Politik

Und plötzlich war ich Bürgermeister:in

posted by Cedric Keller 27. Februar 2024 0 comments

Wenn das scheinbar Unmögliche plötzlich möglich wird – Teil 1

In Zeiten von Wahlkämpfen werden Ziele verfolgt und politische Träume gehegt. Das Ändern politischer Machtverhältnisse abseits absoluter Mehrheiten, die nur verwalten statt gestalten, ist vielerorts Antrieb von Menschen in der Politik: Etwas in den Gemeinden verändern, wenn zu lange Stillstand geherrscht hat. 2019 haben einige Gemeinden in Salzburg gezeigt, dass es gelingen kann, das scheinbar Unmögliche zu ermöglichen und politische Mehrheiten überraschend zu verändern. Ein Rückblick, der Wähler:innen und Kandidat:innen zur Bürgermeisterwahl am 10. März 2024 Mut machen darf.

Mattsee – die Überraschung im Flachgau

Als in der Gemeinde Mattsee die Auszählung der Bürgermeisterwahl 2019 die beiden Kandidaten der ÖVP und der SPÖ in die Stichwahl brachte, war die erste kleine Überraschung bereits geschehen: In jener Gemeinde, in deren Geschichte bis dahin ausschließlich konservative Bürgermeister das Sagen hatten, lag der SPÖ-Kandidat im ersten Wahldurchgang gegen Grüne und ÖVP nur 30 Stimmen hinter dem ÖVP-Mitbewerber. Doch die wahre Überraschung kam erst nach der Stichwahl kurz darauf: Mit 58,95 Prozent war Michael Schwarzmayr (SPÖ) mit gerade einmal 30 Jahren plötzlich Bürgermeister in Mattsee, in der Gemeindevertretung hatten die Sozialdemokrat:innen 3 Mandate dazugewonnen, die absolute Mehrheit der ÖVP gehörte somit der Vergangenheit an. „Damals ging für mich ein langgehegter Wunsch in Erfüllung, denn schon als Jugendlicher wollte ich Bürgermeister werden“, verrät Schwarzmayr, der am 10. März 2024 erneut kandidiert. Vor dem Wahlerfolg 2019 war er schon länger in Mattsee aktiv, etwa als Pfarrkirchenrat oder als Obmann-Stellvertreter im Tourismusverband. „Das Leben im Ort hat mich schon immer interessiert. Ich bin von Haus zu Haus gegangen, ich habe den Leuten zugehört. Das haben die Menschen in Mattsee gespürt, dass ich es ernst mit ihnen meine.“

Es ist unsere Stärke als Sozialdemokratie, mit Herz, Ohr und Hirn bei den Leuten zu sein, das zeichnet uns aus.“

Michael Schwarzmayr, Bürgermeister von Mattsee

Ob dieses Engagement auch ein Faktor für den Überraschungssieg war? „Die Menschen haben ein Gespür dafür, ob jemand ernsthaftes Interesse daran hat, im Ort etwas zum Positiven zu verändern. Mein Antrieb war es immer, mitgestalten und etwas erreichen zu können, das zählt in der Gemeindepolitik“, ist sich Schwarzmayr sicher. Darin liegt gewissermaßen das Geheimrezept des gelernten Bankangestellten, das er auch für 2024 als Schlüssel zum Erfolg sieht. „Wenn ich ein Ziel vor Augen habe, dann muss ich mich dafür einsetzen und darf mich nicht entmutigen lassen. Denn wenn ich es wirklich ernst meine und mich dafür stark mache, dann nehmen das die Menschen wahr. Es geht nicht um die verrücktesten Ideen, mit denen man Wahlen gewinnt, sondern darum, authentisch zu sein und um den Kontakt mit den Menschen. Es ist unsere Stärke als Sozialdemokratie, mit Herz, Ohr und Hirn bei den Leuten zu sein, das zeichnet uns aus.“ Ebenfalls wichtig für Schwarzmayr: Nicht den Besserwisser geben oder Angriffe gegen politischen Konkurrenz. „Authentisch sein und zuhören, das zählt.“

Straßwalchen – eine von nur zehn Bürgermeisterinnen in Salzburg

Schauplatzwechsel, 20 Autominuten entfernt in Straßwalchen: Eine ähnliche Geschichte erfahren wir aus der Flachgauer Marktgemeinde, wo sich 2019 der nächste unerwartete Wechsel der Bürgermeisterpartei ereignete. Seit fünf Jahren nun leitet Tanja Kreer (SPÖ) dort die Geschicke, nachdem sie sich in der Stichwahl mit rund 60 Prozent gegen die Konkurrenz der LIS (Liste Straßwalchen, eine Abspaltung der ÖVP) durchsetzte und damit für eine große Überraschung sorgte. Sie selber konnte es damals kaum glauben: „Das war schon ein besonderer Moment mit sehr viel Euphorie und Freude“, erinnert sich Kreer zurück. „Es war ein schönes Gefühl, in meiner Gemeinde etwas verändern und tun zu können.“ Auch in Straßwalchen finden sich in der Geschichte bis 2019 ausschließlich Bürgermeister der ÖVP. Diese halten zwar in der Gemeindevertretung nach wie vor eine knappe Mehrheit (9 Mandate für die ÖVP, die SPÖ kam bei den Wahlen 2019 auf 8 Mandate), der Gemeindevorstand wird dennoch von einer SPÖ-Politikerin geleitet. „Wir sind von Anfang an in gute Gespräche mit den anderen Parteien gekommen, das hat sich auch in der Gemeindevertretungsarbeit bemerkbar gemacht“, erzählt Kreer, die eine von nur zehn Bürgermeisterinnen im gesamten Bundesland Salzburg ist.

„Über den persönlichen Kontakt geht nichts drüber, das ist das wichtigste Gut, das wir haben.“

Tanja Kreer, Bürgermeisterin von Straßwalchen

Während 2014 die Ortsgruppe der ÖVP in zwei konkurrierende Listen gespalten wurde und der Bürgermeisterkandidat der SPÖ im ersten Wahlgang noch mit 15,1 Prozent der Stimmen scheiterte, wendete sich 2019 das Blatt dann mit Tanja Kreer. „Nachdem der amtierende Bürgermeister damals nicht erneut zur Wahl angetreten ist, haben wir die Umbruchsstimmung unter den Straßwalchnerinnen und Straßwalchnern genutzt. Das hat uns natürlich auch geholfen.“ Ähnlich wie ihr Amtskollege aus Mattsee hat auch sie eine klare Wahrnehmung von dem, was die Menschen in den Gemeinden brauchen und sich von der Politik wünschen: „Über den persönlichen Kontakt geht nichts drüber, das ist das wichtigste Gut, das wir haben.“ Eine Präsenz im Ort haben, bei den Menschen sein und ihnen zuhören, das zeichne gute Politik aus, ist sich Kreer sicher. Ein weiterer Faktor, der ihr und ihrem Team 2019 genützt hat: das Erzeugen eines positiven Klimas. „Man gewinnt eine Wahl nicht mit politischen Angriffen oder Grabenkämpfen. Es geht um eine gute Stimmung unter den Menschen, es geht um positive Bilder und Visionen“, erklärt Kreer. Politisches Hickhack oder ein Gesprächsklima der Angriffe und Konfrontationen sei nicht zielführend.

Veränderung ist möglich

Es sind Geschichten wie diese, die zeigen, dass politische Veränderungen, egal wie unrealistisch sie wirken mögen, immer möglich sein können. Gemeinden wie Mattsee oder Straßwalchen – neben vielen anderen, die in den nächsten Beiträgen erwähnt werden – haben gezeigt, dass absolute Mehrheiten oder jahrzehntelange Vorherrschaften von Parteien niemals in Stein gemeißelt sind. Progressive Politik, die auf die Bedürfnisse der Menschen eingeht und dabei elitärer Klientelpolitik keinen Raum gibt, wird immer notwendiger. 2024 ist das Jahr, in dem genau diese Chance erneut besteht, um diese Hoffnungen wahr werden zu lassen. Der 10. März wird Gewissheit bringen, in welchen Gemeinde es gelingt.

Lese hier Teil 2 der Serie “Und plötzlich war ich Bürgermeister:in”.

Das könnte sie auch interessieren