CONTRA
Dieser Kommentar ist Teil einer PRO&CONTRA Serie. Das Ziel besteht darin, inhaltliche Debatten gesellschaftlichen und politischen Themen zu fördern. Der Pro-Kommentar stammt von Gerd Brand.
„Die SPÖ spricht sich klar gegen eine Koalition mit der FPÖ auf allen politischen Ebenen aus.“ An diesem Parteitagsbeschluss spalten sich die Geister. Und der Beschluss ist noch nicht einmal zwei Jahre alt. Wir kennen die Politik und das Menschenbild der FPÖ. Auch ihren hypothetischen Zugang zu Regierungsverantwortung. Und dennoch:
Die Idee von Rot/Blau lässt uns nicht los.
Warum soll man sich das Leben die ganze Zeit schwermachen und sich durch die Ausgrenzung der FPÖ an die ÖVP ketten?
Lassen wir die Blauen doch mal zeigen, ob sie mehr können, als das Maul aufzureißen. Dann können sie nicht immer den anderen die Schuld in die Schuhe schieben.
Wenn sie versagen, jagen sie die Wähler_innen eh über alle Berge.
Mit den Blauen haben wir eine viel größere Schnittmenge als mit den Schwarzen.
Die FPÖ ist eine nicht zu vernachlässigende Größe. 30 Prozent der Bevölkerung kann man nicht so einfach ignorieren.
In den Gemeinden ist das mit der FPÖ ja etwas ganz anderes.
Wenn in der SPÖ pro Rot-Blau argumentiert wird, sind das die Argumente, die überzeugen sollen. Trotz all den fundamentalen Vorbehalten gegenüber der FPÖ – die Diskussion bleibt. Es scheint, als handle es sich dabei um die Existenzfrage für die Sozialdemokratie in Österreich.
Die Diskussion ist nachvollziehbar.
Nach dem schwarz-blau-orangen Winter hoffte man auf die Wende, auf die Wiedergeburt der staatstragenden Sozialdemokratie. Doch sie kam nicht. Was kam, waren Wahlergebnisse und Verluste, schlimmer als je zuvor. In der öffentlichen Wahrnehmung hat die rot-schwarze Koalition ausgedient; mit der gewinnt man keinen Meter mehr. Vielerorts befindet man sich mit der FPÖ gemeinsam in Opposition. Wenn man etwas gegen die schwarz(-grüne) (Stadt-/Landes-)Regierung ausrichten will, dann muss man ja irgendwie auch mit den Blauen zusammenarbeiten. Die derzeitigen Mehrheitsverhältnisse sehen wirklich nicht rosig aus. Als Alternative zu Schwarz bleibt irgendein Dreirad mit den NEOS und den Grünen. Aber die Grünen tragen in letzter Zeit auch lieber schwarz. Für eine gemeinsame Mehrheit reicht es meist sowieso nicht. Bleibt logischerweise nur mehr die FPÖ als Alternative zu den Schwarzen.
Aber ist das wirklich der einzig gangbare Weg? Kann man ernsthaft seine ganze Hoffnung darauf setzen, dass es ausgerechnet mit einer Strache-FPÖ in der Regierung besser läuft? Es wäre eine einfache (und wahrscheinlich auch sehr kurzlebige) Lösung für ein akutes Problem. Aber dieses Problem ist komplex. Und einfache Lösungen für komplexe Probleme funktionieren selten. Außer, man ist in Opposition und heißt FPÖ.
Die FPÖ – Eine Lösung für mangelnde Optionen?
Das eigentliche Problem liegt nicht in der Koalition oder der FPÖ begraben – vielmehr steckt es tief in der eigenen Partei. Wann haben wir den Glauben an uns selbst derart verloren, dass wir uns ständig an eine Koalitionsvariante ketten müssen? Seien wir uns doch ehrlich, im Dreieck SPÖ-ÖVP-FPÖ wird tendenziell eher die SPÖ das nachsehen haben, so wie schon im Jahr 2000 oder derzeit in Oberösterreich, beinahe auch in der Steiermark.
Es scheint, als ob man schon den Glauben daran verloren hat, jemals die eigene Stärke wieder zu finden. Wer eine Koalition mit der FPÖ zur Alternative macht, hat sich mit der eigenen Schwäche und einer drohenden neuen Rolle in der politischen Landschaft abgefunden. All das ändert aber nichts daran, dass die FPÖ in Riesenschritten auf die 40 Prozentmarke zuläuft.
Die Stärke der FPÖ liegt nicht daran, dass die SPÖ nicht mit ihr koalieren will. Die Stärke der FPÖ liegt in der Schwäche der SPÖ, Antworten auf die Sorgen der Menschen zu finden, die einmal ihre klassischen Wählerinnen und Wähler waren. Den Menschen ist es relativ egal, wer mit wem koaliert, solange die Hoffnung auf ein besseres Leben damit verbunden ist. Da stiehlt uns die FPÖ mächtig die Show und das würde sie auch in einer Koalition tun. Einer Partei, die wie die SPÖ jahrelang Durchhalteparolen und Krisenrhetorik prägt, wird man nicht mehr viel zutrauen.
Die SPÖ muss wieder eine moderne Partei werden.
Die SPÖ ist eine Partei, die seit den 1970er-Jahren weder Parteistruktur noch ihre Methodik wesentlich geändert hat. Während sich andernorts die Arbeitsweise in politischen Parteien vor allem in den letzten zehn bis 15 Jahren radikal geändert hat, scheint in der SPÖ noch immer vieles nach denselben alten Mustern abzulaufen (denken wir nur an den Präsidentschaftswahlkampf!). Bei den gegenwärtigen Wahlergebnissen wird die SPÖ in der nächsten Regierungsbeteiligung auf Bundesebene sowie auch auf Landesebene maximal die Juniorpartnerrolle einnehmen. Man denke da nur an Kärnten 2004, Jörg Haider und blau/orange-rot. Da gingen die Wähler_innen dann lieber zum Schmied als zum Schmiedl.
Die SPÖ muss sich als Partei weiterentwickeln, Lösungen für die Fragen und Probleme der Menschen bieten und diese auch durchzusetzen. Ein Beispiel kann man sich da schon mal an Renzi in Italien nehmen, der bei wichtigen Entscheidungen regelmäßig auch sein eigenes politisches Schicksal in die Waagschale wirft. Ansonsten werden die 11 Prozent der Bundespräsidentschaftswahl ein vorläufiger Zwischenstopp auf dem Weg Richtung „Sonstige Parteien“. Immerhin: Christian Kern ist ein Hoffnungsschimmer am Firmament. Was ihn auszeichnet, ist nicht seine –tatsächlich gute und besonne – Rhetorik, sondern die Tatsache, dass er überzeugt von dem wirkt, was er sagt.
Zurück zum Thema: Bevor wir uns Gedanken um einen Kriterienkatalog für potenzielle Koalitionspartnerinnen zusammenschustern (was angesichts aktueller Umfragewerte durchwegs eine gewisse Vermessenheit in sich birgt) sollten wir uns fragen, wie wir es schaffen, in Zukunft wieder selbst für Mehrheiten sorgen können. Die Diskussion um eine Koalition mit der FPÖ wird sich nämlich sonst bald schon rein rechnerisch erledigen. All die Energie, die in Diskussionen um mögliche Koalitionsalternativen fließt, sie wäre besser und langfristiger veranlagt in der Bemühung, die eigene Partei wieder fit zu machen, das Vertrauen in uns selbst wieder zu finden und die Marschrichtung der kommenden Jahre zu bestimmen. Die Entscheidung über eine Koalition ist kein Plan für die Zukunft. Aber sie kann über die eigene Zukunft entscheiden.
Taktisches Herumlavieren mit der FPÖ ist im Endeffekt doch wie Zeitschinden beim Fußball in der 80. Minute, wenn man 0:1 hinten liegt.
Die Ausgrenzungsfrage: Eine Scheindebatte
Das Wort Ausgrenzung ist eine Erfindung der FPÖ. In Wirklichkeit ist es schlicht so, dass die FPÖ sowohl ideologisch, als auch inhaltlich genau für das Gegenteil der SPÖ steht. Die FPÖ vertritt eine antidemokratische und menschenfeindliche Geisteshaltung. Sie ist jene Partei, die gegen Steuern für Reiche ist, Luxus-Pensionen schützt und sogar bei Arbeitslosengeld für Menschen über 50 bremst. Es geht hier nicht um Ausgrenzung.
Die Ziele der SPÖ und FPÖ sind schlicht unvereinbar.
Selbstverständlich bedeutet Koalition immer auch, Kompromisse zu schließen. Wie schmerzhaft diese sein können, zeigt sich in der großen Koalition auf Bundesebene. Kompromisse, die dazu führen, dass
sich die Menschen enttäuscht von der Sozialdemokratie abwenden. Wenn sie nicht allein zum Zweck des Machterhalts (um jeden Preis) geschlossen werden, sind Kompromisse etwas Positives. Die Demokratie lebt davon.
Was die FPÖ von anderen Parteien unterscheidet, ist, dass sie den Sinn von Demokratie missachtet. Dieser besteht nämlich nicht darin, dass diejenigen, die am lautesten schreien, über alle anderen entscheiden können. Sie besteht darin, dass diejenigen, die in der Mehrheit sind, respektieren, dass die Interessen und Meinungen von Menschen in der Minderheit ebenso eine Existenzberechtigung haben und darum geschützt werden müssen. Egal ob eine Partei die Bezeichnung FPÖ oder einen anderen Namen trägt: Mit einer Partei, die gegen Minderheiten hetzt, gibt es für eine SPÖ, die sich nicht selbst verraten will, keine Schnittmengen.
Mit der FPÖ – ganz abgesehen von den fundamentalen ideologischen Verwerfungen in den grundlegendsten Bereichen – ist kein Staat zu machen, auch wenn mancherorts die Zusammenarbeit mit der FPÖ in gewissen Bereichen (z.B. Verkehr oder Kanaldeckel) zumindest sachlich funktionieren mag. Eine Partei, die sich darauf beschränkt, auf politische Herausforderungen populistische Antworten zu geben, stellt sich selbst ins Abseits.
Die FPÖ wird nicht ausgegrenzt. Sie nimmt sich selbst aus dem Spiel.
Es steht der SPÖ daher besser an, sich besser auf sich selbst zu konzentrieren. Noch mag dieser Satz ein wenig realitätsfremd wirken:
Aber mein Ziel ist es sowieso, eines Tages über eine absolute Mehrheit zu verfügen. (Christian Kern)
Das ist die Ansage jenes Menschen, den die SPÖ in Bälde zu ihrem nächsten Bundesparteivorsitzenden wählen wird. Der Satz war sicher nicht als Spaß gedacht.
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