Politik

Warum Staatsschulden im Kampf gegen die Corona-Krise hilfreich sind

posted by Reinhard Hofbauer 25. April 2020 0 comments

Genauso, wie die Medizin bei der Bekämpfung des Corona-Virus Neuland betritt, gibt es auch für die wirtschaftlichen Herausforderungen infolge des Shut-Downs keine Erfahrungen aus der (modernen) Geschichte, auf die man zurückgreifen könnte. In dieser Beitragsserie auf Hallo Salzburg vertritt der AK-Wirtschaftsexperte Reinhard Hofbauer den keynesianischen Standpunkt, dass sich die Politik nicht aus dieser Krise heraussparen kann.

Teil 1: Die Wirtschaftskrise wird länger anhalten als die Epidemie
Teil 2: Warum Staatsschulden im Kampf gegen die Corona-Krise hilfreich sind
Teil 3: Wer soll die Kosten für die Corona-Krise zahlen?
Teil 4: Krisenzeiten als Wendezeiten?


Teil 2:

Maßnahmen gegen die Corona-Krise: Schulden statt Sparen

Die österreichische Regierung hat zunächst im Zusammenwirken mit den Sozialpartnern auf den die Seuche begleitenden Niedergang  der Wirtschaft mit einem ersten Soforthilfepaket reagiert. Dieses sah unmittelbar budgetwirksame 4 Mrd. Euro vor, davon 2 Mrd. Euro für einen Härtefallfonds. Spätestens mit dem dritten Corona-Gesetzespaket vom 3. April 2020 wurde klar, dass die Hilfsmaßnahmen einen riesigen Umfang haben werden. Alleine der Corona-Hilfsfonds umfasst ein Volumen von 15 Mrd. Euro. Er umfasst Liquiditätshilfen für von der COVID-19-Krise betroffene Unternehmen, die zum Teil in Zuschüsse umgewandelt werden können. 

Für Garantien und Haftungen sind 9 Mrd. Euro vorgesehen die zwar zunächst nicht unmittelbar budgetwirksam sind aber schon aufgrund des hohen Volumens beträchtlich sein werden wenn der Bund dafür in Anspruch genommen wird.

Die Mittel für die Corona-Kurzarbeit sind zwar grundsätzlich auch Teil des Soforthilfepakets, sollen aber aus der variablen Gebarung des Arbeitsmarktbudgets finanziert werden. Die bereits auf 3 Mrd. Euro aufgestockten Kurzarbeitshilfen, wurden zwischenzeitlich aufgrund der starken Inanspruchnahme auf rd. 5 Mrd. erhöht. Als einnahmenseitig wirksame Maßnahmen sind 10 Mrd. Euro für Steuerstundungen und Vorauszahlungsherabsetzungen vorgesehen, wobei es sich um einen Richtwert und nicht um eine Obergrenze handelt. Einiges davon wird nicht einbringbar sein und den Staatshaushalt damit ebenfalls nachhaltig belasten.

Wie massiv die aktuellen Hilfsmaßnahmen sind, zeigt ein Blick zurück auf die konkretisierten Vorhaben des Regierungsprogramms 2020-2024 der ÖVP-Grünen-Bundesregierung. Die Senkung der Einkommenssteuer-Grenzsätze war das Gustostück – sie sollten im Endausbau 2023 Kosten im Ausmaß von knapp 4 Mrd. Euro verursachen. Die  Körperschaftssteuersenkung sollte je nach Szenario zwischen 1,2 und 1,7 Mrd. Euro kosten;  Für die Erhöhung des Familienbonus und des Kindermehrbetrag wurden Mindereinnahmen von rd. 280 Mio. veranschlagt. Weitere geplante Maßnahmen wie die Erhöhung der Flugabgabe oder die Einführung der Behaltefrist bei der Kapitalertragsteuer fallen kaum mehr ins Gewicht wenn man sich die Größenordnungen der aktuellen Corona-Hilfspakete im Gesamtausmaß von 38 Mrd. Euro ins Gedächtnis ruft. Und es ist Mitte April unklar, ob diese Hilfen ausreichen oder ob bestimmte Maßnahmen wie jüngst die Mittel für die Kurzarbeit weiter aufgestockt werden (müssen).

Selbst wenn bei weitem nicht die gesamten € 38 Mrd. Euro des Corona-Hilfspakets budgetwirksam werden und die Budgetwirksamkeit auf mehrere Jahre verteilt wird, so zeigen die angesprochenen Dimensionen, dass die Maßnahmenpakete des Bundes, dazu die der Länder und Gemeinden im Zusammenspiel mit dem Einbruch der Konjunktur sowie die daraus resultierenden Einnahmenausfälle zu einer massiven Verschlechterung der budgetären Situation und deutlichen Erhöhung des öffentlichen Schuldenstands führen werden. Dazu kommen absehbar notwendige Konjunkturbelebungsmaßnahmen, denn weder der Inlandskonsum, noch die Exportwirtschaft oder der heimische Tourismus als maßgebliche Größen der österreichischen Wertschöpfung werden übergangslos an die Vorkrisenzeit anknüpfen. Zu erwarten ist Konsumzurückhaltung, was bei stark gestiegener Arbeitslosigkeit, weniger Einkommen und unsicheren Zukunftsaussichten nicht verwunderlich ist. Die für die Salzburger Wirtschaft wichtigen Dienstleistungsbranchen sind dabei besonders betroffen. 

Das vom IWF berechnete Minus von 7%  bedeutet in Summe, dass die österreichische Wirtschaftsleistung 2020 von knapp € 400 Mrd. im Jahr 2019 auf etwa 370 Mrd. schrumpfen wird.  Diese Zahl ist deshalb relevant, weil der Staatshaushalt zur Finanzierung  von Krankenhäusern, Pflegeheimen, Schulen usw. auf die Einkommen der laufenden Periode angewiesen, eben auf die ungeliebten Steuern und Abgaben „die der Staat wegfrisst“ (Sebastian Kurz) und die im BIP ihren Ausdruck finden.  Schon aus diesem Grund ist Freude über die herabgeregelte Wirtschaft unangebracht und kann eine Krisenzeit wie die jetzige trotz weniger Stress, Lärm und leerer Straßen kein Vorbild für die Nachkrisenzeit sein.

Bei einer Abgabenquote von rd. 43% am BIP machen Steuern und Sozialbeiträge rd. 171 Mrd. Euro aus. Entwickeln sich Steuern und Sozialabgaben  wie in den letzten Jahren mindestens im Ausmaß des BIP, dann bedeutet ein BIP-Rückgang von 7% ein Minus von 12 Mrd. Euro. Dazu kommen nun die Corona-Hilfsmaßnahmen. Selbst wenn einige Maßnahmen des Hilfspakets nicht schlagend werden weil es sich um Garantien, Haftungen, Steuerstundungen usw. handelt, ist auf einen Blick klar, dass weit geringeren Einnahmen aus Steuern und Sozialbeiträgen deutlich höhere Ausgaben gegenüberstehen. Geht man von konjunkturbedingten Einnahmenausfälle und krisenbedingten Zusatzausgaben zwischen 20 und 40 Mrd. Euro aus, dann werden sich die Staatsschulden von rd. 271 Mrd. Euro auf 290 bis 310 Mrd. Euro erhöhen. Bei gleichzeitig geringerer Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 wird die Staatsschuldenquote von aktuell rd. 70% auf wohl mindestens 75% bis 80% ansteigen. Alle Unsicherheit, Vorsicht oder auch Optimismus können damit nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Frage, wer die Schulden zahlen soll, die die Republik zur Finanzierung der Hilfsmaßnahmen aufgenommen hat, unvermeidlich gestellt werden muss.  Österreich ist – wie alle Länder – somit in einer neuen Ära der Verteilungsfrage angelangt.

Staatsschulden können hilfreich sein – wie man sieht

Um den wirtschaftlichen Einbruch so gering wie möglich zu halten und zu finanzieren „whatever it takes“ (M.Draghi) ist staatliche Neuverschuldung richtig, weil sich dadurch der ökonomische Schaden der Pandemie begrenzen lässt. Das wird von Ökonom_innen heute kaum bestritten.

Staatsschulden sind per se weder gut noch schlecht, es kommt darauf an was man damit macht und ob die Schulden nachhaltig sind.  Liegt der Ertrag über dem zu zahlenden Zins sind Schulden sogar zweckmäßig. Der Zins, vereinfacht gesagt der Preis fürs Geld, hängt im Wesentlichen von Angebot und Nachfrage,  dem Risiko des Schuldners und der Zentralbank ab. Seit wenigen Jahren ist es kein Problem günstig an Geld zu kommen. Die Republik Österreich kann sich ausgesprochen günstig verschulden. Es gibt ausreichend renditesuchendes Privatkapital und Staaten wie Österreich sind sichere Schuldner. Im Endeffekt zahlen Staaten wie Österreich im aktuellen Zinsumfeld und bei gegebener Inflation weniger zurück als sie aufgenommen haben.  Bleiben die Zinsen dauerhaft niedrig, wovon die meisten Ökonomen heute ausgehen weil es weltweit sehr hohe Ersparnisse gibt, dann sind auch 90 oder 100% Schulden leistbar. Das ist historisch betrachtet  auch nichts Außergewöhnliches. Einschneidende Erlebnisse wie Naturkatastrophen oder Kriege haben  die Staatsschulden immer steigen lassen. Wenn der Ausnahmezustand vorbei ist, beginnt aber eine Phase der Konsolidierung. Ist es ein Gebot der Stunde die ökonomische Krise früh und konsequent zu bekämpfen und „niemanden zurück zu lassen“ so ist aber auch der Tag schon abzusehen an dem die budgetäre Normalität einkehren wird. Für die Budgets der Gebietskörperschaften heißt Normalität dann auch eine Rückführung der öffentlichen Verschuldung gemäß den Maastricht-Kriterien. Klar sollte nun sein, dass die Schuldenobergrenzen der Maastricht-Kriterien, die schon in wirtschaftlichen Normalzeiten mehr als fragwürdig sind, weil sie notwendige und sinnvolle Investitionen verhindert haben, zur Krisenbekämpfung völlig untauglich sind. Für die EU geht es nun darum, ihren Haushalt und ihre Fiskalregeln den Herausforderungen der Krise und der Nachkrisenzeit anzupassen.

Eine Gefahr besteht aber darin, dass ein Sparpaket nach der Krise die Wirtschaftserholung gefährdet. Daher sollte nicht vergessen werden dass wir einen enormen Investitionsbedarf durch den Klimawandel haben. Außerdem treffen Ausgabenkürzungen häufig die sozial Schwachen. Schon jetzt deutet sich an, dass Arbeitslose zu den Verlierern der Krise gehören. Eine Erhöhung des im europäischen Vergleich in Österreich sehr niedrigen Arbeitslosengelds (die „Nettoersatzrate“  beträgt 55%) wurde vom Bundeskanzler jüngst abgelehnt. 


Weiterlesen – Teil 3: Wer soll die Kosten für die Corona-Krise zahlen?

Das könnte sie auch interessieren