Politik

Ein „Bürgerkanzler“ und sein Wunsch-Präsident

posted by Jutta Moser-Daringer 18. August 2016 0 comments

Ein Kommentar zur FPÖ.

Sperren die, wenn sie in die Regierung kommen, Mauthausen wieder auf?

Ja, Norbert Hofer ist ein bekennender Burschenschafter. Ja, diese Burschenschaft ist deutschnational und will die Republik Österreich nicht anerkennen. Ja, man darf laut Gerichtsurteil zu Norbert Hofer „Nazi“ sagen, weil sich die FPÖ nicht ausdrücklich vom nationalsozialistischen Gedankengut distanzieren will, zumindest wenn das Urteil rechtskräftig wird. Ja, es gibt viele „Einzelfälle“, die belegen, dass innerhalb der FPÖ rechtsextremes Gedankengut kein Tabu ist. Sind deshalb alle FPÖ-Wähler_innen Nazis? Sperren die, wenn sie in die Regierung kommen, Mauthausen wieder auf? Wird Norbert Hofer mit seiner Ankündigung „ihr werdet schon sehen, was alles möglich ist“ die Verfassung aufkündigen und sich selbst zum „Imperator“ ernennen?

“Ihr werdet schon sehen, was alles möglich ist”
(Norbert Hofer)

Natürlich nicht! Nur leider ist es in Österreich schon fast Tradition: Jedes Mal, wenn ein „brauner Rülpser“ aus dem Lager der FPÖ kommt, hört man von der „Linken“ in Österreich reflexartig „Nazis“ und wird auf die Geschehnisse im zweiten Weltkrieg verwiesen. Das ist grundsätzlich nicht falsch und ich will das auch nicht verurteilen, aber es ist meiner Meinung nach zu kurz gegriffen und verkennt das eigentliche Problem. Die FPÖ ist nicht nur eine Partei rechts der Mitte sondern vor allem und in erster Linie eine rechtspopulistische und antidemokratische Partei. Genau das macht sie auch so gefährlich.

Populismus statt Problemlösung

Rechtspopulistische Parteien müssen ihre Wähler_innen nicht von ihren Lösungsansätzen oder Zukunftsvisionen überzeugen. Warum auch? Es gibt ja für jedes Problem eine einfache Lösung und vor allem auch einen „Schuldigen“, der sich schnell finden lässt. Im Normalfall finden sich diese „Schuldigen“ dann meist in  gesellschaftlichen Randgruppen, die ohnehin keiner hören will. Da kann es dann ganz schnell gehen, dass der Arbeitslose, der verzweifelt auf Jobsuche ist, als „Sozialschmarotzer“ abgestempelt wird. Genauso schnell, wie die Menschen, die aus Kriegsgebieten geflüchtet sind, zum Teil alles verloren haben, als  „Vaterlandsverräter“, die „zu feige sind, sich um ihre Frauen und Kinder zu kümmern“ bezeichnet werden.

Im Großen und Ganzen achten populistische Parteien aber darauf, keine konkreten Aussagen zu treffen. Das kann man am Beispiel der FPÖ gerade beobachten: Vor dem BREXIT-Referendum in Großbritannien war der ÖXIT durchaus ein Thema für die FPÖ. Hätten die Populist_innen in Großbritannien verloren, wäre es wahrscheinlich das Hauptwahlkampfthema der FPÖ im dritten (!) Präsidentschaftswahlkampf. Die Populist_innen haben aber dank Versprechen, die sie nicht halten können, wie etwa jenes, dass die bisherigen EU-Beiträge 1:1 ins Gesundheitssystem fließen werden, das Referendum für sich entschieden. Der Schock ist groß und nachdem keiner so richtig abschätzen kann, was das jetzt bedeutet, muss auch die FPÖ wieder zurückrudern. Man habe sich ja nie gegen die EU ausgesprochen, heißt es dann. Man wolle die Fehlentwicklung der EU halt aufhalten, heißt es dann. Eigentlich könne man ja die EU nur von innen verändern, heißt es dann.

Populismus am Beispiel Europa

Das muss ich kurz weiter ausführen, weil es halt doch einfach amüsant ist. Gut, die FPÖ war nicht immer gegen die EU, das muss man schon anerkennen. Sie waren meist halt dann gegen die EU, wenn die Regierungsparteien sich dafür ausgesprochen haben. Würden sich alle Parteien in Österreich gegen die EU stellen, dann wage ich zu behaupten, die FPÖ wäre die Europapartei schlechthin. Im Moment müssen sie halt den Spagat schaffen, zwischen dafür und dagegen. Für Populist_innen ist das aber kein Problem. H.C. Strache meinte unlängst in einem Interview, die EU müsse sich halt wieder auf ihre Kernkompetenz beschränken: Wirtschaftskooperationen. Alle anderen Politikbereiche müssten im nationalen Kompetenzbereich bleiben.

Das große Problem an der EU ist nämlich, dass sie bislang fast ausschließlich Wirtschaftskooperation betrieben hat

Wir können uns hier gerne das Beispiel Griechenland anschauen, Herr Strache! Es gibt viele Gründe, warum Griechenland in die Schuldenkrise gestürzt ist. Gerne wird da auch die Geschichte vom überbordenden Sozialstaat erzählt. Denn „da gehen die Leute ja mit 40 in Pension und bekommen sogar noch die Rente von der verstorbenen Oma“. Tatsächlich, es gibt effizientere und weniger effiziente Sozialstaaten. Wer aber deswegen die Frage stellt, ob wir uns den Sozialstaat leisten können, sollte sich auch die Frage stellen, ob wir es uns leisten können, keinen Sozialstaat zu haben.

Im Falle Griechenlands waren es jedenfalls in erster Linie Swap- und Derivatgeschäfte, die das Land in die Krise gestürzt haben und über die Rolle der Banken braucht man ja nicht reden. Sollte man aber! Vor allem, wenn man bedenkt, dass knapp 80 Prozent der Hilfsgelder für Griechenland wieder direkt an die Banken weiter gegeben werden, um unser Finanzsystem am Leben zu halten. Dass während dessen die Kinder- und Müttersterblichkeit in die Höhe schnellt, die Menschen hungern und das Gesundheitssystem zu kollabieren droht, braucht uns ja nicht zu kümmern. Sollte es aber!

Das große Problem an der EU ist nämlich, dass sie bislang fast ausschließlich Wirtschaftskooperation betrieben hat. Dabei wäre ein klares Bekenntnis zu einem europäischen Sozial- und Wohlfahrtsstaat mindestens genauso wichtig, wie das Bekenntnis zum Binnenmarkt. Aktuelle und künftige Entwicklungen zeigen darüber hinaus, dass wir eine intensivere Zusammenarbeit in vielen politischen Bereichen brauchen. Terrorismusbekämpfung braucht z.B. die Vernetzung innerhalb Europas, die Zusammenarbeit der Polizei und der Geheimdienste. Aber wie gesagt, mit Problemanalysen und Lösungsansätzen muss sich eine rechtspopulistische Partei nicht herum schlagen. Das überlässt man den anderen Parteien!

Das Erbe der schwarz-blauen Regierung

Das wird vor allem dann zum Problem, wenn man doch irgendwann in Regierungsverantwortung kommt. Paradebeispiel in Österreich ist die Bilanz der schwarz-blauen Regierung. Unsere Gerichte werden wohl noch eine gewisse Zeit damit beschäftigt sein, alles aufzuklären, was da eigentlich so vor sich ging. Unsere Politiker_innen werden noch lange kämpfen müssen, um das Vertrauen ins politische System wieder zurückzugewinnen. Man denke nur an die Hypo Alpe Adria! Vor allem aber auch an die “tollen” Privatisierungen, die unter dem Motto „Mehr privat, weniger Staat“ durchgeführt wurden – BUWOG, Austria Tabak, Telekom. Staatseigentum wurde dabei weit unter Wert verkauft und die Untersuchungen zu den Vorwürfen der Schmiergeldzahlungen sind immer noch nicht zur Gänze abgeschlossen! Oder auch das tatsächlich tolle Fußballstadion in Klagenfurt, das satte 100 Millionen Euro gekostet hat und dessen Verfall man nun beobachten kann. Leider braucht es keiner.

Was man auch nicht vergessen sollte ist die erste große Reform der schwarz-blauen Regierung: die Pensionsreform. Kurz zusammengefasst bedeutet diese Reform für die heutigen und künftigen Generationen: Weniger Pension aber dafür länger arbeiten! Insofern ist die Forderung des ehemaligen FP-Ministers Hubert Gorbach schon sehr bemerkenswert. Der breiten Masse die Pensionsansprüche kürzen und zugleich eine Brutto-Pension von 11.000,– Euro für sich auch noch rückwirkend zu beanspruchen spricht wohl für sich.

Ja, die schwarz-blaue Regierung, die nicht müde wurde, das Null-Defizit zu propagieren, hat dem Staat einen nachhaltigen finanziellen Schaden hinterlassen.

Daher ist es für rechtspopulistische Parteien auch immer sehr schwierig an der Macht zu bleiben. Solange man auf die anderen schimpfen kann, ohne Lösungen zu präsentieren, kann man gut Wählerstimmen auf sich vereinen. Wenn man dann aber selbst Politik mitgestalten muss, wird es schwierig, wenn man keine Problemanalysen macht oder Lösungsansätze bietet.

Nicht weniger kritisch aber etwas schleichender ist da das Antidemokratische, was solche Parteien nun mal auszeichnet.

Antidemokratisch? “Niemals”…

Das ist das Problem des Populismus. Nicht weniger kritisch aber etwas schleichender ist da das Antidemokratische, was solche Parteien nun mal auszeichnet. Wie ich es wagen kann, die FPÖ als antidemokratisch zu bezeichnen, wo sie doch gerade als Verfechter der Demokratie durch das Land ziehen?

Da hat er Recht, der Herr Strache.

Ja, wo fang ich da nur an?Vielleicht mal bei unserem neuen Bundeskanzler Christian Kern. H.C. Strache wird nicht müde, zu betonen, dass der Kanzler nicht vom Volk gewählt wurde. Da hat er Recht, der Herr Strache. Man muss halt dazu sagen, dass ein Kanzler in Österreich auch nicht vom Volk gewählt wird. Das Volk wählt den Nationalrat. Der Nationalrat bestellt die Regierung. Wer von den Regierungsparteien für die Ministerposten und auch den Kanzlerposten entsandt wird ist immer noch Entscheidung der jeweiligen Partei.

Ja, Kern wurde nicht gewählt. Sehr wohl aber die Partei, die er vertritt. Wen die SPÖ zu ihrem Parteivorsitzenden macht, bleibt nun mal der Partei selbst überlassen. Auch das ist Demokratie.

Zugleich hat sich H.C. Strache auch ein neues Profilbild für Facebook machen lassen, wo er sich selbst als „Bürgerkanzler“ bezeichnet. Das sagt schon sehr viel über das Demokratieverständnis eines Parteivorsitzenden aus. Vor allem, wenn man bedenkt, dass H.C. Strache seit 2005, also mittlerweile seit elf Jahren (!) Parteivorsitzender ist und nicht eine einzige Wahl gewinnen konnte. Trotzdem bezeichnet er sich als Kanzler, halt als „Bürgerkanzler“.

Wahrscheinlich ist es auch diese, nennen wir es mal „Interpretation von Demokratie“, die dazu geführt hat, dass Norbert Hofer als einziger Kandidat bereits den Titel des Bundespräsidenten am Wahlplakat stehen hatte, bevor es noch ein erster Ergebnis gab.

Wenn die Wahl zur Qual wird

„passt scho“ oder „des moch ma scho“ und nicht zu vergessen „des wor scho oiwei so“

Gut, bei der letzten Bundespräsidentenstichwahl war es wirklich sehr knapp für die FPÖ. Aber das ist wohl mehr der Person Norbert Hofer zuzuschreiben, als der FPÖ oder H.C. Strache. Ein Umstand, der den amtierenden Parteiobmann der FPÖ natürlich nervös machen musste. So stand doch nach der Wahl die Frage im Raum, ob Norbert Hofer nicht der bessere, erfolgreichere Parteiobmann wäre als H.C. Strache.

Manipulationen wurden natürlich keine nachgewiesen, es gab ja auch keine.

Dank des Verfassungsgerichtshofurteils muss er aber gar nicht nervös sein. Österreich darf nämlich im Oktober zum dritten Mal zur Wahlurne schreiten, um einen Bundespräsidenten zu wählen. Der Prozess wurde öffentlich geführt, um ja transparent zu sein. Als ich las, welche „Vorwürfe“ hinsichtlich der Stimm-Auszählung kommuniziert wurden, musste ich unweigerlich an das typisch Österreichische denken: „passt scho“ oder „des moch ma scho“ und nicht zu vergessen „des wor scho oiwei so“. Manipulationen wurden natürlich keine nachgewiesen, es gab ja auch keine. Das Wahlergebnis wurde trotzdem aufgehoben, wobei sich mir immer noch die Frage stellt: Warum? Und wenn, warum dann nicht gleich die ganze Bundespräsidentenwahl wiederholen? Und alle anderen Wahlen auch?

Für die FPÖ ist zwar die Aufhebung der Wahl trotz fehlender Wahlmanipulation erfreulich. Dennoch wird sie nicht müde, den Eindruck der Wahlmanipulation weiter aufrecht zu halten. Muss sie auch, denn sie hat ja bereits angekündigt, auch bei der nächsten Stichwahl das Ergebnis anzufechten, sofern wieder irgendwelche „Hinweise“ in der Parteizentrale einlangen.

Mit der ORF-Wahl zeigt sich, dass es durchaus eine neue Strategie der FPÖ werden könnte. Alexander Wrabetz wurde zwar gewählt aber die FPÖ, in Persona Stiftungsrat Norbert Steger, will das Wahlergebnis so sicher nicht hinnehmen. Sie haben, und das sollte man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen, bereits die Ausarbeitung eines neuen ORF-Gesetzes in Auftrag gegeben, weil ohnehin nach dem 1. Jänner 2017 Neuwahlen stattfinden werden. Hat das die FPÖ jetzt ganz alleine für sich entschieden? Wieso auch nicht, sie hat ja bei der letzten Wahl als drittstärkste Partei immerhin 20,5 Prozent der Stimmen erreicht.

Foto: APA/Hans Klaus Techt

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