FreizeitPolitik

Europa hautnah erleben II

posted by Janine Heinz 3. April 2017 0 comments

Hier kann Tag 1 nachgelesen werden.

Straßburg – Tag 2

Der 29. März 2017 wird als historischer Tag in die Geschichte eingehen. An diesem Tag reichte die britische Premierministerin Theresa May die Austrittserklärung beim EU-Ratspräsidenten Donald Tusk ein. Großbritannien bleibt zwar weiterhin im Europarat, doch auch über Straßburg, wo dieser seinen Sitz hat, hing der weitere Schritt des Brexits wie eine dunkle Wolke am Himmel und sorgte für Fassungslosigkeit. Das war zumindest der Eindruck einiger Teilnehmer_innen an der SPÖ-Exkursion nach Straßburg, die von Gemeindevertreterverband (GVV), der Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter_innen (FSG) und Renner-Institut Salzburg unterstützt wurde.

Am zweiten Tag der Exkursion stand ein Besuch im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf dem ersten Programmpunkt. Die Grundlage der Arbeit des EGMR stellt die europäische Menschenrechtskonvention dar. Auf diese können sich alle Einwohnerinnen und Einwohner der 47 Mitgliedsstaaten des Europarats (Mehr zum Europarat und seinen Gremien: hier Artikel von Tag 1 verlinken) berufen und ihre Rechte einklagen. Dieser völkerrechtliche Vertrag bindet alle 47 Mitgliedsstaaten des Europarats daran, grundlegende zivile und politische Rechte ihrer Bevölkerung zu schützen. Voraussetzung zur Einklage dieser Rechte ist die vollständige Ausschöpfung aller nationalen Instanzen, das sogenannte Subsidiaritätsprinzip. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte setzt sich zusammen aus insgesamt 47 Richter_innen, einem bzw. einer aus jedem Mitgliedsstaat. Im Gespräch mit der Richterin aus Österreich, Dr.in Gabriele Kucsko-Stadlmayer, diskutierte die Salzburger Delegation spannende und hochbrisante Entwicklungen. Unter anderem tauschte man sich darüber aus, was passieren würde, wenn einer der Mitgliedsstaaten die Todesstrafe wieder einführen oder Folter legalisieren würde. Die Themen, die den EGMR beschäftigen, sind vielfältig: Der rechtliche Schutz und die Diskriminierungsfreiheit von gleichgeschlechtlichen Paaren, Frauen- und Kinderrechte oder Verstöße gegen den Schutz des Eigentums, die Liste ist lang. Die Urteile des EGMR rufen häufig großes mediales Interesse hervor und stoßen breite gesellschaftliche Debatten an, auch seine Arbeit beeinflusst unser tägliches Leben.

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“
(Artikel 1 Europäische Konvention für Menschenrechte)

Direkt im Nebengebäude, dem Europarat, bestimmte die Debatte um die aktuellen Entwicklungen in der Türkei den zweiten Tag der Session im Kongress der Gemeinden und Regionen. Obwohl zu diesem Tagesordnungspunkt hitzige Diskussionen erwartet wurden, blieb die Debatte sachlich – nicht zuletzt, weil die Salzburgerin und Präsidentin des Kongresses Gudrun Mosler-Törnström die Sitzung souverän leitete. Wie von ihr auch schon am ersten Tag betont, gab es ein besonderes Highlight in dieser Session: an der Sitzung des Kongresses durften sogenannte Youth Delegates teilnehmen – junge Menschen, die sich im Sinne des Europarates in ihren Regionen engagieren und die Möglichkeit haben, sich hier einzubringen. Ein Projekt, das vor ein paar Jahren gestartet wurde und sich sehr gut bewährt hat, weil es jungen Menschen die Möglichkeit bietet, mit aktiven Politiker_innen aus 47 Ländern auf Augenhöhe zu diskutieren

Dass vor allem die Jugend in der Zukunft Europas eine tragende Rolle spielt, wurde auch beim nächsten Termin deutlich, als die anstehende Wahl in Frankreich zum Gesprächsthema wurde: „Wer sich bei dieser Wahl gegen Europa entscheidet, entscheidet sich gegen die Zukunft unserer Jugend.“ Mit diesen klaren Worten wurden die Salzburgerinnen und Salzburger im Straßburger Rathaus empfangen. Dort konnte die Salzburger SPÖ-Delegation Parallelen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Regionen Straßburg und Salzburg mit politischen Vertreter_innen und dem sozialistischen Straßburger Bürgermeister Roland Ries diskutieren.

Natürlich durfte auch die Besichtigung der historischen Stadt und des Weltkulturerbes nicht zu kurz kommen. Neben den klassischen, aber nicht weniger beeindruckenden Sehenswürdigkeiten wie der Kathedrale Notre Dame, die auch architektonisch an ihre Namensvetterin in Paris angelehnt ist, erfuhr die Salzburger Delegation auch die ein oder andere Kuriosität. So ist die Verbindung zur Heimat Salzburg nicht nur politisch, sondern auch kulturell vorhanden: Wolfgang Amadeus Mozart musste in Straßburg zwei zusätzliche Konzerttermine anbieten. Das jedoch nicht aufgrund der großen Nachfrage, sondern weil seine Kutsche bei der Anreise einen Schaden erlitt. Dem erfolgsverwöhnten Mozart blieben bei seinem ursprünglich geplanten einzigen Konzert die Gäste aus, wodurch die Reparaturkosten nicht gedeckt werden konnten. Die Reise der Salzburger_innen war insgesamt doch von mehr Glück gesegnet als die Mozarts viele Jahre zuvor. Daher bleibt vor allem der Auftrag in Erinnerung, der im Rathaus diskutiert und den der Brexit noch stärker ins Gedächtnis rufen sollte:

Jede Einzelne und jeder Einzelne von uns ist in der Verantwortung, die europäische Idee des Friedens, der Demokratie und des Rechtsstaates im eigenen Umfeld zu verbreiten.

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