Geschichte

Das „Manhattan-Projekt“: Der Bau der ersten Atombombe

posted by Alexander Neunherz 6. August 2016 0 comments

Zwei Atombomben löschten am 6. und am 9. August 1945 die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki aus. Selbst heute, mehr als 70 Jahre danach, lässt sich das Leid der Zivilbevölkerung nicht in Worte fassen. Wo die Sprache versagt, hilft Statistik – so sagt man jedenfalls. In den beiden Städten hielten sich zum damaligen Zeitpunkt mehr als 600.000 Menschen auf – nach den Abwürfen starben bis Jahresende rund 200.000 von ihnen durch Verstrahlung oder sonstige schwerwiegende Verletzungen.

Wo die Sprache versagt, hilft Statistik – so sagt man jedenfalls.

Das atomare Unheil begann Jahre zuvor in einem der entlegensten Gebiete der USA unter dem Decknamen „Manhattan-Projekt“. 1942 entstand in Los Alamos County im Bundesstaat New Mexico eine der ersten Anlage für die Kernwaffenforschung. Der Kontakt zur Außenwelt war für die zehntausenden Wissenschaftler_innen und Techniker_innen nur über ein anonymes Postfach in Santa Fe möglich. Als wissenschaftlicher Leiter des “Los Alamos National Laboratory” fungierte Robert Oppenheimer, ein theoretischer Physiker deutsch-jüdischer Abstammung.

Robert Oppenheimer und General Leslie R. Groves am “Trinity”-Testgelände. [Public Domain]

Die Zielrichtung der Anlage war von Anfang an eine militärische. General Leslie R. Groves räumte vor Ort alle Schwierigkeiten aus dem Weg, um den Bau der Bombe nicht zu verzögern. Groves, für seine organisatorischen Fähigkeiten bekannt, war bereits zuvor maßgeblich am Bau des Pentagon beteiligt gewesen.

Als die Arbeiten in der Wüste von New Mexico begannen, war die Angst vor den Nazis die treibende Kraft. Wenige Jahre zuvor hatte der Chemiker Otto Hahn am „Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie“ in Berlin die Kernspaltung entdeckt. Die Angst war nicht unbegründet: Sollte Hitler diesen Vorsprung zu wissen nutzen, wären die weltweiten Folgen nicht abschätzbar.

Auch Albert Einstein, der 1935 in die USA emigrierte, zeigte sich in einem Brief an Franklin D. Roosevelt sehr besorgt über die Vorkommnisse in Nazi-Deutschland und warnte eindringlich vor “extrem starken Bomben eines neuen Typs”. Im Originaltext hieß es:

“This new phenomenon would also lead to the construction of bombs, and it is conceivable – though much less certain – that extremely powerful bombs of a new type may thus be constructed. A single bomb of this type, carried by boat and exploded in a port, might very well destroy the whole port together with some of the surrounding territory.” Albert Einstein

Der Appell des berühmten Physikers wurde von der US-Regierung gehört und das Manhattan-Projekt aus der Taufe gehoben. Einstein wird später sagen, dass dieses Schreiben an Roosevelt der größte Fehler seines Lebens gewesen war.

Neben dem Standort in New Mexico nahm die zentrale Anlage für Urananreicherung in Oak Ridge im US-Bundesstaat Tennessee ihren Betrieb auf. Zu diesem Zeitpunkt waren die Auswirkungen der radioaktiven Strahlung in der Kernphysik noch kaum erforscht. Erste Tests fanden ohne die nötige Schutzkleidung statt. Die beiden Physiker Harry Daghlian und Louis Slotin waren die ersten Todesopfer, die bei naiv wirkenden Experimenten mit dem Leben bezahlen mussten.

“Wir wagen es, mit Kräften zu spielen, die bisher dem Allmächtigen vorbehalten waren.” General Leslie R. Groves, Kommandant des “Manhatten-Projekts”

Als am 6. Juni 1944 die Landung der Alliierten in der Normandie begann, war Hitlers Wehrmacht bereits am Rückzug. Ein knappes Jahr später konnte der Krieg in Europa beendet werden – zu früh für den Einsatz der Atombombe aus der amerikanischen Wüste.

Nach der Kapitulation Hitlerdeutschlands wurde fieberhaft nach Hinweisen auf das deutsche Nuklearprogramm gesucht, doch die Nazis hatten bis zuletzt die militärischen Möglichkeiten dahinter nicht erkannt. Das deutsche Atomprogramm bestand vor allem aus theoretischen Überlegungen. Testanlagen wie jene in Haigerloch bildeten die Ausnahme. Wohl auch deshalb, weil die Nazis die dahinterliegende “jüdische Physik” stets abgelehnt und nie richtig ernst genommen hatten.

Ein unterirdisches Atomlabor bei Haigerloch in Baden-Württemberg. [Public Domain]

Wenige Wochen nach Kriegsende fand in der Wüste von New Mexico dann der erste Atombombentest der Geschichte statt. Die wenigen Farmen in der Umgebung wurden nicht evakuiert, als am 16. Juli 1945 eine Plutoniumbombe mit einer Sprengkraft von 20.000 Tonnen TNT gezündet wurde. Der Test mit dem Codenamen “Trinity” war für die Wissenschaftler_innen ein voller Erfolg. Diese waren bei der Zündung rund neun Kilometer von der Bombe entfernt und “schützten” sich mit Sonnencreme und Sonnenbrillen.

Nach dem ersten erfolgreichen Test wurde ausgelassen gefeiert. Doch zu diesem Zeitpunkt waren die Geheimnisse des Manhattan-Projekts bereits verraten worden. Der deutsch-britische Kernphysiker Klaus Fuchs lieferte den Bauplan nach Moskau. Josef Stalin befahl umgehend den Bau einer eigenen Atombombe.

9. August 1945: Die atomare Wolke über Nagasaki. [Public Domain]

Drei Wochen später legten die beiden Atombomben “Little Boy” und “Fat Man” Hiroshima und Nagasaki in Schutt und Asche. Hunderttausende Menschen starben, vor allem an den Spätfolgen der radioaktiven Strahlung. Japan kapitulierte am 2. September 1945, damit war auch der Zweite Weltkrieg offiziell zu Ende. Kenneth Bainbridge, Leiter des Testversuchs “Trinity”, sollte aber bereits vorher sagen: “Jetzt sind wir alle Hurensöhne.”

Titelfoto: Vorbereitungen für den “Trinity”-Test [Public Domain]

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