BURKAVERBOT
CONTRA
Dieser Kommentar ist Teil einer PRO & CONTRA Serie. Das Ziel besteht darin, inhaltliche Debatten gesellschaftlichen und politischen Themen zu fördern. Ein Beitrag von Julia Herr, der Vorsitzenden der Sozialistischen Jugend Österreich und ihrer Verbandssekretärin Sara Costa.
Der PRO-Beitrag zum Thema stammt von Ingrid Riezler-Kainzner.
Sie kommt einfach immer wieder: die Debatte rund um die Vollverschleierung.
Wieder kommen die selbsternannten Frauenschützer – dieses Mal in Form von Sebastian Kurz – und klären uns über den vermeintlich frauenunterdrückerischen Islam auf, der sich in diesem einen Stück Stoff ausdrückt. Sie erklären uns, dass das verboten gehört, weil – es sei ja ganz logisch – der Schleier unterdrücke halt Frauen, und in unserer vermeintlich super liberalen und absolut antisexistischen Welt, in der jeder Mensch gleichberechtigt lebt, wollen wir sowas nicht haben. Und dann klatschen alle Nicht-Betroffenen. Sie klopfen sich gegenseitig auf die Schulter. Gut haben sie heute wieder die Frauen geschützt!
Religionen sind Machtinstrumente
Ja, der Islam ist eine Religion. Und ja, Religionen sind Machtinstrumente, die dazu dienen, Herrschaftverhältnisse aufrecht zu erhalten. Ergo unterdrücken Religionen Frauen, weil unsere Gesellschaft Frauen unterdrückt. Und während ich das schreibe, höre ich schon die Gegenargumente: „Ja, aber der Islam unterdrückt viel schlimmer als wir!“. Alle, die sich das gerade denken, sollten sich vielleicht einfach mal mit einer Frau, die Schleier oder auch Kopftuch trägt, unterhalten. Man wird vielleicht feststellen, dass der Schleier und emanzipatorische Kämpfe für sie keine Gegensätze sein müssen, oder, dass ein Verbot sie in ihrer eigenen Wahl, zu leben, beschränken würde. Das Problem ist nur: Den Träger_innen wird nicht zugehört, ihre Interpretation der Debatte wird ignoriert. Dadurch sprechen ihnen die selbsternannten Frauenschützer ihr Urteilsvermögen ab.
Die Logik hinter dem Verbot der Vollverschleierung ist absurd
Die Logik, die hinter dem Verbot der Vollverschleierung steht, ist absurd. Gehen wir kurz davon aus, dass alle Frauen, die einen solchen Schleier tragen, dies allein tun, weil sie dazu gezwungen werden. Dann muss trotzdem klar sein, dass ein Verbot nicht dazu führen wird, dass die betroffenen Frauen plötzlich ohne Schleier auf der Straße herum laufen werden. Im Gegenteil: Frauen werden vermehrt in den privaten Bereich gedrängt und somit kein aktiver Teil der Gesellschaft sein können.
Selbstverständlich, einige Frauen werden den Schleier nicht freiwillig tragen, genauso wie einige dies sehr wohl machen. Gerade deshalb ist dieses Pauschalisieren in der aktuellen Debatte, in der die Frauenschützer zu wissen glauben, was Frauen wollen, so abstoßend. Die Werkzeuge, die Frauen, die zum Schleier gezwungen werden, brauchen, sind vielfältig – das Verbot ist aber keines davon.
Man könnte einfach aufhören, so zu tun, als wäre die Vollverschleierung das schlimmste Frauenunterdrückungsmittel unserer Zeit und stattdessen Sexismus endlich an seiner Wurzel packen. Man könnte zum Beispiel vernünftige Maßnahmen überlegen und umsetzen, damit Frauen und Männer endlich gleich viel verdienen. Man könnte sich anschauen, warum Frauen mit Migrationshintergrund auch am Arbeitsmarkt noch zusätzlich benachteiligt sind und sich überlegen, wie man das verhindert. Man könnte auch flächendeckend dafür sorgen, dass Kinder vernünftig betreut werden, damit Frauen nicht in Teilzeit arbeiten müssen, sondern tatsächlich die Wahl haben. Man könnte endlich österreichweit die Möglichkeit schaffen, einen kostenfreien Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. Man könnte Gewaltpräventionsmaßnahmen an Schulen einführen, denn noch immer ist jede fünfte Frau in Österreich von Gewalt betroffen. Gerade Frauen, die ein Kopftuch tragen, erleben verstärkt rassistisch motivierte Gewalt: Sie werden angepöbelt, angespuckt oder gestoßen und das auf offener Straße. Ein Kopftuchverbot wird keines dieser Probleme lösen – es löst nämlich absolut gar kein Problem und ist billiger Populismus, der irgendwann zu einer bitteren Wahrheit werden könnte.
Foto: Ludwig Seidl