Aus der Serie “120 Jahre SPÖ Salzburg”:
Die Anfänge der Salzburger Arbeiter_innenbewegung [Teil 1 / Teil 2]
Bei den Reichsratswahlen 1901 errangen die Sozialdemokrat_innen im Kronland Salzburg weitere Stimmenzuwächse, wenngleich es durch das ungerechte Wahlsystem nicht gelang, einen Sitz im Abgeordnetenhaus zu erringen. Immerhin entfielen etwa in Saalfelden zwei Drittel der abgegebenen Stimmen in der fünften Kurie auf den sozialdemokratischen Kandidaten. Auch in Bischofshofen konnte man mehr als die Hälfte aller Stimmen in der allgemeinen Wählerklasse auf sich vereinigen. Lediglich in der Stadt Salzburg war der Wahlausgang – mit Ausnahme von Itzling – enttäuschend.
Österreichweit erreichte die sozialdemokratische Partei jedoch bemerkenswerte Erfolge, so zogen etwa Karl Seitz und Engelbert Pernerstorfer in den Reichsrat ein. Auch Victor Adler sollte noch im Laufe dieser Legislaturperiode als Abgeordneter angelobt werden.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnten die Sozialdemokrat_innen in Salzburg bereits auf eine starke Organisation bauen, wie ein vollständiges Verzeichnis aus dem Jahr 1901 belegt:
„Daraus geht hervor, daß es neben dem ‚Allgemeinen Arbeiter- und Gewerkschaftsverein‘ mit seinen zahlreichen Ortsgruppen zwölf eigene Fachvereine der verschiedenen Arbeitergruppen gab, einen ‚Sozialpolitischen Volksverein für Stadt und Land Salzburg‘, der eine Organisation vor allem der Eisenbahner war, außerdem den Arbeiter-Sängerbund Salzburg, den Buchdrucker-Gesangverein ‚Typographia‘, den Eisenbahner-Gesangverein ‚Flugrad‘, Arbeiter-Radfahrvereine in Salzburg und Hallein, eine Zentralbibliothek der Gewerkschaftsvereine, eine zentrale Arbeitsvermittlung und Arbeiterherberge in Salzburg und einen Arbeitsnachweis für Arbeiter aller Berufe in St. Johann. In diesem Jahre war auch ein Verein ‚Arbeiterheim‘ gegründet worden […].“ [1]
Daneben wurden auch kulturelle Aktivitäten gefördert. Auf Initiative des „Allgemeinen Arbeitervereines“ bot der Salzburger Kunstverein Mitgliedern von sozialdemokratischen Organisationen den Besuch von Ausstellungen zu stark reduzierten Preisen an. Im Stadttheater wurden wiederum eigene Aufführungen für Arbeiter_innen ins Leben gerufen. Den Beginn machte etwa ein Stück von Otto Ernst mit dem Titel „Flachsmann als Erzieher“.
Die sozialdemokratische Partei formiert sich
Im Jahr 1902 verabschiedeten die Sozialdemokrat_innen auf ihrer Landeskonferenz ein neues Organisationsstatut. So wurden eigene Bezirks- und Ortsorganisationen gegründet und in der Stadt Salzburg weitere sieben Sektionen geschaffen. Bei der 1. Mai-Feier im selben Jahr nahmen bereits über 800 Genoss_innen am Festzug teil.
1. Mai-Feier in Saalfelden, 1902. [Quelle: Bauer Ingrid (Hg.), 100 Jahre Sozialdemokratie.
Von der alten Solidarität zur neuen sozialen Frage. Wien 1988, S. 1.]
Bei der Landtagswahl im Jahr 1902 kandidierten Sozialdemokraten in zahlreichen größeren Städten und Gemeinden des Landes. Zuvor hatte der Landtag eine Reform des Wahlrechtes aber abgelehnt – so blieb der größte Teil der Salzburger Arbeiterschaft weiterhin vom Wahlrecht ausgeschlossen. Wählen durfte demnach nur, wer mindestens acht Kronen direkter Steuer entrichten konnte. So gelang es abermals nicht, einen sozialdemokratischen Kandidaten in den Landtag zu entsenden.
Doch auch die Lage am Arbeitsmarkt machte den Sozialdemokrat_innen große Sorge. Die „Salzburger Wacht“ schrieb dazu im Jahr 1903:
„Die Arbeitslosigkeit mit all ihren schrecklichen Begleiterscheinungen tritt immer offenkundiger und fühlbarer zutage. Ganze Transporte halb verhungerter, schlecht gekleideter Proletarier werden von Polizisten und Gendarmen tagtäglich der modernen Staatsfürsorge, dem Schubwagen, überliefert.“ [2]
In der Folge kam es in der Stadt Salzburg sowie in Saalfelden, Lend, Zell am See, St. Johann und Hallein zu großen Versammlungen, in denen gegen die Untätigkeit der Regierung protestiert wurde.
Im Herbst 1903 konnte dann ein großer Erfolg gefeiert werden: Jakob Viehauser, frisch gewählter Bürgermeister von Dienten, ging als erstes sozialdemokratisches Gemeindeoberhaupt im Land Salzburg in die Geschichte ein.
Wie stark sich die Sozialdemokrat_innen in Salzburg entwickelt hatten, zeigen auch diese beiden Zahlen. Beteiligten sich am 1. Mai 1902 noch rund 800 Genoss_innen am Festzug in der Stadt Salzburg, waren es ein Jahr später bereits mehr als 1.600. Auch in Hallein, Mühlbach und Lend wurden beispielsweise Feiern organisiert.
Der große Wahlschwindel von 1904
Die Gemeinderatswahl in der Stadt Salzburg brachte für die Sozialdemokratie am 16. März 1904 einen großen Wahlerfolg im dritten Wahlkörper mit sich. Wahlberechtigt war dort, wer mindestens acht Kronen an direkten Steuern entrichten konnte. Die Genossen Jakob Prähauser, Hans Rattey, Michael Dobler und Thomas Bratuscha konnten dabei mehr Stimmen auf sich vereinen als die Kandidaten des „Salzburger Bürgerklubs“. Die „Klerikalen“ waren in der Wählergunst weit abgeschlagen. In der Salzburger Wacht stand daraufhin zu lesen:
„Es fehlen uns tatsächlich die Worte, die unserer Freude und Genugtuung, unserem Stolz über das herrliche Wahlresultat vom Mittwoch so recht innigen Ausdruck verleihen könnten. ‚Ein Hieb den Feinden bis ins Mark!‘ Das wars, was wir der Bürgerklub-Sippe an diesem Mittwoch versetzten! Wir sind heuer in Bezug auf die für unsere Kandidaten abgegebenen Stimmen den Bürgerklublern vorausgeeilt und nur etliche 50 Stimmen fehlten uns zur absoluten Majorität.“ [3]
Die Ernüchterung folgte jedoch bei der darauffolgenden Stichwahl, als sich die Bürgerlichen mit Hilfe der Klerikalen gegen die sozialdemokratischen Kandidaten durchsetzen konnten. Dies geschah freilich nur durch massive Zugeständnisse des Bürgerklubs:
„Die Bürgerklub-Wahlmacher mußten Konzessionen machen und zwar sehr weitgehende. Die wichtigsten davon sind wohl die, daß 1. den Klerikalen bei den nächstjährigen Wahlen einige Mandate überlassen werden und 2. daß die Jahressubvention per 6000 K der Stadtgemeinde Salzburg an den katholischen Universitätsverein auch in Zukunft dem gleichen Zwecke zugewendet wird.“ [4]
Diese massive Packelei im Hintergrund wurde scharf kritisiert und es folgte eine Wahlanfechtung beim Obersten Gerichtshof. Dieser erklärte die Gemeinderatswahl tatsächlich für ungültig und setzte für den 11. Dezember 1905 erneut Wahlen an.
Dort triumphierten abermals die Bürgerlichen, die jedoch nur aufgrund eines groß-angelegten Wahlschwindels ihre Mandate verteidigen konnten. So wurden beispielsweise Vollmachten für Verstorbene und nicht zur Wahl zugelassene Personen ausgestellt, die ihre Stimmen für den Salzburger Bürgerklub abgaben. Einige bürgerliche Funktionäre konnten daraufhin auch des Wahlschwindels überführt werden.
Titelfoto: Neue Glühlichter, Ausgabe vom 4. Juli 1906 (Seite 1), Steinocher-Archiv des Renner-Instituts Salzburg.
Quellen:
[1] Kaut, Josef (1982). Der steinige Weg. Geschichte der sozialistischen Bewegung im Lande Salzburg, Salzburg, S. 50.
[2] [3] [4] Sozialdemokratische Partei Salzburg (Hg.). Die Salzburger Wacht, gebundene Gesamtausgaben der Jahre 1903 bis 1905, Steinocher-Archiv des Renner-Instituts Salzburg.