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Hacksaw Ridge

posted by Johannes Mayrhofer 6. Februar 2017 0 comments

Ich unterhielt mich einmal mit jemandem, der den Bürgerkrieg erlebt hatte und davor geflohen war. Wir waren in einer friedlichen Ortschaft in der Steiermark und er kam nicht aus dem Nahen Osten wie die meisten Flüchtlinge heutzutage, sondern aus jenem Krieg, der vor nicht allzu langer Zeit in unserer Nachbarschaft tobte. Eine Bekannte, die ebenfalls am Gespräch beteiligt war, fragte ungläubig und mit der Naivität der Wohlbehüteten, wie man nur andere Menschen töten könne? Soweit eine berechtigte Frage, wie mir schien. „Ich habe Straßen mit Flüssen aus Blut gesehen. Ich habe zerfetzte Kinder im Dreck liegen gesehen. Wenn ich meinen Nachbarn sehe und ein Messer habe, steche ich ihn sofort ab.“, war seine Antwort. Sein Gesichtsausdruck wurde dabei so ernst und seine Augen so kalt, dass ich noch heute Gänsehaut bekomme, wenn ich nur daran denke. Im Übrigen war er ein netter und lustiger Kerl, der in diesem kleinen und friedlichen Ort in einem Restaurant dafür sorgte, dass wir, die wir den Krieg nur aus den Geschichten unserer Großeltern kennen, nach einem langen Wintersport-Tag unser ‚Schnitzal mit Erdöpfisalot’ auch auf einem sauberen Teller bekommen. Damals wurde mir klar, wie anmaßend es ist, über den Krieg zu sprechen, ohne ihn erlebt zu haben. Das gilt für mich und das gilt insbesondere für Mel Gibson, der auf seinem Regiestuhl üblicherweise ein paar Menschen mehr erreicht als ich mit meinen Texten.

Hacksaw Ridge heißt sein neuester Streich, der für sechs Oscars nominiert ist. Vorweg sei zu sagen: Hacksaw Ridge ist besser als befürchtet, hinterlässt aber dennoch gemischte Gefühle. Der Film beruht auf der wahren Geschichte des Militärsanitäters Desmond Thomas Doss (1919 – 2006), der sich als überzeugter Sieben Tage Adventist weigerte, zu töten. Seiner Ansicht nach war der Krieg nämlich keine Ausrede, um gegen das fünfte Gebot zu verstoßen. In der Schlacht um Okinawa (1945) geriet seine Einheit unter schweren Beschuss. Am ersten Tag rettete Doss im Alleingang etwa 75 Soldaten das Leben. Er wurde als erster Soldat, der aus moralischen Gründen keinen einzigen Schuss abgefeuert hat, mit der Medal of Honor ausgezeichnet.

Entgegen meiner Befürchtung hat Mel Gibson – der dafür bekannt ist, das Christentum manchmal etwas zu übereifrig zu vertreten – mit Hacksaw Ridge keinen filmischen Kreuzzug hingelegt. Religion ist ein wichtiges Thema im Film und schon die erste Szene, die das Ende des Films vorweg nimmt, legt Bibelzitate über Rauch, Feuer und Explosionen und dennoch ist im ganzen Film klar, dass es sich nur um die Überzeugung von Desmond Doss (Andrew Garfield) handelt.
Nach der einleitenden Schlachtszene springt der Film zurück in Desmonds Jugend. Wir sehen ihn als Jungen mit seiner Familie. Wir sehen seinen Vater (Hugo Weaving), einen gewalttätigen Trinker, dessen Psyche am ersten Weltkrieg zerbrach. Wir sehen seine erste große Liebe (Teresa Palmer) und natürlich sehen wir auch den Ehering vor der ersten angedeuteten Sexszene, bevor Desmond in den Krieg muss. Gesündigt wird in Virginia nämlich (unter Mel Gibsons Regie) nicht. Die erste Hälfte des Films zeigt das schöne, friedliche und manchmal auch etwas traurige Landleben in Virginia und die militärische Grundausbildung, während der Desmond für seinen Glauben und seine Überzeugung oft angefeindet wird. Die Inszenierung mag dabei etwas kitschig und verklärend geraten sein, sie ist jedoch niemals langweilig.

Auch aus dramaturgischer Sicht ist die erste Hälfte äußerst wichtig, denn durch das verträumte Leben in Virginia trifft uns der Krieg später mit umso heftigerer Wucht. Gerade noch spazieren die Soldaten den Strand entlang und erfreuen sich daran, die amerikanische Heimat bald (in Japan?) verteidigen zu dürfen, als der erste Schuss fällt. Ein Soldat wird in den Kopf getroffen, kurz darauf zersiebt eine weitere Salve seinen Körper. Hacksaw Ridge setzt in diesen Momenten glücklicherweise nicht auf die oftmals überstrapazierte Zeitlupe. Dieser erste Tote ist mit einer solchen zeitlichen Präzision inszeniert, dass uns innerhalb von Sekunden die gesamte Brutalität des Krieges einholt. Generell beweist Mel Gibson in Hacksaw Ridge erneut, dass er sein Handwerk hinter der Kamera versteht. Hacksaw Ridge bietet brillante Schauspieler (Schauspielerinnen sind eher nebensächlich), eine gelungene Inszenierung, eine tolle musikalische Untermalung und ein Drehbuch, das den eigentlich positiven Gesamteindruck leider trübt.

Während ich dem Drehbuch die plumpe Darstellung der Japaner als homogene Monstermasse verzeihe, da ich es durchaus legitim finde, einen Kriegsfilm aus einer bestimmten Perspektive zu inszenieren, ärgert es mich ziemlich, dass mich der Film immer wieder für dumm verkaufen möchte. Wie wir alle wissen, sind neben Anton Tschechow auch viele Drehbuchschreiberinnen und Schreiber (im Falle von Hacksaw Ridge sind es die Herren Robert Schenkkan und Andrew Knight) der Ansicht, dass ein Element, beispielsweise ein Gewehr, das in einem Stück gezeigt wird, später wieder aufgegriffen und benutzt werden muss. Hacksaw Ridge übertreibt die Verwendung vom Tschechow Gewehr. Ohne viel über den Schluss des Films zu verraten, sei gesagt: Wenn im ersten Akt von Hacksaw Ridge etwas passiert oder gezeigt wird, wird es mit Sicherheit später nochmal aufgegriffen. Dadurch wirkt der gesamte Film letzten Endes übertrieben künstlich und konstruiert. Auch hätte es dem Film nicht geschadet, wenn zwei oder drei Szenen, die unseren Helden Doss zu heroisch zeigen, geschnitten worden wären. Zu guter Letzt zitiert das Drehbuch mehrmals auch andere bekannte Filme, von Fury über Full Metal Jacket bis zum Hobbit (!!!).

Die Schwächen im Drehbuch führen dazu, dass am Ende der Eindruck bleibt, man hätte gerade Pearl Harbor mit besseren Schauspielerinnen und Schauspielern gesehen.

Hacksaw Ridge erzählt die Geschichte eines außergewöhnlichen Kriegshelden und es scheint mir völlig legitim, diesem ein filmisches Denkmal zu setzen. Hacksaw Ridge ist trotz ziemlich brutaler Szenen kein Antikriegsfilm. Kameradschaft und Heldentum stehen im Vordergrund, der Krieg wird nicht hinterfragt, sondern als Notwendigkeit erachtet. Für die Freiheit der USA muss Japan in Grund und Boden gebombt werden. Hacksaw Ridge überzeugt vor allem technisch und schauspielerisch auf ganzer Linie. Die Schwächen im Drehbuch führen aber dazu, dass am Ende der Eindruck bleibt, man hätte gerade Pearl Harbor mit besseren Schauspielerinnen und Schauspielern gesehen. Hacksaw Ridge hätte mit seiner religiösen Hauptfigur und seinem religiösem Regisseur viel schlimmer ausfallen können. Das mittelmäßige Drehbuch verschenkt jedoch viel Potential. Hacksaw Ridge droht – wie so viele amerikanische Kriegsfilme – in seinem eigenen Pathos zu ertrinken. Egal, die Amis werden dafür sicherlich den einen oder anderen Goldjungen springen lassen.

Hacksaw Ridge
Dt. Titel:
Hacksaw Ridge – Die Entscheidung
Regie: Mel Gibson
Drehbuch: Robert Schenkkan, Andrew Knight
Soundtrack: Jóhann Jóhannsson
Cast: Andrew Garfield, Sam Worthington, Luke Bracey, Vince Vaughn, Teresa PalmerLaufzeit: 139 Minuten
FSK: ab 16
Kinostart: 26.01.17 (AT)

Die Bilder stammen von der offiziellen Homepage des Films.

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