Harold Lunde (Bjørn Sundquist) und seine Gattin Marny (Grethe Selius) sind die Besitzer eines Möbelgeschäfts, das den ganzen Ort seit 40 Jahren mit Qualitätsmöbel versorgt. Ihr ganzer Stolz ist ein Sessel-Modell, mit feinstem Stoff aus Italien, das noch immer wie vor 400 Jahren in sorgfältiger Handarbeit hergestellt wird. Das Leben ist gut zu den beiden, bis Ikea kommt und alles kaputt macht.
Der norwegische Regisseur Gunnar Vikene borgt sich für Kill Billy (original Titel: Her er Harold) die weltgrößte Möbelkette und setzt sie in einen durchaus brisanten Kontext. Die „Großen“ überrollen die „Kleinen“ ohne Rücksicht auf Verluste. Ein Rahmen, der im weiteren Film bedauerlicherweise keinerlei Rolle mehr spielt.
Zurück zur Handlung: Ein paar Monate nach Eröffnung der Ikea-Filiale ist es um das Lebenswerk der Lundes geschehen. Die Lundens können der Konkurrenz nichts entgegensetzen. Weil sich Marnys geistiger Zustand zudem rapide verschlechtert, will Harold sie in einem Altersheim unterbringen. Sie stirbt jedoch, bevor sie in ihr neues Zuhause einziehen kann. Harold sieht sein Leben zerstört und versucht sich im Selbstmord, der allerdings misslingt. Als gebrochener Mann schmiedet er einen Plan: Er will Rache an Ikea, genauer an dessen Gründer Ingvar Kamprad (Björn Granath). Richtig geplant hat Harold seine Rache nicht. Er setzt sich einfach in sein Auto und fährt ins Abenteuer. Auf dem Weg besucht er seinen Sohn, zu dem er scheinbar eine eher gefühlslose und distanzierte Beziehung hat und der mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen hat.
In Schweden trifft Harold bald die sechzehnjährige Ebba (Fanny Ketter), die er im Auto mitnimmt und deren Lebensbürde ihre alkoholkranke Mutter ist. Zwischen Harold und Ebba entwickelt sich eine Art Freundschaft, wodurch Ebba in die Entführung Kamprads involviert wird. Wie diese letztendlich abläuft sei nicht verraten. Kamprad fühlt sich als Entführungsopfer gar nicht so unwohl, wie man annehmen könnte und Harold weiß bald selbst nicht mehr, was er eigentlich so genau will.
Der anfängliche Hauch von Sozialkritik weicht schnell mehreren Statements des Ikea-Gründers, die zwar nichts am persönlichen Leid Harolds ändern, für uns Zusehende die Situation allerdings relativieren. „Ich habe allein in Schweden 10.000 Arbeitsplätze geschaffen!“, erklärt Kamprad dem gescheiterten Harold und damit uns Zuschauenden. Man bekommt fast den Eindruck, als wolle uns der Film erklären, dass die blau-gelbe Marke ja eigentlich eine ganz feine Sache sei und mehrmals kam mir der Vergleich zur Google-Propaganda-Komödie Prakti.com (im Original: The Internship), auch wenn Kill Billy keinesfalls zu einem solchen Werbefilm ausartet. Amüsant ist Kill Billy zwischenzeitlich dennoch immer wieder, was vor allem an den eigenwillig liebenswerten Charakteren liegt. Hitzige Wortgefechte und Witze liefern sich die Figuren zumindest in der soliden deutschen Synchronfassung keine. Lustig ist Kill Billy auf Grund zahlreicher skurriler Situationen und den Reaktionen von Harold, Kamprad und Ebba. Eine Rache-Orgie im Stil von Kill Bill ist Kill Billy trotz der Namensähnlichkeit im deutschen Titel keinesfalls. Obgleich der Film die Erwartungshaltung in Sachen Sozialkritik nicht erfüllt, kann man ihn auf filmischer Ebene immerhin als Gegendarstellung zu den Größen des Rache-Films betrachten. Von Hollywood bis nach Japan fesseln Rachegeschichten immer wieder das Kinopublikum. Kill Billy nimmt das Thema als Rahmenhandlung, geht darin aber ganz eigenwillige Wege durch das verschneite Skandinavien und das ist, obgleich es dem Film teilweise ein bisschen an Zugkraft fehlt, eine nennenswerte Errungenschaft.
Kill Billy
(Original-Titel: Her Er Harold)
Regie: Gunnar Vikene
Drehbuch: Gunnar Vikene
Soundtrack: Janove Ottesen
Cast: Bjorn Sundquist, Björn Granath, Fanny Ketter, Grethe Selius…
Laufzeit: 95 Minuten
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 24.06.16 (AT)