Stadt Salzburg, Erzdiözese und Arbeiterkammer präsentieren Maßnahmenpaket
Die Situation in den Kindergärten und Kleinkindgruppen ist österreichweit angespannt. Für öffentliche und private Träger von Kinderbetreuungs-Einrichtungen ist es zunehmend schwierig geworden, genügend qualifiziertes Personal zu finden. Ein Problem ähnlich dem „Pflegenotstand“ zeichnet sich ab, weil der Bedarf an Betreuung steigt, es aber nicht ausreichend Personal gibt. Auf dieses Problem weisen der für Kinderbetreuung zuständige Bürgermeister-Stellvertreter Bernhard Auinger, Erzdiözesen-Schulamtsdirektor Erwin Konjecic, AK Salzburg-Präsident und ÖGB-Landesvorsitzender Peter Eder und die Leiterin des Kindergartenreferats der Stadt Salzburg, Monika Baumann, hin. „Die Ausbildung muss auf eine möglichst breite Basis gestellt werden“, sind sich alle einig.
Personalmangel trifft öffentliche und private Träger gleichermaßen
Die Stadt Salzburg als größter öffentlicher Träger und die Erzdiözese als privater Träger von Kindergärten und Kleinkindgruppen sind von der Problematik gleichermaßen betroffen. Die Thematik reicht aber weit über Stadt und Bundesland Salzburg hinaus. „Das Thema betrifft nicht nur Salzburg, sondern alle Bundesländer. Auch im „Österreichischen Aufbau- und Resilienzplan“, welcher der Europäischen Kommission kürzlich übermittelt wurde, wird explizit auf den Mangel an Elementarpädagog*innen hingewiesen“, erläutert Auinger. Dieser Plan hat zum Ziel, die europäischen Mitgliedstaaten beim Wiederaufbau nach der Corona-Krise zu unterstützen und strukturelle Zukunftsfelder in den EU-Mitgliedstaaten zu attraktiveren. Auinger weiter: „Ich hoffe, dass es hier auch wirklich Gelder von Seiten der EU fließen werden, damit die Problematik landesweit und langfristig behoben werden kann.“
AK-Präsident Peter Eder spricht die Notwendigkeit zusätzlicher Landes- und Bundesförde-rungen an: „Den Status des ,Mangelberufes´, welchen die Sparte in der Vergangenheit auf Landes- und Bundesebene hatte und vom AMS mittels Förderungen für Schulungen entsprechend unterstützt wurde, gibt es seit 2014 nicht mehr. Diese geförderten Schulungen wären aber gerade jetzt enorm wichtig, um noch mehr Menschen für den elementarpädagogischen Beruf zu begeistern.“ Wir sehr sich die Situation für die Trägerorganisationen zugespitzt hat, erläutert der Schulamtsdirektor der Erzdiözese Salzburg, Erwin Konjecic: „Für unsere 21 Kinderbildungs- und – betreuungseinrichtungen werden inzwischen zwölf Elementarpädagog*innen in Voll- und Teilzeitanstellung gesucht. In den Kindergärten, für deren Personal höhere Anstellungs-anforderungen gelten, sind die Auswirkungen des Personalmangels besonders stark spürbar. Für eingruppige Kindergärten bedeutet diese Situation, dass die Einrichtung im schlimmsten Fall vorübergehend oder ganz geschlossen werden muss. Die Gründe für den Personalmangel und die Fluktuationen im Personalstand sind sehr unterschiedlich, weshalb es notwendig ist, in mehreren Bereichen Maßnahmen zu setzen. Unter anderem ist die Erzdiözese derzeit gemeinsam mit allen Verantwortlichen des Landes und der Stadt Salzburg bemüht, den Fortbestand der Privaten Bildungsanstalt für Elementarpädagogik (BAfEP) in Salzburg zu sichern.“
Zahl der Elementarpädagog*innen nimmt zu – Zahl der Kinder steigt schneller
Aufgrund der sich verändernden Arbeitswelt benötigen immer mehr Familien eine flexible Betreuung. Monika Baumann vom städtischen Kindergartenreferat rechnet vor: „Vor allem die Steigerung der Kleinkindgruppen (unter 3-Jährige), zeigt den erhöhten Bedarf an Betreuungspersonal. Seit 2018 gibt es im Bundesland Salzburg eine Zunahme von 375 Kindern in 53 neuen Kleinkindgruppen. Jede Kleinkindgruppe benötigt wie jede Kinder-gartengruppe 1,5 bis 2 Pädagog*innen. Die Anzahl der Kinder – acht – ist aber wesentlich geringer als in Kindergärten – 22 “. Auinger ergänzt: „Viele Frauen wollen rasch nach der Karenz wieder ins Berufsleben einsteigen, oft weil dies auch vom Arbeitgeber erwartet wird. Die Folge ist ein erhöhter Bedarf an flexibler Kinderbetreuung, der aber bundesweit kaum mehr gedeckt werden kann.“
Arbeiterkammer-Präsident Peter Eder führt aus: „Seit 2018 ist das Personal in Kinderbetreuungs-Einrichtungen im Bundesland Salzburg um 420 Posten gestiegen. Trotz dieses Anstiegs kann der steigende Bedarf an ausgebildeten Pädagog*innen kaum gedeckt werden. Zahlreiche Gemeinden stehen vor Problemen, da sie oft Schwierigkeiten haben, die rechtlichen Grundlagen für die Kinderbetreuung in Kleinkindgruppen und Kindergärten zu erfüllen.“
Ausbildung auf breite Basis stellen und stärker bewerben
Um dem Mangel entgegenzuwirken, schlagen Auinger und Eder ein Maßnahmenpaket vor, um wieder mehr Menschen für den Beruf Elementarpädagogik zu begeistern und auch dort langfristig zu halten. „Um mehr Menschen für den Beruf zu begeistern, müssen wir auch die Ausbildungsmöglichkeiten auf eine möglichst breite Basis stellen. Der Beruf wird ja auch oft als Berufung angesehen. Es entscheiden sich auch viele im zweiten Bildungsweg für die Elementarpädagogik. Speziell für diese Zielgruppe müssen wir den Zugang zu hochwertiger Ausbildung erleichtern“, erklärt Auinger.
Kindergartenhelfer Patrick Schrattenecker hat genau diesen Weg bestritten und führt aus: „Ich hatte eigentlich immer schon den Wunsch, mit Kindern zu arbeiten, habe mich damals aber für eine Kochlehre entschieden. In diesem Job war ich aber nie wirklich glücklich. Die pandemiebedingte schwierige Zeit für die Gastronomie hab ich als Chance gesehen und ein Praktikum in einem Kindergarten gemacht. Nach nur zwei Stunden wusste ich, dass ich das beruflich machen will. Nach dem Praktikum habe ich die Studienberechtigungsprüfung gemacht und absolviere derzeit das BAfEP-Kolleg. Parallel arbeite als Helfer im Kindergarten Stadtwerk Lehen.“ Öffentliche und private Träger hoffen, dass viele weitere Männer diesem Beispiel folgen, damit sich noch mehr Männer für den Beruf begeistern und damit auch alte gesellschaftliche Rollenbilder aufgebrochen werden.
Das Maßnahmenpaket sieht folgende Punkte vor:
- Zusätzliche Ausbildungsförderungen für Schulungen durch das AMS: Ausbildungsförderungen, die es bereits bis 2014 gab, um Quereinsteigern, Personen im zweiten Bildungsweg und Alleinerziehenden eine fachgerechte Ausbildung zu ermöglichen, wären österreichweit ein wichtiger Schritt. Diese Ausbildungen/Schulungen befähigen ein Arbeiten als Pädagog*in einer Kinderbetreuungseinrichtung. Handlungsbedarf liegt hier beim zuständigen Bundesministerium für Arbeit und beim AMS. Die eben beschlossene neue Liste der Fachkräftestipendien durch den AMS-Verwaltungsrat sieht auch Elementarpädagogik vor. Das ist zwar ein erster guter Schritt, aber leider ist die Liste der Ausbildungsformen sehr kurz, und noch dazu befristet. Tertiäre Ausbildungen und der Bereich der Sonderpädagogik sind leider völlig ausgenommen. Hinsichtlich eines Fachkräftemangels ist das ein Wermutstropfen.
- Mehr Männer für den Beruf begeistern: Der Anteil an Männern im Beruf ist leider nach wie vor mit 2 Prozent im Bundesland Salzburg sehr gering. Pädagogisch wäre eine größere Balance der Geschlechter bei den Betreuer*innen aber sehr sinnvoll. Der Beruf muss daher auch für Männer attraktiver werden. Gerade über den zweiten Bildungsweg besteht die Chance, das pädagogische Personal noch vielseitiger zu besetzen, in dem man Expertisen wie zum Beispiel hand-werkliche Kenntnisse aus vorherigen Berufen auch in den Kinderbetreuungs-Einrichtungen nützt. Das ist gleichermaßen im Sinne von Gemeinden, Land und Bund. Zusätzlich ist hier das Bildungsministerium gefordert, die Lehrpläne für die Bundesbildungsanstalt für Elementarpädagogik diverser und damit auch für die Ausbildung (junger) Männer attraktiver zu gestalten.
- Zugang zum Bachelorstudium Elementarpädagogik öffnen und anerkennen: Bereits seit 2018 gibt es an der Pädagogischen Hochschule Salzburg ein Bachelorstudium Elementarpädagogik. Jedoch sind dafür nur Absolvent*innen der BAfEP zugelassen. Dieses Studium sollte man für alle Maturant*innen – vorbehaltlich zusätzlicher Pflichtpraktika – öffnen, um noch mehr Interessent*innen anzusprechen. Hier ist konkret das Bildungsministerium gefordert.
- Neuen Lehrgang Elementarpädagogik in Salzburg ermöglichen: Wien, Niederösterreich und das Burgenland haben auf den Mangel an Elementarpädagog*innen reagiert und bieten an vier Pädagogischen Hochschulen einen eigenen Hochschullehrgang an. Speziell für Quereinsteiger*innen aus anderen Bildungs-berufen ist diese Möglichkeit attraktiv. Das Bildungsministerium ist hier gefragt, die Angebote auf weitere Bundesländer zu erweitern.
- Ausbau der Kapazitäten an der BAfEP: Das Interesse an der Ausbildung im BAfEP-Kolleg ist groß. Die Kapazitäten für mehr Kollegklassen sind aber begrenzt. Deswegen gibt es bereits Gespräche, um adäquate zusätzliche Räumlichkeiten zu finden. Im Zuge der Umsiedlung der BAfEP ist ein Ausbau an Kolleg-Plätzen voranzutreiben. Die Verweildauer im Beruf ist gerade hier wesentlich höher als über den klassischen Schulweg der BAfEP.
- Aufwertung und zusätzliche Bewerbung des Jobs: Es braucht eine generelle stärkere Bewerbung, Aufwertung und Sichtbarmachung des Berufs auf allen Ebenen. Das Gehalt wurde zwar in den letzten Jahren verbessert, die wichtige Rolle von Elementarpädagog*innen und die dazugehörigen Ausbildungs-möglichkeiten müssen aber noch stärker im Bewusstsein der Menschen verankert werden. Der gute Betreuungsschlüssel in der Stadt Salzburg wird durch das neue Gesetz verankert für das gesamte Bundesland. Nötig sind Kampagnen auf allen Ebenen.
Abschließend halten alle unisono fest: „Nur wenn private Einrichtungen mit Stadt, Land, Bund, der Europäischen Union und sämtlichen Sozialpartner*innen gemeinsam alle Hebel in Bewegung setzen, kann man dem Bedarf an qualitativ gut ausgebildeten Elementarpädagog*innen gerecht werden.“