Glyphosat ist spätestens seit März 2015 den meisten ein Begriff. Damals hat die Internationale Krebsforschungsagentur der WHO (IARC) festgestellt, dass das Unkrautvernichtungsmittel potentiell krebserregend ist. Die EU-Kommission will jedoch aufgrund eines Gutachtens die Zulassung für Glyphosat um zehn Jahre verlängern – das Gutachten steht unter dem Verdacht, zu industrienahe zu sein. Österreichs Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter hat sich bei der letzten Abstimmung über die Zulassung von Glyphosat im Juni 2016 enthalten. Gesundheitsministerin Rendi-Wagner hat ihn aufgefordert, diesmal mit „Nein“ zu stimmen – wie er sich entscheiden wird, bleibt offen.
Glyphosat ist das weltweit meistgenutzte Unkrautvernichtungsmittel. Es wird seit Mitte der 70er Jahre in der Landwirtschaft, in der Industrie, im Gartenbau, aber auch in Privathaushalten eingesetzt. Das Mittel ist in über 160 Ländern zugelassen. In Deutschland etwa werden 40 Prozent der Agrarflächen damit behandelt. Monsanto vertreibt das Herbizid unter dem Namen „Roundup“ und hat damit seit den 70er Jahren Umsätze in Milliardenhöhe gemacht. Kein Wunder also, dass ein Monsanto-Lobbyist sogar behauptet, man könne Glyphosat gefahrlos trinken. Ob Glyphosat tatsächlich krebserregend ist, ist nicht eindeutig belegt. Eindeutig ist jedoch, dass die Chemikalie einen massiv negativen Einfluss auf die Artenvielfalt hat.
EU-Kommission will Glyphosat für weitere 10 Jahre zulassen
Die EU-weite Zulassung für Glyphosat ist bereits am 30. Juni 2016 ausgelaufen. Damals konnten sich die Mitgliedstaaten – nicht zuletzt auch aufgrund des Gutachtens der IARC vom März 2015 – nicht auf eine weitere Verlängerung der Zulassung einigen. Österreich, vertreten durch ÖVP-Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter, hat sich damals gemeinsam mit Deutschland und fünf weiteren Staaten der Stimme enthalten. Nur Frankreich und Malta stimmten dagegen. Daraufhin verlängerte die EU-Kommission die Zulassung provisorisch bis Ende 2017, um bis dahin zu bewerten, ob das Mittel tatsächlich krebserregend ist.
Diese Bewertung lieferte im März 2017 schließlich die europäische Chemikalienagentur Echa. Glyphosat sei weder krebserregend, noch weise es erbgutverändernde oder fortpflanzungsschädigende Eigenschaften auf. Allerdings könne das Unkrautvernichtungsmittel zu schweren Augenverletzungen führen und sei giftig für Tiere und Pflanzen, die in Gewässern leben. Das allein ist für die EU-Kommission aber noch kein Anlass, der Chemikalie die Wiederzulassung zu verweigern, im Gegenteil: die EU-Kommission gibt grünes Licht für weitere zehn Jahre Glyphosat.
Europäische Chemikalienagentur eng mit Industrie verstrickt
Ganz anders sieht das die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Sie meldet massive Bedenken an der Einstufung durch die Echa an. Es besteht, so Greenpeace, ein Interessenskonflikt bei einigen Mitgliedern des Ausschusses für Risikobeurteilung der Echa. Der Vorsitzende des Ausschusses habe in der Vergangenheit Beratungsleistungen für die Industrie zur Risikobewertung von Substanzen erbracht. Zwei weitere Mitglieder hätten für Forschungsinstitute gearbeitet, die sich unter anderem durch Industrie-Aufträge finanzieren. Außerdem stütze sich das Gutachten der Echa auf Studien, die von der Industrie durchegführt und bis heute der Öffentlichkeit nicht vollständig zugänglich gemacht wurden.
Mehr als 800.000 Menschen teilen offenbar die Bedenken der Umweltschutzorganisation. So viele haben nämlich bereits das BürgerInnenbegehren „Glyphosat stoppen“ unterzeichnet. Und es werden täglich mehr.
Wird sich Ruprechter wieder enthalten?
Die Faktenlage zu Glyphosat ist jedenfalls ein umkämpftes Feld. Fakt ist jedoch, dass in der EU das Vorsorgeprinzip als Teil des gemeinsamen Unionsrechts gilt. Und das allein würde reichen, um das Mittel aus dem Verkehr zu ziehen. Denn das Prinzip besagt, dass Produkten der Marktzugang verwehrt werden kann, wenn aufgrund einer vorläufigen wissenschaftlichen Risikobewertung begründeter Anlass zur Besorgnis besteht, dass negative Folgen für Gesundheit von Mensch, Tier oder Umwelt eintreten könnten – was für Glyphosat jedenfalls zutrifft.
Nun ist es an den Mitgliedstaaten, über die weitere Zulassung von Glyphosat innerhalb der EU zu entscheiden. Denn die EU-Kommission hat die Zulassungsverlängerung nur als einen Vorschlag eingebracht und will die Mitgliedstaaten entscheiden lassen. Für die Wiederzulassung von Glyphosat bis 2027 braucht es eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten. Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner fordert ein „Nein“ Österreichs auf EU-Ebene. Sie wünscht sich eine klare Positionierung von Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter gegen die Glyphosat-Zulassung. Zuletzt hat sich Rupprechter enthalten, während sich Frankreich und Malta dagegen aussprachen. Die Entscheidung über die Wiederzulassung wird voraussichtlich erst im Herbst fallen. Wie Landwirtschaftsminister Rupprechter agieren wird, bleibt weiter abzuwarten.
Dieser Artikel wurde zuerst hier veröfffentlicht.