampagne der politischen Konkurrenz allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken, zumal genau das deren Intention zu sein scheint. Auf die Gefahr hin, in diese Falle zu tappen, möchte ich dennoch meine Meinung kundtun.  Darum nämlich, weil ich die Plakatwelle der Grünen nicht nur misslungen finde, sondern im Hinblick auf ihre demokratiepolitische Botschaft sogar als schwer bedenklich erachte.

Zufälligerweise fällt der Start der Grünen-Kampagne zeitlich mit dem Gedenken an den Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland zusammen. Gestern vor 80 Jahren (am 12. März 1938), marschierten Soldaten der Wehrmacht in Österreich ein. Nur drei Tage später wurde Reichsführer Adolf Hitler am Wiener Heldenplatz von vielen Menschen frenetisch bejubelt. Österreich war von da an Teil jenes Regimes, welches die politische Theoretikerin Hannah Arendt in ihrem späteren Werk Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (1951, auf Deutsch 1955) als Terrorregime bezeichnen wird, das den Raum der Freiheit vernichtet hat. „Der Sinn von Politik ist Freiheit“, fasst Arendt an anderer Stelle ihre politische Theorie mit einem Satz zusammenfassen, welche sie gleichsam als Gegenentwurf zum Totalitarismus verstanden wissen wollte. „Ohne einen politisch garantierten öffentlichen Bereich hat Freiheit in der Welt keinen Ort, an dem sie erscheinen könnte […]. Im Sinne einer nachweisbaren Realität fallen Politik und Freiheit zusammen, sie verhalten sich zueinander wie die beiden Seiten der nämlichen Sache.“

Nun kann man den Grünen wirklich nur schwer mangelndes Geschichtsbewusstsein zum Vorwurf machen. „Es braucht seitens der Politik eine gezielte Vorgehensweise gegen Rechts­extremismus. Dazu gehören die Problem-Analyse, eine Sensibilisierung der Gesellschaft und schließlich entsprechende Programme wie etwa Ausstiegs-Angebote für Rechtsradikale“, lautet etwa der Befund des Grünen-Politikers und Betreibers der Website stopptdierechten.at Karl Öllinger.

Ich halte diese Aussage für richtig und wichtig. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass der Sensibilsierungsanspruch nicht nur in der Bewertung anderer Parteien und Gruppierungen, sondern ebenfalls für das eigene politische Wirken einer demokratisch gesinnten Partei gelten muss. Denn der Angriff auf die Demokratie erfolgt nicht allein in Buden, sondern beginnt bereits überall da, wo Politik (und sei es nur, um Aufmerksamkeit zu erregen) direkt oder indirekt infrage gestellt wird. Umso mehr verwundert es, wie die Grünen in Salzburg auf die Idee kommen können, eine Kampagne zu starten, in welcher sich die Spitzenkandidatin Astrid Rössler davon distanziert, Politikerin zu sein. Bis jetzt fielen vor allem männliche Populisten mit der Behauptung auf, keine Politiker zu sein. „I’m not a politician. My only special interest is Americans“, sagte etwa Donald Trump im Präsidentschaftswahlkampf. In Österreich war es zuletzt Frank Stronach, der in die Politik ging und dieses Vorhaben mit den Worten „Ich bin kein Politiker“ begründete. Dass nun ausgerechnet die Spitzenkandidatin der Salzburger Grünen, noch dazu als Landeshauptmann-Stellvertreterin, auf diesen Zug aufspringt, halte ich für äußerst irritierend. Denn ich glaube, dass es kein Schande ist, politisch, geschweige denn Politiker_in zu sein! Der NGO-Aktivist und die Kommunalpolitikerin, um nur zwei Beispiele zu nennen, opfern oft sogar unbezahlt ihre Freizeit, weil sie für ihre Werte einstehen und die Interessen ihrer Mitmenschen im Sinne eines guten Zusammelebens vertreten.

 

Es ist keine Schande, Politiker bzw. Politikerin zu sein!

Es stimmt schon: Politiker_innen gehören nicht gerade zu jenen Berufsgruppen mit dem besten Ruf. Viel von dem, was in Wahlkämpfen versprochen wird, fällt im Nachhinein dem politischen Kompromiss zum Opfer, stellt sich als unmöglich heraus oder war gar ein leeres Versprechen, um die eigenen Stimmen zu maximieren. Nicht selten endet eine politische Karriere durch Rücktritt infolge eines Skandals. Ebenso erlebt man Kandidat_innen, die  anfangs idealistisch sind und etwas bewegen wollen, mit den Jahren aber doch Teil jener Gruppe werden, die sie in jungen Jahren noch als Sesselkleber_innen verschmähten.

Als Politiker_in ist die Gefahr hoch, am eigenen Anspruch zu scheitern. Und doch, oder vielleicht auch deswegen bin ich der festen Überzeugung, dass es eine ehrenwerte Aufgabe ist, Politiker_in zu sein. Denn in einer repräsentativen Demokratie besteht die Aufgabe der Politiker_innen darin, den Spagat zwischen Interessenvertretung und Kompromiss hinzubekommen. Das ist kein dankbarer, aber ein enorm wichtiger Job. Die Aufgabe von Politiker_innen besteht außerdem darin, zu streiten. Denn der Wettstreit unterschiedlicher Meinungen ist nichts anderes als gelebte Bejahung einer pluralistischen Gesellschaft, in welcher jede Meinung, egal ob diese gerade die gesellschaftliche Mehrheitsmeinung abbildet oder nicht, ihre Existenzberechtigung hat. Wer Politiker_innen dafür kritisiert, zu streiten und Kompromisse zu schließen, der hat nicht verstanden, dass genau das eine freie Gesellschaft ausmacht. Wenn nun plötzlich aber sogar Politiker_innen anfangen, sich für ihre Tätigkeit zu schämen oder gar von sich behaupten, keine Politiker_innen zu sein (und sei es nur im Sinne der medialen Aufmerksamkeit oder als billiger Populismus gedacht), dann ist das ein Angriff auf die Glaubwürdigkeit der Politik und somit ein Angriff auf die Demokratie. Wer ein politisches Amt bekleidet, aber leugnet, Politiker_in zu sein, hat offenbar den Sinn der Tätigkeit nicht verstanden. Demokratie ist der Raum gelebter Pluralität. Politik ist praktizierte Freiheit. Wer sich dafür schämt, sollte bei einer Wahl erst gar nicht antreten.

P.S.:
Die Grünen haben bereits angekündigt, dass es angeblich eine plausible Erklärung für ihre Plakatwelle geben soll, die sie allerdings noch nicht bekanntgeben wollen. Ich untertelle den Grünen nicht einmal böse Absichten und schon gar nicht, undemokratisch gesinnt zu sein. Vielleicht ist es sogar ein strategisch kluger Schachzug, auf diese Weise Aufmerksamkeit zu erzwingen. Der öffentlichen Wahrnehmung von Politik tun die Grünen damit jedenflalls aber keinen Gefallen.

Das könnte sie auch interessieren