Eine am 28. Jänner von Conrad Seidl im Standard veröffentlichte Studie gibt nun ein aktuelles Bild über die Haltung der Bevölkerung gegenüber der gegenwärtigen ÖVP-Politik. In einer repräsentativen Umfrage, durchgeführt von Market, wurden 800 wahlberechtigte österreichische Teilnehmer:innen über die vermittelten Werte und das Image der Partei befragt.
Im Vergleich zur gleichartigen Umfrage aus dem Jahr 2019 muss die ÖVP in vielen Bereichen Zustimmung einbüßen. So assoziieren gerade mal 11 Prozent der Befragten die Partei mit politischem Anstand. Ähnlich schwache Werte sieht man mit nur jeweils 15 Prozent Zustimmung bei den Fragen, ob sie für eine gerechtere Gesellschaft stehe und ob sie in Menschenrechtsfragen besonders sensibel agiere. Auffällig ist auch, dass nur etwa 10 Prozent die ÖVP in der Regierung vermissen würden, wenn sie in die Oppositionsrolle wechseln müsste. Ebenso nur 10 Prozent der Befragten würden sich von einer ÖVP in der Opposition persönliche Nachteile erwarten. Erstaunlich ist zudem auch der mit 30 Prozent zustimmende Anteil jener, die es als gut empfinden, dass auch weiterhin ein Mann den Vorsitz in der ÖVP innehat.
Nehammer steht für wenig Veränderung
Aus den Umfragen kommt hervor, dass viel Unsicherheit darin besteht, ob Nehammer die beste Wahl für die ÖVP ist und ob die Partei geschlossen hinter dem Bundeskanzler steht. Es entsteht auch sonst für die Befragten der Eindruck, als würde unter Nehammer politisch nicht viel passieren. Man erwartet von ihm demnach weder einen Links-, noch einen Rechtsruck und bezweifelt, dass er relevante Ideen für die Zukunft Österreichs hat. Aus Sicht der Befragten wird das Land derzeit also scheinbar von einer Art Platzhalter regiert, von dem man allerdings immerhin davon ausgeht, dass er mit seiner Erfahrung in der Politik schon irgendwie bestehen kann. Der derzeitige Anspruch eines Bundeskanzlers ist infolgedessen allem Anschein nach, in keine Skandale verwickelt und auch sonst möglichst unauffällig zu sein.
Was das für die Zukunft der vermeintlichen Volkspartei bedeutet
Zuversicht vonseiten der ÖVP-Anhänger:innenschaft mit Blick auf den amtierenden ÖVP-Kanzler sieht jedenfalls anders aus. Die ÖVP sieht sich daher im Zugzwang. Eine der wichtigen Fragen für sie ist jetzt zumindest, ob es ihr gelingen kann, einen Teil der Arbeiter:innenschaft auf ihre Seite zu ziehen. Dem Kanzler-Vorgänger Sebastian Kurz gelang es, auch Arbeitnehmer:innenschichten zu erreichen. Die Frage, ob es Nehammer gelingt, daran anzuknüpfen, bleibt grundsätzlich offen. Jedoch zeigt die neue Standard-Umfrage ein anderes Bild. Ganze 61 Prozent sehen für ihn und die Partei die Notwendigkeit, sich auf die Interessen der Arbeiter:innen und Angestellten zu konzentrieren.
Ist die ÖVP noch eine Volkspartei?
Man kann in Anbetracht dessen auch durchaus in Frage stellen, ob der Anspruch der ÖVP, eine Volkspartei zu sein, noch gerechtfertigt ist. Gerade in Hinblick auf die vielseitigen Vorwürfe der Freunderlwirtschaft und des neuerdings aufgetretenen türkis-schwarzen Polizeiskandals wird der Anteil der Bevölkerung, die sich von der ÖVP repräsentiert fühlen, vermutlich noch weiter sinken. Wofür die ÖVP wirklich steht, wo sie ideologisch einzuordnen ist und wohin sie sich seit der türkisen Umfärbung orientiert hat, erfahrt ihr auch in diesem Hallo Salzburg-Artikel über die ideologische Positionierung der Parteien Österreichs.