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Fifty Shades Darker

posted by Johannes Mayrhofer 14. Februar 2017 0 comments

Prolog: Ursprünglich wollte ich an dieser Stelle über Hidden Figures schreiben. Jedoch wurde unser Kinobesuch durch das rüpelhafte Verhalten eines anderen Kinobesuchers so dermaßen gestört, dass ich mich kaum konzentrieren konnte und mich nicht in der Lage sehe, Hidden Figures vernünftig zu kommentieren. Was ich davon mitbekommen habe, schien mir aber sehr sehenswert. Shoutout an alle Leute, die sich gern halluzinogene Dinge vor oder während eines Kinobesuchs reinschmeißen: Wenn es dazu führt, dass ihr während der Vorstellung mit fiktiven Freunden sprecht, aufsteht, euch streckt, rülpst und euren Darmwinden freien Lauf lasst, unterlasst den Drogenkonsum bitte oder geht nicht ins Kino. Es stört andere, die ebenfalls 10-12 Euro gezahlt haben, ungemein.

Weil der einzige andere Film, den ich diese Woche gesehen habe, 50 Shades Darker ist, folgt nun ein möglichst rationaler und objektiver Text zur Fortsetzung der erfolgreichen Literaturverfilmung 50 Shades of Grey. (Anm.: diese hatte bei Produktionskosten von etwa 40 Millionen weltweit über 570 Millionen Dollar eingespielt.) Fragen wie „Was ist eigentlich Literatur?“ und „Ist 50 Shades of Grey Literatur?“ sollen an dieser Stelle nicht behandelt werden. Obgleich das Buch zweifellos vom Standpunkt der Literarizität zum Schlechtesten überhaupt in dieser Erfolgskategorie zählt, so ist die Frage, was eigentlich Literatur ist, in germanistischen Kreisen eine höchst umstrittene. Band 1 las ich aus Neugier, Band 2 verwarf ich nach etwa 20 Seiten. Die erste Verfilmung erschien mir aus mehreren Gründen gelungen. 50 Shades of Grey war bei weitem kein guter Film, aber es war eine gelungene Literaturverfilmung. Der Soundtrack war toll, die technische Umsetzung solide. Was man dem Film vorwerfen kann, kann man auch der literarischen Vorlage vorwerfen.

Kurz zusammengefasst: 50 Shades of Grey nahm seinen Ursprung als Fan Fiction zu Twilight (das aus literarischer Sicht ähnlich bedauerlich ist), durchbrach irgendwie die Blase der Twilight Fan Fiction Leserinnen und Leser, wurde in der überarbeiteten Fassung als Buch ein Bestseller und fügte sich schließlich nahtlos in die Reihe großer Erfolge wie Harry Potter, Twilight oder Hunger Games. Das ist – für sich betrachtet – eigentlich beeindruckend, handelt es sich bei den anderen Marken doch eher um Jugendbücher und bei 50 Shades of Grey um eine astreine Erotik-Fantasie.

Im ersten Teil verliebte sich die schüchterne und jungfräuliche Studentin Anastasia Steele (Dakota Johnson) in den jungen Milliardär Christian Grey (Jamie Dornan). Die Romanze wäre perfekt, würde Grey im Bettchen nicht auf die harte Tour stehen. Anastasia weiß nicht so recht, wie sie damit umgehen soll. Einerseits erregt es sie, andererseits findet sie, dass das Liebesspiel so nicht sein sollte und überhaupt ist Christian kontrollsüchtig und therapiebedürftig. Am Ende des Films bat Anastasia ihn, sie so fest zu schlagen, wie er nur wollte, weil sie seine Limits kennenlernen wollte. Obwohl er meinte, sie wäre noch nicht so weit, ließ er sich schließlich dazu hinreißen, versohlte ihr den Hintern, sie weinte und verließ ihn. Cliffhanger und Warten auf Teil 2: Fifty Shades Darker.

Fifty Shades Darker setzt ein, wo der erste Teil aufhörte. Anastasia ist solo, lenkt sich mit ihrem Job ab und versucht über Christian hinwegzukommen, dem sie als bald über den Weg läuft. Ich wünschte, ich könnte schreiben, jene Momente wären von einem Prickeln, einem Knistern und von erotischer Spannung zwischen Dakota Johnson und Jamie Dornan geprägt. Tatsächlich erinnern die eingefrorenen Gesichter hauptsächlich an die emotionale Einöde, mit der auch schon Kristen Stewart in Twilight ihre Karriere zwischenzeitlich an die Wand gefahren hat. Es dauert nicht lang, bis Anastasia wieder in Christians Penthouse residiert und sich weniger der Liebe und mehr der „kinky fuckery“ [sic!] hingibt. Um den mehr oder weniger erotischen Reigen mit ein bisschen Drama aufzumischen, steht plötzlich eine psychisch labile Ex-Freundin (Bella Heathcoat, besser in Neon Demon zu bewundern!) auf der Matte und fuchtelt dramatisch mit einem Revolver herum. Außerdem fühlt sich Anastasias Boss zu ihr hingezogen. Weil sie ihn aber abblitzen lässt, versucht er sie kurzerhand zu vergewaltigen. An dieser Stelle über die vermittelten Rollenbilder zu sprechen, erübrigt sich im Angesicht der katastrophal eindimensionalen Charaktere. Irgendwo im Internet stand: Wäre die Handlung von 50 Shades nicht in einem Penthouse, sondern in einem Trailerpark angesiedelt, es wäre kein Erotikmärchen sondern eine Criminal Minds Episode. Das fasst die Konstellation der Charaktere eigentlich gut zusammen.

Die Figuren, so sie überhaupt mehr als zwei Sätze sprechen dürfen, sind simpel gestrickt. Es fehlt ihnen jegliche Tiefe und es gelingt den Schauspielerinnen und Schauspielern kaum, zwischenmenschliche Spannung herzustellen. Das erkennt man nicht zuletzt daran, dass Waffengewalt oder ein lebensbedrohlicher Unfall notwendig sind, um auch nur einen Hauch von Dramatik aufkommen zu lassen.

Auch wenn das Drehbuch die eine oder andere Klimax (nicht im sexuellen Sinn!) konstruieren will, verflüchtigen sich diese dramatischen Szenen in unspektakulären Auflösungen, die zur eigentlichen Geschichte nichts oder kaum beitragen.

Ob man die angedeuteten Sexszenen nun erotisch findet, möge jeder für sich entscheiden. Es sei gesagt, dass es die eine oder andere Szene gibt, die für jene, die Sex als notwendiges Übel zur Erhaltung der menschlichen Rasse betrachten, dabei das Licht abdrehen und dann beichten gehen, durchaus einen unerhört frivolen Charakter haben dürfte. Man sollte sich aber zu jeder Zeit im Klaren sein, dass es sich dabei ursprünglich um die niedergeschriebene Sexfantasie eines Twilight-Fans handelt. 50 Shades hatte von sich aus niemals den Anspruch, die SM-Szene realistisch zu porträtieren. Es hatte nie den wissenschaftlichen Anspruch, korrekte psychologische Erklärungen für sexuelle Vorlieben zu liefern. Dieses Werk wollte vermutlich niemals ein tiefgründiges Beziehungsdrama sein und als die britische Autorin E.L. James zu schreiben begann, hatte sie wohl weder im Sinn, die Literatur zu revolutionieren noch einen Bestseller zu kreieren.

Die Handlung von Fifty Shades Darker ist euphemistisch als zweckmäßig zu betrachten. Die filmische Umsetzung überzeugt aber zumindest wie auch schon im ersten Teil auf technischer Seite. Die meiste Stimmung ist dabei dem erneut fantastischen Soundtrack von Danny Elfman zu verdanken, der von großartigen und meines Erachtens durchaus erotischen Popsongs garniert wird. Dramatik kommt kaum auf und wirkt wenn – wie auch schon im Vorgänger – gekünstelt und übertrieben. Sie passt nicht zur Geschichte, sondern existiert nur zum Selbstzweck. Dennoch denke ich, dass die Umsetzung der literarischen Vorlage auch diesmal gelungen ist, ohne dabei in die Pornografie abzudriften. Festzuhalten ist: Pornografie zu produzieren ist nicht die Aufgabe der Mainstream-Studios in Hollywood.

Man kann Bücher entweder sehr detailgetreu verfilmen (1984 aus dem Jahr 1984) oder sich weiter davon entfernen (Herr der Ringe). Beide Vorgehensweisen haben ihre Vor- und Nachteile. Alejandro Jodorofsky meint etwa in der Dokumentation Jodorofsky’s Dune, dass er vorhatte Frank Herberts Buch Dune zu vergewaltigen, um es sich anzueignen. Er wollte die Vorlage mit aller Macht zu seinem eigenen filmischen Werk transformieren. Ich stelle mir die Frage, ob das nicht bei Fifty Shades of Grey auch eine Option gewesen wäre? Der Drehbuch-Autor Niall Leonard hätte das Original einfach überarbeiten können und so manchen Figuren und dramaturgischen Bögen vielleicht etwas mehr Schichten verleihen können. Er entschied sich jedoch für eine Umsetzung nahe der Vorlage, was wohl auch damit zusammenhängen dürfte, dass er seit 1987 mit der Autorin E.L. James verheiratet ist.

Versucht man Fifty Shades Darker von ethischen, moralischen oder literarischen Standpunkten zu betrachten, jagt es einem schier einen kalten Schauer über den Rücken. Als Beobachter des Phänomens finde ich die Marke Fifty Shades of Grey aber spannend. Ich finde es äußerst amüsant, wie eine simple Erotikfantasie ohne jegliche Ambitionen nicht nur ihre konservativ-prüde Vorlage Twilight überholt, sondern selbst bombastische Bestseller wie Harry Potter in ihre Schranken verweist.

Außerdem sei bei all dem Meckern über Fifty Shades gesagt, dass Action-Blockbuster wie Fast and Furious, Resident Evil oder Transformers auch nicht intelligenter, besser gespielt oder tiefgründiger sind. Sie vermitteln ebenso falsche Rollenbilder und haben auch keine komplexeren Charaktere.

Der Unterschied ist: diese Marken sind nicht erst bei Teil 2. Sie haben alle bereits über fünf erbärmliche Fortsetzungen. Fortsetzungen in die das Publikum inklusive mir immer und immer wieder läuft  ohne jegliche ersichtliche Lernkurve. Wieso sollte es bei Fifty Shades anders sein? Es ist geradezu demaskierend, wie manche über Fifty Shades schimpfen, gleichzeitig aber voller Freude auf die nächste CGI-Explosions-Orgie warten. Es bleibt spannend, wie sich Fifty Shades Darker an den Kassen schlagen wird.

Fifty Shades Darker
Dt. Titel: Fifty Shades of Grey: Gefährliche Liebe

Regie: James Foley
Drehbuch: Niall Leonard
Soundtrack: Danny Elfman
Cast: Dakota Johnson, Jamie Dornan, Kim Basinger, Luke Grimes
Laufzeit: 118 Minuten
FSK: ab 16
Kinostart: 09.02.17 (AT)

Die Bilder stammen von der offiziellen Homepage des Films.

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