Ein Kommentar.
“Österreich braucht Sicherheit“ – so lautete einer der Slogans der letzten FPÖ-Plakatserie zur Bundespräsidentschaftswahl, die Alexander Van der Bellen am 4. Dezember gewann. Was mit dem Begriff Sicherheit gemeint ist, wird deutlich, wenn man sich die Homepage der Freiheitlichen genauer ansieht: Dabei ist von Recht und Ordnung die Rede, von Heimatschutz, Sicherheitsexekutive und natürlich auch vom Asylthema. In den Programmen der anderen Parteien findet Sicherheit zwar in entschärfter Form Erwähnung, aber dennoch fast ausschließlich im Zusammenhang mit den Themen innere Sicherheit, Netzpolitik, Extremismus und der Exekutive.
In einer Gesellschaft, in der sich Wandel gefühlt immer schneller, unkontrollierbarer und daher auch weniger prognostizierbar vollzieht, braucht es eine alternative Besetzung des Begriffs Sicherheit.
In einer Gesellschaft, in der sich Wandel gefühlt immer schneller, unkontrollierbarer und daher auch weniger prognostizierbar vollzieht, braucht es eine alternative Besetzung des Begriffs Sicherheit. Sicherheit bedeutet mehr als Stimmung zu machen gegen „die Anderen“. Wie können also die anderen Parteien diesen Begriff für sich gewinnen und damit wieder positiv besetzen?
Sämtliche Milieustudien und Befragungen zu Lebensentwürfen zeigen, dass sich das Schlagwort wie ein roter Faden durch die Haltungen und Einstellungen der Befragten zieht – egal, welcher Altersgruppe sie angehören. So auch eine europaweite Umfrage unter Jugendlichen, bei der sich der ORF beteiligte. Sie trägt den Titel „Generation what?“.Ein Viertel der 18 bis 34-Jährigen hat Angst vor der Zukunft und ist davon überzeugt, dass es der Nachfolgegeneration einmal schlechter gehen wird. Rund ein Drittel der berufstätigen Befragten zwischen 16 und 17 Jahren machen sich große Sorgen um ihre finanzielle Sicherheit.
“Welche Sorgen sollen diese jungen Menschen schon haben?”
So lautet möglicherweise die Frage aus einem Blickwinkel des Wohlstandes. Leider aber gibt es viel zu viele Antworten darauf. Ziehen wir zur Veranschaulichung ein Beispiel heran: Paula, 14 Jahre alt, steht kurz vor dem Abschluss der polytechnischen Schule und möchte nächstes Jahr eine Lehre im technischen Bereich beginnen. Sie hat lange überlegt, und obwohl sie eigentlich lieber Kosmetikerin werden möchte, hat sie sich dagegen entschieden, denn bereits in der Lehre werden Frauen mit der Einkommensschere zum anderen Geschlecht konfrontiert. Besonders jene Sparten, in denen junge Frauen vertreten sind, werden schlecht bezahlt. Zudem unterliegen Kosmetiker_innen in der Lehre keinem Kollektivvertrag, die Bezahlung ist an jene der Friseur_innen angelehnt.
Paulas* große Schwester musste ihre Lehre aufgrund einer Schwangerschaft abbrechen, auch das macht dem jungen Mädchen große Sorgen. Ihre Schwester hatte Glück, dass sie ein familiäres Netz hat, welches sie aufgefangen hat, sowohl finanziell als auch persönlich. Um Mädchen wie Paula solche Sorgen zu nehmen und ihnen die Sicherheit zu bieten, dass sie ihr Leben so gestalten können, wie sie wollen, braucht es endlich gerechte Bezahlung in Lehre und Beruf. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wäre Lohntransparenz, wie sie nun auch von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) in seinem Plan A gefordert wurde und in vielen Ländern (z. B. Schweden, Großbritannien, Norwegen) bereits der Fall ist. Doch noch weitere Maßnahmen braucht es dringend: Ein Recht auf Teilzeitlehre bei Schwangerschaft, die Verlängerung der Lehrzeit nach Geburt eines Kindes oder auch die Verhütung auf Krankenschein, wären erste wichtige Schritte. Hormonelle Verhütungsmittel könnten außerdem bis zum Abschluss einer Ausbildung von der Krankenkasse übernommen werden, ebenso Schwangerschaftsabbrüche. Konkrete Vorschläge und Maßnahmen, die auch – teilweise auf Länderebene – umsetzbar sind, können Frauen die Sicherheit geben, ihre Ziele zu verfolgen.
Für Paula bedeutet Sicherheit viel mehr, als diffuse Ängste auf bestimmte Gruppen zu übertragen: Die Sicherheit, das Leben nach den eigenen Vorstellungen gestalten zu können, sollte das Ziel unserer Parteien sein.
*Paula ist ein fiktives Beispiel. Ihre Sorgen sind jedoch für viele Mädchen in ihrem Alter Alltag.