Geschichte

Ungarn 1956: Der kurze Traum von Freiheit

posted by Alexander Neunherz 23. Oktober 2016 0 comments

Volksaufstand: Budapest am 25. Oktober 1956.
[Foto: FORTEPAN / Nagy Gyula // Quelle: Wikimedia Commons // CC BY-SA 3.0]


Es begann harmlos mit einer friedlichen Demonstration in Budapest. Student_innen der Technischen Universität gingen auf die Straße, um für Pressefreiheit und vor allem für freie und geheime Wahlen zu kämpfen. Die Aktion sollte Hoffnung auf eine baldige Demokratisierung des Landes machen. Und auf bessere Zeiten. Denn wie in den restlichen Ländern hinter dem „Eisernen Vorhang“ hatte Josef Stalin auch in Ungarn eine brutale Diktatur errichten lassen.
Ihm zur Seite standen moskautreue Hardliner wie Mátyás Rákosi. Der selbst ernannte “beste Schüler Stalins” hatte kurz zuvor erneut die Macht in Ungarn an sich gezogen und dabei den liberalen und unbelasteten Imre Nagy von der Spitze verdrängt. Tausende ungarische Staatsbürger_innen wurden während seiner kurzen Herrschaft ermordet oder eingesperrt.

Was nun an diesem 23. Oktober als Solidaritätsaktion mit den polnischen Arbeiter_innen begann, wuchs rasch zur Massendemonstration gegen die Herrschaft der kommunistischen Partei an. Rákosi und seine Truppe reagierten mit gnadenloser Härte. In den Abendstunden ließen sie bereits den verhassten Staatssicherheitsdienst auf die Demonstrant_innen schießen. Die so friedlich begonnene Kundgebung verwandelte sich daraufhin zum Straßenkampf. Den Einheiten der Staatssicherheit standen Arbeiter_innen und Student_innen gegenüber, die bald von breiten gesellschaftlichen Kräften unterstützt wurden.

“Auf blutige Weise war in Ungarn vorgeführt worden, dass die Regime, welche die Sowjetunion nach 1945 in Ostmitteleuropa errichtet hatte, zu Unrecht für sich in Anspruch nahmen, im Auftrag der Proletarier zu herrschen.” [1]

Am Morgen des 24. Oktobers tauchten dann auch erste sowjetische Panzer in Budapest auf. Der Ausnahmezustand war zu diesem Zeitpunkt bereits verhängt worden. Am selben Tag wurde Imre Nagy – auf dem die Hoffnungen der Aufständischen ruhte – zum Ministerpräsidenten ernannt. Neben Nagy wurde Oberst Pál Maléter, Befehlshaber einer Panzerdivision, zur wichtigen Symbolfigur des noch frühen Aufstandes. Als sich Maléter mit der Parole “Ungarn schießen nicht auf Ungarn” gegen die Sowjets wandte, wurde er so zum militärischen Führer des Widerstands.

Am 27. Oktober flauten dann die Kampfhandlungen zusehends ab. Die neue Regierung unter Nagy trug wesentlich dazu bei, schließlich erfüllte sie wichtige Forderungen der Aufständischen. Drei Tage später verkündete Maléter – inzwischen zum Verteidigungsminister aufgestiegen – den baldigen Abzug der sowjetischen Truppen aus dem Stadtgebiet von Budapest.

budapest-1956_02Vorübergehender Rückzug der sowjetischen Truppen am 31. Oktober 1956.
[Foto: FORTEPAN / Nagy Gyula // Quelle: Wikimedia Commons // CC BY-SA 3.0]

Innerhalb weniger Tage wurde so die kommunistische Einparteiendiktatur durch eine Mehrparteienregierung abgelöst. Politische Häftlinge, die Jahre zuvor in einem Schauprozess zu lebenslanger Haft verurteilt worden waren, kamen frei. Doch die Hoffnung währt nur kurz. Bereits am 31. Oktober beschloss die Sowjetführung eine neuerliche Militäraktion, welche einen Tag später bereits begann. Imre Nagy kündigte daraufhin den Austritt aus dem „Warschauer Pakt“ an und forderte erneut den Abzug der sowjetischen Besatzungsmacht.

Doch gegen die fremde Übermacht war nicht anzukommen. Am 4. November wurde der Befehl zum Generalangriff erteilt und Budapest dadurch erneut Schauplatz heftiger Gefechte und Auseinandersetzungen. Die Aufständischen wehren sich mit Molotowcocktails gegen Panzer und mussten letztendlich doch ihre Chancenlosigkeit einräumen. Tage später war alle Hoffnung im Keim erstickt.
Die Revolutionsführer, darunter auch Nagy, wurden verhaftet und exekutiert. Weitere Hinrichtungen folgten. Am 15. November war dann alles vorbei. Aus der ungarischen Bevölkerung waren 4.000 Todesopfer zu beklagen – 180.000 flohen nach Österreich. Vor seiner Hinrichtung wurde noch ein letzter Satz von Imre Nagy protokolliert: „Ich bitte nicht um Gnade.“

Quelle:
[1] Neue Zürcher Zeitung [Link öffnen]

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