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Hildegart oder: Projekt Superwoman

posted by Johannes Mayrhofer 21. Oktober 2016 0 comments

Die Dreißiger des letzten Jahrhunderts sind wohl in den kollektiven Erinnerungen der wenigsten sonderlich positiv konnotiert. In Hildegart oder: Projekt Superwoman geht es ebenfalls um jene Zeit, nicht aber um die leidige Nazi-Thematik. Viel rosiger wird es dennoch nicht.

Hildegart oder Projekt Superwoman ist ein eigentlich interessantes Filmprojekt. Es ist das Porträt einer tragischen Mutter-Tochter-Beziehung. Es ist ein ungewöhnlicher Blickwinkel auf einen extremistischen Geist, der sich so weit in seiner Weltanschauung verliert, bis er schließlich aus ideologischen Gründen und ohne Reue die eigene Tochter hinrichtet. Es ist eine gezeichnete Dokumentation über Hildegart Rodriguez und ihre Mutter Aurora Rodriguez und es ist eine reale Dokumentation über manche Positionen des modernen Feminismus und ein Spiegel über den Stand der Frau in unserer Gesellschaft.

Es ist ein gewagtes Potpourri, das versucht, viel zu vereinen, dabei aber Zutaten mischt, die nicht harmonieren.

Der Zeichenstil und die reduziert-simplen Animationen der gezeichneten Hildegart-Geschichte wissen mit ihrer tragischen Atmosphäre zu überzeugen. Hildegarts Mutter Aurora führt uns durch die Handlung, erklärt, warum die schreckliche Tat aus ihrer Perspektive die einzige Option war. Sie versucht mithilfe von Ideologie zu rechtfertigen, warum Mord der einzige Ausweg ist. Sie erklärt uns und dem gezeichneten Richter, dass sie nicht verrückt und im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ist, woran wir als Publikum aber berechtigte Zweifel haben. Das alleine hätte genügend Rahmen für einen tragischen Film gegeben, der vermutlich wirklich überzeugt hätte.

Die Filmemacherin Barbara Caspar begnügt sich aber nicht mit dem Erzählen jener dramatischen Mutter-Tochter-Beziehung, sie mischt in die animierte Interpretation historischer Begebenheiten reale Interviews mit Frauen, die nicht nur Hildegarts und Auroras Leben kommentieren, sondern generell über modernen Feminismus sprechen. Da kommen junge, energische Femen-Aktivistinnen zu Wort, da meldet eine Astrologin ihre Sicht der Dinge. Die Interviews bleiben dabei völlig unkommentiert und ermöglichen es den Zusehenden ihre eigene Weltsicht sowie jene der gezeigten Frauen zu reflektieren. Auch als Film über moderne Auslegungen des Feminismus wäre Hildegart oder: Projekt Superwoman interessant. Als Gesamtpaket ist Projekt Superwoman aber weder das eine noch das andere und beide Teile ergänzen sich mehr schlecht als recht.

Meines Erachtens schadet es dem modernen Feminismus eher, diese Verbindung zwischen Aurora Rodriguez’ Wahn und Tat und den jungen Aktivistinnen herzustellen, die sich mit ihren Mitteln bemühen, für Frauenrechte zu kämpfen. Aurora Rodriguez war, wie es der Film darstellt, aber weniger Feministin als generell Misanthropin. Sie hasst Männer und sie verachtet Frauen für ihr emotionales Handeln und ihre Triebe. (Männer haben selbige ihrer Ansicht nach scheinbar nicht!) Sie will durch ihre Tochter eine Prophetin für alle Frauen dieser Welt schaffen, ja geradezu züchten. Sie will Schöpferin einer Superwoman sein. Ihr Plan und ihre Herangehensweise haben mehr mit Eugenik als mit Feminismus zu tun. Während die einzelnen Elemente von Hildegart oder: Projekt Superwoman in sich genommen spannend und interessant umgesetzt sind, wirkt die Zusammenführung der Biografie und der Kommentare aufgesetzt und plump. So verlässt man das Kino mit dem Gefühl, Einblicke in das Leben einer wahnsinnigen Extremistin bekommen zu haben und dazu Zitate junger Feministinnen, die im besten Fall nichts mit Aurora Rodriguez zu tun haben und im schlechtesten Fall im fadenscheinigen Kontext zu ihr stehen.

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Feminismus ist ein enorm wichtiges Thema in unserer Gesellschaft. Das findet nicht nur Noch-Präsident Obama. Wer anderer Meinung ist, sollte sich vielleicht Strategien überlegen, um doch noch den Sprung ins 21. Jahrhundert zu schaffen. Bei Hildegart oder: Projekt Superwoman weiß ich nur nicht, worauf der Film hinaus will. Die gezeichnete Geschichte ist zu extrem, um Aktivismus für Frauenrechte zu spiegeln und die Interviews wirken teils einfach zu naiv.

Dennoch hat Hildegart oder: Projekt Superwoman meines Erachtens seine Daseinsberechtigung: als Denkanstoß sowie als Diskussionsgrundlage; um die eigene Weltsicht zu reflektieren und um neue Perspektiven kennenzulernen, auch wenn man sie in dieser Form nicht teilen muss.

Hildegart oder: Projekt Superwoman
Regie: Barbara Caspar
Drehbuch: Barbara Caspar
Soundtrack: Roland Hackl
Mit: Pippa Galli, Jascka Lämmert, Mischou Friesz, Markus Raab, Josephine Witt, Lara Alcázar Miranda, Irina Kkanova, Carlotta Cánovas, Carmen EstébanezCamarena, Bego Martinez Gugel,
Carmen Domingo, Leslie Atkison, Ingrid Zinnel u.a.
Laufzeit: 82 Minuten
FSK: unbekannt
Kinostart: 23.9.16 (AT)

Die Bilder stammen von der Seite des Filmförderfonds Wien.

 

 

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