Gesellschaft

I mog Lehen

posted by Anja Hagenauer 3. Juni 2016 0 comments

In Lehen leben einige meiner Freunde, unzählige Bekannte, ehemalige Schülerinnen, Kollegen. Lehen hat ganz viele Gesichter. Grüne Ecken, die Salzach, urbanes Wohnen, eine vielbefahrene Straße, Kultureinrichtungen, tolle Gastronomie und Geheimtipps!

Als ich heute in einem Österreich-Medium eine Geschichte über Lehen mit dem Titel „Die Salzburger Schmuddelecke“ las, war meine erste Reaktion:

I mog Lehen und Lehen und seine Menschen haben es nicht verdient als Schmuddelecke bezeichnet zu werden.

Natürlich ist Lehen nicht die fürsterzbischöfliche Altstadt mit ihren überwältigenden Sakralbauten und den riesigen Plätzen, die vom Reichtum der Kirche zeugen. Es ist auch nicht die Bürgerstadt mit ihren engen Gassen und vielen Geschäften, die früher Handwerksbetriebe waren und heute oft internationalen Ketten gehören. Durch Lehen schieben sich auch nicht abertausende Touristen mit den gezückten Smartphones und von sich gestreckten Selfiestangen.

In Lehen leben Menschen, die die Stadt am Laufen halten, Arbeiterinnen, Angestellte. Es gibt viele Kinder, aber auch alte Leute. Immer schon Einheimische und viele Zugezogene. Natürlich gibt es Ecken, die nicht schön sind. Die Wettbüros nerven ziemlich und gehören endlich auf ein Minimalmaß reduziert. Im Lehener Park verbringen viele Menschen ihre Freizeit, leider sind hier auch immer wieder Drogendealer unterwegs. Mit der neu eingerichteten Schutzzone gibt es eine weitere Maßnahme, um diese Form der Kriminalität zu bekämpfen. Und die Ignaz Harrer Straße ist keine klassische Flaniermeile ob des Durchzugsverkehrs, aber auch keine Ignaz Horror-Straße. Hier gibt es Salzburgs erste grüne Fassade und viele Geschäfte sind kleine Betriebe, die gute Kundschaft haben. Zum Beispiel meine Nachbarin Ayse mit ihrer Boutique und eines meiner Lieblingslokale mit hervorragendem japanischen Essen. Rund um die Stadtbibliothek hat sich ein neues Zentrum entwickelt. Und im viel kritisierten Stadtwerk arbeiten etliche Menschen, es gibt Bildungseinrichtungen und Kultur. Auch eines meiner Lieblingsprojekte, das Repair Cafe, hat hier seine Basis. Der erste Stadtteilgarten Lehens ist jetzt an der Salzach entstanden. Die Parkanlage beim Kraftwerk sucht ihresgleichen. Und wer rumänische, türkische, arabische oder bosnische Spezialitäten sucht, ist in Lehen richtig. Oder eine richtig kreative Torte? Manche sagen, es ist eine Kebapmeile. Ja, es gibt viele Kebapgeschäfte, halt für jeden Kebap-Geschmack etwas. Lehen ist ein dicht besiedelter Stadtteil, der ganz viel Vielfalt bietet. Lehen ist einer der Motoren der Stadt Salzburg und nicht die Schmuddelecke.

Am späten Nachmittag habe ich mir heute ein Stündchen Zeit genommen und bin durch Lehen spaziert, einfach um mich zu vergewissern, dass mein Lehen das reale Lehen ist, das vielfältige Lehen mit seinen schönen und hässlichen Ecken, wie das halt so ist, wenn Menschen zusammenleben. Schmuddelig war es nicht, sondern menschelnd, weil ich ständig Menschen getroffen habe, die ich kenne. Und ganz viel getratscht habe.

I mog Lehen und seine Menschen!

Dieser Beitrag wurde zuerst auf Zartbitter veröffentlicht.

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