Politik

Arbeitszeit: Verkürzen oder flexibilisieren?

posted by Daniel Winter 6. Oktober 2016 0 comments

Während in Österreich von der Wirtschaftskammer und der ÖVP gerade sehr offensiv auf den Zwölf-Stunden-Arbeitstag drängt, wird in Schweden in einem Modellversuch der Regelarbeitstag um zwei Stunden reduziert: auf sechs Stunden pro Tag.

Arbeitszeitverkürzung

Wer mehr als 60 Stunden arbeitet, riskiert seine Gesundheit. Vor allem geregelte Arbeitszeiten gelten als unabdingbar für die Gesundheit, aber auch die Qualität der Arbeit. Studien belegen, dass Menschen täglich ohnehin nur vier bis fünf Stunden in der Lage sind, konzentriert zu arbeiten. Mit Auswirkungen auf die Produktität, wie auch OECD-Daten bestätigen. Obwohl Frankreich bekanntlich eine Regelarbeitszeit von 35-Stunden hat, liegt das Land bei der Arbeitsproduktivität im europäischen Spitzenfeld vor Österreich oder Deutschland.

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Was die Statistik mit Zahlen sagt, wird nun auch bei einem Modellversuch in Schweden sichtbar. In der zweitgrößen schwedischen Stadt Göteborg starteten heuer mehrere Betriebe aus verschiedensten Branchen das Experiment, ihre Mitarbeiter_innen bei gleichem Lohn nur 30 statt 40 Stunden pro Woche arbeiten zu lassen. Und tatsächlich ist bereits nach wenigen Monaten klar ersichtlich, dass nicht nur die Zufriedenheit stieg, sondern auch die Krankenstände zurückgingen.

“I used to be exhausted all the time, I would come home from work and pass out on the sofa,” says Lise-Lotte Pettersson, 41, an assistant nurse at Svartedalens care home in Gothenburg. “But not now. I am much more alert: I have much more energy for my work, and also for family life.”
(Guardian-Interview mit einer profitierenden Arbeitnerhmerin)

Die teilnehmenden Unternehmen wiederum berichteten davon, dass sich die Maßnahme sogar positiv auf die Effizienz bei der Maschinennutzung ausgewirt habe. Manche berichten gar von steigenden Profiten um 25 Prozent. Im Falle zweier Altenheime ist das Experiment sogar durch eine Vergleichsgruppe untermauert. In einem der städtischen Altenheime wurden die Stunden reduziert, während sie im anderen gleich geblieben sind.

Rufe nach Flexibilisierung

Unterdessen wurden in Österreich in den vergangenen Wochen Rufe laut, die Arbeitszeiten zu flexibilisieren. Sowohl die Wirtschaftskammer, als auch die ÖVP fordern konkret, bei gleicher Regelwochenarbeitszeit die Höchstarbeitszeit pro Tag auf zwölf Stunden auszudehnen. Mit einer eigenen Kampagne wird suggeriert, dass die Flexibilisierung von Arbeitszeiten alternativlos sei und sowohl im Interesse der Arbeitgeber_innen, als auch jenem der Arbeitnehmer_innen sei.

 

Nachdem die Forderung vom ÖVP-Chef Reinhold Mtterlehner zur “prioritären” Sache erhoben wurde, spricht sich nun auch die Salzbuger ÖVP für den Zwölf-Stunden-Arbeitstag aus und begründet dies damit, dass die Menschen das wollen. Wurde zunächst vonseiten der ÖVP noch behauptet, dass die Menschen ebenso gerne auf die Überstundenzuschläge verzichten, kam diesbezüglich von Mitterlehner nun doch ein Rückzieher. Der Salzburger Landtagsabgeordnete Hans Scharfetter (ÖVP) unterbreitete nun jedoch den Vorschlag eines 2:3 Modells, bei dem Angestellte – freilich ohne Zuschläge – die 38 Wochenstunden an drei Wochentagen erledigen müssten. Argumentiert wird, dass Angestellte von solch einer Flexibilisierung ebenfalls profitieren würden, weil sie höhere Jobsicherheit und längere Freiheitsblöcke brächte.

Ein klares Nein zu solchen Forderungen kommt sowohl von der Arbeiterkammer Salzburg, als auch von der SPÖ. In einer ersten Stellungnahme bezeichnete AK-Präsident Siegfried Pichler regelmäßige Zwölf-Stunden-Tage gar als moderne Sklaverei: “Da steht ausschließlich Profitdenken im Vordergrund, der Mensch wird in den Hintergrund gedrängt.” Die Kritik der Arbeiterkammer: Was sich gut anhört, nämlich selbst gewählt manchmal auch zwölf Stunden zu arbeiten, um längere Freizeitblöcke zu haben, halte in der Realität nicht stand. Tatsächlich würde Flexibilisierung von Arbeitszeit vor allem unternehmerischen Interessen dienen. Die Arbeiterkammer beruft sich dabei auf eine österreichische Untersuchung, wonach der Anteil jener Beschäftigten, die zeitlich fremdbestimmt arbeiten, zunimmt. So gaben 53 Prozent der unselbstständigen Beschäftigten an, dass die Arbeitszeitgestaltung ausschließlich vom Arbeitgeber bestimmt wird.

“ÖVP lebt in der neoliberalen Vergangenheit”
(SPÖ-Landesgeschäftsführer Hannes Mathes)

Wie bereits Bundeskanzler Kern (SPÖ) am Montag in der ZIB1 lehnt auch die Salzburger SPÖ den Zwölf-Stunden-Arbeitstag ab, und reagierte gar mit einer Gegenforderung. “Während Studien und ein Versuch in Schweden klar belegen, dass wir eine Verkürzung der Arbeitszeiten brauchen, weil diese gesünder ist und mehr Produktivität bringt, lebt die ÖVP in der neoliberalen Vergangenheit. Über eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten können wir vielleicht reden, nachdem die 35-Stunden Woche umgesetzt ist”, versucht SPÖ-Landesgeschäftsführer Hannes Mathes der  Debatte eine andere Richtung zu geben und äußerte ähnliche Bdenken wie Siegfried Pichler: “Entgegen der Behauptungen würde der ÖVP-Vorstoß nicht mehr Freizeit bringen, sondern umgekehrt, den Unternehmen die Macht geben, zu bestimmen, wann Angestellte ihre Freizeit verbringen dürfen”.

Flexible Arbeitszeiten im Sinne der ÖVP bedeuten eine Lohnkürzung durch die Hintertüre.
(Walter Bacher, Abgeordneter zum Nationalrat)

Doch noch weitere Personen aus der Salzburger SPÖ sprachen sich gegen den Zwölf-Stunden-Tag aus und untermauerten ihre Ablehnung mit verschiedenen Beispielen. “Mit den Stunden, die für die die Fahrt von und zur Arbeit, zusätzlich zu den 12 Stunden Arbeitszeit nötig sind, sind Pendlerinnen und Pendler aus den Bezirken bis zu 16 Stunden unterwegs. Da wird kein Bus mehr fahren. Wie sollen die Leute dann mit den Öffis heim kommen, wenn es jetzt bereits kaum mehr möglich ist?“gab etwa Verkehrssprecher Gerd Brand (SPÖ) zu Bedenken.

Der sozialdemokratische Nationalratsabgeordnete Walter Bacher sieht in der ÖVP-Forderung in erster Linie den Versuch von indirekten Lohnkürzungen: „In der tourismusdominierten ländlichen Region wird auch jetzt schon mit den dazugehörigen Ausnahmeregelungen zwölf Stunden pro Tag gearbeitet, aber mit den entsprechenden Zuschlägen. Flexible Arbeitszeiten im Sinne der ÖVP bedeuten eine Lohnkürzung durch die Hintertüre. Gerade im Pinzgau sind wir jetzt schon Schlusslicht im durchschnittlichen Einkommensvergleich. Der geforderte Zwölf-Stunden-Tag  würde die Kaufkraft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiter senken und den Alltag am Land zusätzlich erschweren. Dabei spreche ich noch gar nicht von fehlenden Kinderbetreuungsplätzen oder entsprechenden Angeboten im öffentlichen Verkehr für Zwölf-Stunden-Arbeitstage.

“Wie stellt sich das die ÖVP vor, wenn die arbeitenden Eltern mit der derzeitigen, oft unflexiblen und teils teuren Kinderbetreuung konfrontiert werden? Soll dieser unausgereifte Vorschlag nur für Männer Gültigkeit haben, während deren Frauen zuhause auf die gemeinsamen Kinder aufpassen? Oder soll die Vereinbarkeit von Familie und Beruf so ausgestaltet sein, dass beide Elternteile gleichberechtigt für die Familie da sein und einer Arbeit nachgehen können“, fragt auch die SPÖ-Landesfrauenvorsitzende Ingrid Riezler-Kainzner. Die SPÖ Frauen fordern schon seit längerem eine Angleichung der Arbeitszeiten auf 28-35 Studnen, damit es eine gerechte Aufteilung unbezahlter Arbeit in der Familie und im Haushalt geben könne. “Das würde wirkliche Flexibilität für Familien bringen”, so Ingrid Riezler-Kainzner.

Brauchen wir den Zwölf-Stunden-Tag?

Im europäischen Vergleich gibt es für die These, dass es in Österreich flexiblere Arbeitszeiten bräuchte, keinen Beleg. Internationale Rankings stufen Österreich als durchwegs flexibel ein. Bereits jetzt bietet das österreichische Arbeitszeitgesetz eine Reihe von Möglichkeiten zur Arbeitszeitflexibilisierung auf betrieblicher Ebene. Grundlage dafür ist allerdings jeweils das beidseitige Einvernehmen zwischen Arbeitgeber_in und Arbeitnehmer_in. Ohne Zweifel hat der Ruf nach Flexibilisierung der Arbeitszeiten seinen Reiz. Genauso wie die Arbeitswelt, gestaltet sich auch das private Leben flexibler. Ob Zwölf-Stunden-Tage ohne finanzielle Entschädigung aber tatsächlich die Flexibilität der Arbeitnehmer_innen fördern, sei dahingestellt.

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