KulturPolitik

Rockhouse: Schall in Moos

posted by Romana Stücklschweiger 19. Dezember 2016 0 comments
Über die Begünstigung der Unverhältnismäßigkeit
Riders On The Storm

Haben wir was wir brauchen? fragte sich Ende der 1970er Jahren in Salzburg eine kleine Gruppe engagierter “Alternativer”. Die Antwort war – glücklicherweise – ein klares Nein, was der Beginn der alternativen, der freien Kunst- und Kulturszene in Salzburg war, der Beginn der ARGE Rainberg. Alfred Winter ist da ebenso einiges zu schulden. Der heutige Landesbeauftragte für kulturelle Sonderprojekte des Landes gründete schon 1967 den Club 2000, der später als “Szene der Jugend” bekannt wurde. Das Bemühen um eine Szene abseits der klassischen Kulturszene war insofern wichtig, da es bis in die Siebziger verboten war, während der Festspielzeit  anderwärtige kulturelle Aktivitäten zu veranstalten. Eine Generation später profitiert davon auch das Rockhouse, mit Geschäftsführer Wolfgang Descho und PR-Chefin Susanna Kuschnig. 1993 öffnete das Rockhouse im passendsten Stadtviertel Schallmoos seine Pforten und ist seit über 23 Jahren einer der wichtigsten Grundpfeiler und Vertreter der heimischen Kulturlandschaft.

Das Rockhouse ist sprichwörtlich ‘mittendrin’ – zwischen lokalem und internationalem Musikangebot, zwischen neu und alt, die Brücke zwischen Newcomern und alten Heroen. Eingebettet im Dachverband Salzburger Kulturstätten gibt es ein breites Netzwerk an Kooperationen mit anderen Institutionen in Salzburg; solidarisch und um ein breit gefächertes Angebot bemüht.

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Money Power Glory

Die Arbeit des Rockhouse ist vergleichbar mit anderen Häusern der freien Szene: Es gilt ein Haus zu führen, Angebote zu gestalten, Mitarbeiter anzustellen, im Idealfall Weiter- oder Ausbildung anzubieten und, was im Fall des Rockhouse vorrangig ist: Einen Konzertbetrieb aufrecht zu erhalten.  Dies benötigt finanzielle Mittel, den Freien steht 2016 ein Betrag von knappen 4,7 Mio Euro seitens der Stadt, und rund 5 Mio. Euro vom Land zur Verfügung. Für das Rockhouse bleibt an Förderungen daraus:

  • Stadt: 415.000 Euro
  • Land: 115.000 Euro
  • Bund: 20.000 Euro

Zu fast 50 Prozent finanziert sich das Rockhouse zwar selbst, die restlichen 50 Prozent sind Zuschüsse aus der öffentlichen Hand. Dankbar sind Descho und Kuschnig für die mittelfristigen Förderverträge, da diese gerade noch so die Planung eines Veranstaltungsprogramms ermöglichen. Finanziell würden sie sich aber mehr vom Land und vor allem vom Bund erwarten, da hier seit Jahren auf untersten Ebenen herumgetümpelt wird. Der Vergleich mit den Perlen und den Säuen ist hier nicht so weit her geholt, wenn man sich das oft hochkarätige Programm des Rockhouse anschaut und gleichzeitig das ständige Ringen um Unterstützung miterlebt.

„Es ist ein Kampf ums Erhalten und Überleben, auch heute noch. Die Kulturpolitik muss sich was überlegen. Es kann nicht sein, dass man Kulturinstitution, die sich aus jenen, die das wollten und selbst aufbauten, nur soviel füttert dass sie grade mal so durchkommen. Wenn das Kulturpolitik ist, hat Salzburg, das sich Kulturland nennt, was falsch verstanden.“ – Wolfgang Descho

Dennoch: Der Kontakt ist gut, nicht nur in Krisenzeiten herrscht eine gute Gesprächsbasis. Natürlich wäre eine 100 Prozent finanzielle Absicherung super, lacht Chef Descho, aber realistisch wäre das Ganze wohl nicht. Aber man vermisst trotzdem mehr Unterstützung.

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Trouble Town

Trotz seinen 23 Jahren muss das Rockhouse, wie auch andere Freie in Salzburg, immer wieder ums Taschengeld betteln. Die Eltern Stadt und Land sind im Vergleich zu den Großeltern Bund (seit 13 Jahren ist der Betrag konstant gleich niedrig) zwar gesprächsbereit, aber zur Entfaltung reicht es halt doch nicht ganz. So pendelte sich das Rockhouse in den vergangenen Jahren zwischen Stabilität und Flexibilität ein, um finanziellen Engpässen zu begegnen. Aber es wird was passieren müssen, denn:

Die Generation, die damals eine alternative Szene in Salzburg überhaupt ermöglichte, stirbt langsam aus.
(Wolfgang Descho, Rockhouse-Geschäftsführer)

Wolfgang Descho spricht dabei natürlich vom metaphorischen Ableben, von der nicht-zu-balden Pension der damaligen Initiator_innen. Taten wie damals wären wieder gefragt, wo mit viel Idealismus, auch mit viel Selbstausbeutung, aber mit Visionen die Grundpfeiler für heute gesteckt wurden. Auch Fair Pay macht den Freien zu schaffen: Die mittelfristigen Verträge müssten ausgebaut, Projektarbeit gefördert und das Budget als Grundlage für wirkliches Arbeiten ausgelegt werden. Bei Veranstaltungshäusern ziehen sich finanzielle Missstände durch alle Ebenen, allen Beteiligten kann bei wenig auch nur wenig weitergegeben werden. Und da wird das Knausern dann wirklich peinlich.

Die Problematik liegt in der Verhältnismäßigkeit: Das Rockhouse hat gegenüber anderen Häusern einen Nachteil: Konzerte haben andere Produktionskosten als etwa Lesungen oder Filmvorführungen. Auch hier will man in erster Linie nur eins:  Langsam auf ein finanzielles Niveau kommen, das mehr als nur prekär ist. Mit dem STUCK! Festival 2010 gab es Hoffnungen auf Sondersubventionen, um außerhalb des regulären Betriebs ein internationales Festival zu etablieren. Gespräche wurden geführt, aber es fehlten die Taten seitens der Fördergeber_innen, woraufhin das Rockhouse die Kosten selbst übernahm. Es gab großartiges Feedback, von lokalen und internationalen Besuchern, von Entscheidungsträger_innen und Medien – aber keine zusätzlichen finanziellen Unterstützungen. In logischer Konsequenz wurde das Budget zu knapp, sodass das STUCK! nach 5 Jahren wieder aufgegeben wurde. Da hat Salzburg ein ziemlich schmackhaftes Zuckerl vergeben.

Why We Build The Wall?

Rock ist neu. Klassik ist alt.” So spitzt Wolfgang Descho den Unterschied zwischen den verschiedenen Kulturszenen zu. Vergleichen möchten man sich nicht, auch geht es nicht um eine Abgrenzung. Die Ansprüche an das eigene Schaffen eines Rockhouses und beispielsweise eines Mozarteums oder Ähnliches sind dementsprechend divers. Die Unverhältnismäßigkeiten der finanziellen Mittel sind es, die der Geschäftsführer des Rockhouse angeglichen sehen möchte, ebenso PR-Chefin Susanna Kuschnig:

„Finanziell balancieren wir  immer knapp am Abgrund entlang, aber wir schaffen es, immer wieder qualitatives Angebot zu bieten.“

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Der Konflikt besteht nicht in der Unterscheidung zwischen Hoch- und Alternativkultur, es sind die Dimensionen, in denen das gesamte Kulturbudget verteilt wird; nämlich ungleich und zum Nachteil der Kleinen. Sich anzuschauen, wo Geld hin fließt, und ob es nicht an anderen Stellen sinnvoller einzusetzen wäre, das wäre ein erster Schritt Richtung wirklicher und effektiver Kulturpolitik. Wenn bei den ‘Großen’ Geld benötigt wird, herrscht größere Selbstverständlichkeit, die in gleichen Maßen auch für die Freien gelte sollte. Mittelfristige Förderverträge stellen einen kleinen Teil Sicherheit dar. Aber es wird über kurz oder lang zu gravierenden Einschnitten kommen, wenn man von der freien Szene weiterhin annimmt, dass da eh jeder nur aus Idealismus mitarbeitet. Wenn Leistung im Kulturbereich nicht mehr dementsprechend honoriert werden kann, dann läuft wirklich was falsch, ärgert sich Wolfgang Descho: “Es gheat fair zoit!” Die aktuelle Kulturpolitik scheint aber Unverhältnismäßigkeiten zu begünstigen. Auch Mozart musste Salzburg verlassen, sagt der Rockhouse-Chef, gar nicht mal so scherzhaft.

Hope Diamond

Aber es gibt auch Lob. Die Rolle der Stadt sehen die Rockhäusler durchaus positiv, hier sind die Ansprechpartner verlässliche Partner und der Diskurs geht in die richtige Richtung: Die Stadt als Bauherr stellte dem Rockhouse vor Kurzem eine größere Garderobe zur Verfügung. Wer die alte kannte, atmet jetzt wohl auf. Dass Geld immer ein Reibungspunkt bleiben wird, ist klar, aber hier herrscht Dialogbereitschaft. Und schon vor 23 Jahren bewegte sich etwas – das tut es noch. Wenn doch nur die Scharniere noch etwas besser geölt werden könnten. Denn: Kultur ist ein Wirtschaftsfaktor. Nicht nur im Finanziellen, sondern auch im Bereich, um den es bei Kultur vorrangig gehen sollte: Unterhaltung, Vermittlung, Entwicklung, Bildung, Horizonte erweitern, im weitesten Sinn. Kultur ist nicht nur “schön und lustig”, sagt Susanna Kuschnig, es geht auch darum, Bewusstsein in Gang zu bringen, den Zugang zu erleichtern, Leute zu erreichen. Ganz grundlegend, ganz ideologisch. Aber nicht mehr nur in Selbstausbeutung, das Kulturangebot sollte 2016 nicht auf den Stand der Siebziger zurückfallen. Bitte.

The Day The Music Didn’t Die

Livemusik kann man nicht umbringen, da sind sich Wolfgang Descho und Susanna Kuschnig sicher. Deshalb ist der Blick in die Zukunft auch ein vorsichtig positiver. So lange hat man gekämpft, so lange hat man überlebt. Und die aktuelle Kulturpolitik ist auch beim Dachverband Salzburger Kulturstätten wieder verstärkt Thema: Zehn Aufgaben stellt er, um Kultur zu fördern und weiter zu entwickeln. Schon die Erfüllung einer dieser Aufgaben würde nicht nur dem Rockhouse Arbeit erleichtern und ein Weiterbestehen sichern und fördern. Denn solange die alternativen Kräfte nicht einfach sterben gelassen werden, sind sie gekommen um zu bleiben. Nicht umsonst wächst Moos auf Langanhaltendem. Auf Schall, zum Beispiel.

Kulturlandschaft ist eine Landschaft. Pflegen wir sie doch ganzheitlich.

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