Politik

Wer soll die Kosten für die Corona-Krise zahlen?

posted by Reinhard Hofbauer 26. April 2020 0 comments

Genauso, wie die Medizin bei der Bekämpfung des Corona-Virus Neuland betritt, gibt es auch für die wirtschaftlichen Herausforderungen infolge des Shut-Downs keine Erfahrungen aus der (modernen) Geschichte, auf die man zurückgreifen könnte. In dieser Beitragsserie auf Hallo Salzburg vertritt der AK-Wirtschaftsexperte Reinhard Hofbauer den keynesianischen Standpunkt, dass sich die Politik nicht aus dieser Krise heraussparen kann.

Teil 1: Die Wirtschaftskrise wird länger anhalten als die Epidemie
Teil 2: Warum Staatsschulden im Kampf gegen die Corona-Krise hilfreich sind
Teil 3: Wer soll die Kosten für die Corona-Krise zahlen?
Teil 4: Krisenzeiten als Wendezeiten?


Teil 3:

Wer seine Verschuldung verringern will, hat mehrere Möglichkeiten. Er kann „Sparen im System“, wie es die größere Regierungspartei, die ÖVP, immer wieder ausgedrückt hat. Das klingt gut, besonders wenn es mit einer Senkung von Steuern und Abgaben garniert wird. Das Ziel der ÖVP ist es seit langem, die Abgabenquote – also den Anteil der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge auf 40% zu senken. Angesichts der Kosten der Krise wird eine Senkung der Abgabenquote wohl nicht auf der Tagesordnung der Regierung stehen können. Sparen im System dafür wahrscheinlich schon, und dazu wird wohl argumentiert werden, dass alle ihren Beitrag werden leisten müssen. Die Frage ist also, ob wirklich alle ihren Beitrag leisten, den sie können. 

Österreich profitiert nur in der Krise trotz einiger schmerzhafter Einschnitte in der Vergangenheit von seinem vergleichsweise guten Sozial- und Gesundheitssystem, das es mit hoher wirtschaftlicher Leistungskraft vereinbart hat. Wir haben die fünfthöchste Abgabenquote der EU, die vierthöchste Sozialquote aber auch die vierthöchste Wirtschaftsleistung pro Kopf[1].

Erbschafts- und Vermögenssteuern heranziehen

Der internationale Vergleich zeigt aber auch auf einen anderen Weg, Staatsausgaben- und Einnahmen mittelfristig wieder anzugleichen: Wer sorgsam wirtschaften will, kann bei gleichen Ausgaben auch die Einnahmen erhöhen. Dabei bietet es sich an, diejenigen zu Steuerleistungen heranzuziehen die bislang nichts bis wenig zum Wohlstand und sozialen Frieden dieses Landes beigetragen haben. Freilich handelt es sich dabei nicht um Personen, denn irgendwelche Steuern zahlt jeder, sondern um Einkommensarten. Zu nennen sind hier Vermögens- und Erbschaftssteuern. 

Die Vermögenslage ist in Österreich besonders ungerecht, und das im doppelten Sinn: zum einen sind Vermögen extrem ungleich verteilt, zum anderen tragen Vermögen kaum etwas zur Finanzierung des Sozialstaats bei.  Dazu kommt noch, dass sie volumenmäßig bedeutsam sind, der Staat also nicht darauf verzichten sollte Vermögen seiner Finanzierung heranzuziehen.

Österreich ist ein Steuerparadies für Vermögende. Weniger als 2 Prozent aller Steuereinnahmen stammen aus Vermögen. Wie die OECD 2018 erneut berichtet hat liegt Österreich damit auf dem vorletzten Platz aller Industrieländer[2]. Den mit Abstand größten Teil der Steuern leisten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen: rd. 55% stammen aus Lohnabgaben, weitere 24% leisten KonsumentInnen, zusammen stammen also annähernd 8 von 10 Steuereuros von ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen. Unternehmen und Vermögende tragen nur einen von zehn Steuereuros bei, ausschließlich von Vermögen stammen überhaupt nur 10 Cent. In Österreich wurden die meisten vermögensbezogenen Steuern seit Mitte der 1980er Jahre abgeschafft oder ausgesetzt. Es gibt weder eine allgemeine Vermögenssteuer noch eine Erbschafts- oder Schenkungssteuer. Auch Großgrundbesitz wird steuerlich geschont. 

In allen entwickelten Ländern ist Vermögen in den vergangenen 25 Jahren schneller gewachsen als das Wirtschaftswachstum. Die Erträge von Aktien, Anleihen oder Immobilien lagen im Bereich von fünf Prozent, während das BIP durchschnittlich um weniger als 2 Prozent gewachsen ist. Die Einkommen aus Arbeit haben Schritt gehalten mit dem Einkommen aus Vermögen.

Auch für Österreich zeigen die Daten, dass die Einkommen aus Gewinnen und Kapitalanlagen deutlich stärker gestiegen sind als die Löhne und Gehälter der Beschäftigten. So ist es  oft schlicht ertragreicher sein Geld etwa in Immobilien anzulegen als in produktive Tätigkeiten, vor allem dann wenn die Nachfrage nach Wohnungen hoch ist.  Über Vermögen war in Österreich bis vor wenigen Jahren wenig bekannt. Vermögen blüht gewissermaßen im Verborgenen, die Reichen stellen ihn selten zur Schau. Wenn die Rede auf Vermögen kommt, dann auch stets mit Verweis auf den Neid. 

Seit Beginn der Untersuchungen der österreichischen Nationalbank zur Vermögenslage in Österreich[3] ist bekannt, dass es im Gegensatz zu den Haushaltseinkommen beim Vermögen in Österreich keine Mittelschicht gibt. Die reichsten 10% der ÖsterreicherInnen haben mehr als die restlichen 90% und die Hälfte der Bevölkerung hat weniger als 83.000 Euro Nettovermögen (Sach- und Geldvermögen abzüglich Schulden). Der Anteil des reichsten Prozent am gesamten Vermögen bleibt bei fast einem Viertel konstant hoch, während sich die unteren 50% nicht einmal 4% des Vermögens teilen. Österreich ist bei der Vermögensverteilung eines der ungleichsten Länder in der Eurozone. Nur Deutschland liegt vor Österreich. 

Dass Vermögende und Erbende so gut wie keine Steuern zahlen ist weder ethisch begründbar noch ökonomisch nachvollziehbar. Aus diesem Grund haben in der Vergangenheit von der OECD bis zum IWF und selbst der EU-Kommission kritisiert, dass die Steuern in Österreich zu niedrig sind.

Hohe Vermögen sollten im Kampf gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise nun endlich herangezogen werden. Das würde auch in der Bevölkerung breite Unterstützung finden. Schon vor der Corona-Krise haben sich in Umfragen wiederholt große Mehrheiten für Vermögenssteuern und einen größeren Anteil von Steuern durch wirklich Reiche gefunden. Vermögenssteuer-Modelle haben  in der Regel das Nettovermögen zur Basis. Nettovermögen heißt, dass alle Vermögenswerte wie Aktien, Immobilien oder Unternehmens-Beteiligungen zusammengerechnet werden und von der Summe alle Schulden abgezogen werden. Einer Studie von Ferschli et al. zufolge könnte eine allgemeine Vermögensteuer dem Fiskus bis zu EUR 5 Mrd. einbringen[4]. Ausgegangen wird dabei von einem Steuersatz von 1% für Vermögen über EUR 500.000. Das heißt, dass die ersten EUR 500.000 Vermögen keiner Steuer unterliegen und dass jemand, der ein Vermögen von EUR 1.200.000 besitzt, nur den die Freigrenze von EUR 500.000 übersteigenden Betrag, also EUR 700.000 mit einem Prozent versteuert. Andere Vorschläge weisen höhere Freibeträge und progressive Steuersätze auf, um Vermögen von sehr reichen Personen auch stärker zu besteuern. 

Wie der renomierte Ökonom Piketty nachgewiesen hat, hat Einkommen durch Arbeit und herkömmliche wirtschaftliche Tätigkeit  historisch mit  der Zeit an Bedeutung als entscheidende Vermögensquelle verloren, Erbschaften sind dagegen immer wichtiger geworden und ihre Bedeutung wird weiter zunehmen. Laut einer Studie von Altzinger & Humer verdoppelt sich das zu übertragende Vermögen zwischen 2010 bis 2030 und macht und EUR 20 Mrd. jährlich aus[5].

Geerbtes Eigentum ist leistungslos erworbenes Vermögen.

Das widerspricht dem Leistungsgedanken, der in der Marktwirtschaft hochgehalten wird,  denn Erbschaften wurden ja nicht durch eigene Anstrengung  erwirtschaftet. Ob jemand faul ist oder fleißig, tüchtig oder unbegabt, ist unwichtig. Es zählt allein der Zufall, in die richtige Familie geboren zu sein. Wer erbt, hat einen entscheidenden Startvorteil ins Leben. Alle Daten zum Erbgeschehen belegen, dass der Matthäus-Effekt dominiert: „Denn wer hat, dem wird gegeben“.

Haushalte, die geerbt haben, besitzen deutlich mehr Vermögen als jene, die nichts geerbt haben. In Österreich ist Erben die wichtigste Quelle für Vermögen überhaupt. Konkrete Zahlen verdeutlichen die großen Unterschiede zwischen Erbschaften.  Bei den 50 reichsten Österreichern haben in 38 Fällen Erbschaften die zentrale Rolle beim Reichwerden gespielt.  Bei den reichsten 10% der Bevölkerung erben drei von vier Haushalten, und hier liegt die durchschnittliche Erbschaft (aus den genannten Gründen unterschätzt) bei € 830.000 Euro. Dagegen erbt nur jeder Dritte der unteren 90% der Einkommensbezieher überhaupt etwas Nennenswertes, etwa Fahrzeuge, Immobilien oder Geldvermögen. Dabei geht es im Durchschnitt um etwa 120.000 Euro. 

In Österreich gilt – Genies oder besonders Glückliche ausgenommen, dass man durch Fleiß und beste Ausbildung kaum wettmachen kann, was eine Erbschaft vermag. Wer hart arbeitet und immer spart, wird nicht reich. Wenn jemand 45 Jahre ohne Unterbrechung arbeitet, netto rd. 30.000 Euro im Jahr verdient und monatlich € 320,-  spart, dann sammeln sich bei 2,5% Zinsen nach 45 Jahren Ersparnisse von rd. € 270.000,- an. Das reicht heute kaum für eine Eigentumswohnung. 

Dass große Vermögen bisher in Österreich bislang kaum etwas zur Finanzierung des gesellschaftlichen Wohlstands und des sozialen Zusammenhalts beigetragen haben hat damit zu tun, dass Debatten um einen Beitrag der Reichen sofort einen Neidreflex ausgelöst haben. Verwiesen wird auch stets auf die Beiträge die Reiche mitunter durch private Charity leisten. Gerade in der Corona-Krise zeigt sich, dass diese privaten Beiträge völlig unzureichend sind. In Krisenzeiten wie jetzt braucht es eine umfassende und verlässliche Finanzierung die wirklich „niemanden zurücklässt“. Privatleute spenden dagegen nach ihren eigenen Vorlieben, die Begünstigten müssen stets fürchten dass der Spendenfluss versiegt und niemand kann von wirklich Reichen Spenden einfordern oder gar einklagen.


Weiterlesen – Teil 4: Krisenzeiten als Wendezeiten?

Quellenangaben:
[1] Eurostat
[2] OECD (2018): The Role and Design of Net Wealth Taxes in the OECD, OECD Tax Policy Studies No. 26,
[3] Househoulds Finance and Consumption Survey (HFCS)
[4] Ferschli, Benjamin/Kapeller, Jakob/Schütz, Bernhard/Wildauer, Rafael (2017): Bestände und Konzentration privater Vermögen in Österreich. ICAE  Working Paper 72
[5] Altzinger, Wilfried; Humer, Stefan (2013) Simulation des Aufkommens verschiedener Erbschaftsbesteuerungen.

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