Was haben Kuba, Lamborghinis, Zombies, Mädchen-Fußballmannschaften, Babys, Sexismus, Terroristen und Helen Mirren gemein?
Sie alle kommen in irgendeiner Weise in Fast & Furious 8 vor und wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo noch ein russisches Nuklear-U-Boot daher. Das ist kein Spoiler, denn es ist sogar am Plakat des Films. Fast & Furious 8 schafft, was ich persönlich nicht mehr für möglich gehalten habe. Der Film überholt nicht nur seine Vorgänger mühelos, was Irrsinn und rasante Action betrifft, er steigert sich im Verlauf seiner 136-minütigen Laufzeit derart, dass man am Ende das bereits völlig übertriebene Rennen am Anfang des Films als geradezu gemäßigt und fast schon realistisch betrachtet.
Sieht man sich die Auswüchse dieser Reihe an, glaubt man kaum, dass Teil 1 und Teil 8 miteinander verwandt sein sollen. Ich mag Fast and Furious 1. Der Film war in seiner filminternen Realität eine glaubwürdige und spannende Seifenoper und ich habe ihm das Gerede von Ehre, Familie und Treue abgekauft. Es ging um kratzige Kerle und taffe Frauen, die irgendwie zueinander finden und zu einer familiären Bande verschmelzen. Damals lebte Hauptdarsteller Vin Diesel nach der Philosophie, in keinen Fortsetzungen mitzuspielen. Vermutlich weil er insgeheim wusste, welche abstrusen Auswüchse das nehmen würde.
Umso größer war die Überraschung, als sein Charakter Dom am Ende von Fast & Furious Tokyo Drift (Teil 3) einen Gastauftritt hatte und die Serie in eine (finanziell) goldige Zukunft voller Superstars führte. Seither scheint es sich niemand mehr nehmen zu lassen, in Fast and Furious mitzuwirken. Während die Liste der Top-Schauspielerinnen und Schauspieler immer länger wurde, wurden die Drehbücher immer schwachsinniger. Das Finale des fünften Teils zählt für viele zu den absoluten Highlights der Serie. Ich persönlich fand den siebten Teil geradezu beleidigend dumm, an den Kassen spielte er allerdings (vermutlich auch dank des tragischen Unfalltodes von Paul Walker) sagenhafte 1,5 Milliarden Dollar ein. Viel intelligenter ist auch Teil 8 nicht: dafür aber deutlich amüsanter.
Das, was einst Fast and Furious war – Autorennen und Alpha-Gehabe über Freundschaft, Treue und Familie – wird im achten Teil auf die ersten fünf Minuten reduziert. Die Kamerafahrt über Havanna, die flotten kubanischen Klänge, die Damen, die auf ihre makellosen Figuren, Hot-Pants und Miniröcke reduziert werden und die harten Kerle und ihre protzigen Autos erzeugen sofort eine lockere Stimmung, wie man sie eher in Musikvideos erwartet. Bereits das erste (und einzige) Autorennen zwischen Dom und einem Kubaner durch Havanna zeigt, dass wir Vernunft und Realismus beim Betreten des Kinosaals zurückgelassen haben. Wer sein Hirn nach dem ersten Rennen noch nicht ausgeschaltet hat, bekommt sogar eine Begründung, wieso Dom und Letty (Michelle Rodriguez) in Kuba sind. Sie verbringen dort nämlich ihre Flitterwochen.
Bald hat es sich ausgeflittert, denn die zielsichere Cyber-Terroristin Cipher (Charlize Theron) kann Dom irgendwie auf ihre Seite ziehen. Doms ehemaliges Team steht nun vor der einzigen Herausforderung, der es nicht gewachsen ist. Die Bande um Letty, Hobbs (Dwayne Johnson), Ramsey (Nathalie Emmanuel), Roman (Tyrese Gibson) und Tej Parker (Ludacris) muss gegen ihr ehemaliges Alpha-Männchen Dom ins Gefecht. Unterstützung bekommen sie vom ehemaligen Erzfeind Deckard (Jason Statham), der von Mr. Nobody (Kurt Russell) gezwungen wird, mit ihnen zusammenzuarbeiten.
Warum Dom plötzlich die Seiten gewechselt hat, bleibt die eine große Frage. Ansonsten ist Fast and Furious 8 über weite Strecken ziemlich vorhersehbar. Das betrifft die Charakterkonstellationen, die Handlung und immer wieder auch die Dialoge. Das ist allerdings nicht weiter schlimm, denn vor allem das Zusammenspiel von Jason Statham und Dwayne Johnson ist die meiste Zeit dermaßen amüsant, übertrieben und selbstironisch, dass es eine wahre Freude ist. Man spürt sichtlich den Spaß, den die beiden bei den Dreharbeiten hatten und wenn dieses Duo auftritt, glänzt Fast and Furious 8 als selbstironisches Blockbuster-Spektakel, das sich selbst keinerlei Grenzen mehr setzt, das sich an keine Regeln mehr hält. Das tut dem Film gut, auch wenn er diesen Schmäh leider nicht konsequent durchzieht.
Fast alle haben Spaß und machen aus Fast and Furious 8 eine fulminante Action-Blödelei. Fast alle? Nur ein aufgeblasener Kerl namens Vin Diesel leistet erbitterten Widerstand und bleibt während all dem bitterernst. Nur sein Charakter zieht noch das unnötige Seifenoper-Gewäsch von Familie und Ehre durch. Die Albereien, in denen sich Fast and Furious 8 immer wieder verliert, schaden dem Film dabei aber keinesfalls, denn die Actionszenen sind auf einem nie dagewesenen Niveau. In Nahkämpfen nimmt es die Choreographie locker mit John Wick auf, aber auch The Raid dürfte diese Szenen nicht nur mit der gelungenen Kamera inspiriert haben. Die Nahkämpfe sind heftig, brachial und brillant inszeniert, überzeugen gleichzeitig aber mit einer Lockerheit, die sie von eben genannten Action-Meilensteinen bewusst abhebt. Dem gegenüber müssen leider die mittelmäßigen CGI-Szenen erwähnt werden, denen man ihren digitalen Uhrsprung oft zu deutlich ansieht. Irgendwo musste wohl gespart werden.
Fast and Furious hat seit jeher ein kleines Sexismus-Problem. Zu oft dienen Frauen als schmückendes Beiwerk, zu oft dürfen sie nicht mehr als sich auf Motorhauben rekeln oder (im knappsten Minirock der Filmgeschichte) das Startsignal für ein Autorennen geben. Dem gegenüber stehen in dieser Reihe aber immer auch äußerst selbstbewusste weibliche Charaktere, die sehr genau wissen, was sie wollen und ihren Prinzipien treu bleiben. Auch Fast and Furious 8 geizt nicht mit hübschen Damen, die die Szenerie verschönern und vor allem Hackerin Ramsey muss sich einige dumme Anmachen ihrer männlichen Team-Mitglieder anhören. Wenn es aber gefährlich wird, stehen Letty und Ramsey den harten Kerlen um nichts nach. Fast and Furious 8 bietet durchaus auch starke und selbstbewusste weibliche Charaktere und mit Müh und Not gelingt dem Film sogar der Bechdel-Test.
Fast and Furious 8 fährt mit Dom und seinen Freunden auf eine nie dagewesene Ebene voll aberwitziger wie absurder Action, die fantastisch inszeniert ist und sich selbst über weite Strecken kaum mehr ernst nimmt. Die Gratwanderung zwischen Selbstironie und filminterner Glaubwürdigkeit gelingt zwar nicht durchgehend, prächtig Spaß macht der Film dennoch. Vorausgesetzt man ist bereit, auf Vernunft und Mitdenken für 136 Minuten zu verzichten. Denn warum die US-Regierung zum wiederholten Male eine Bande verrückter Auto-Fetischistinnen und Fetischisten bittet, die Welt (vor einem Atomkrieg) zu retten, können sich wohl nicht mal die Autoren hinter diesem Triple-A-Unfug erklären.
The Fate of the Furious
Dt. Titel: Fast & Furious 8
Regie: F. Gary Gray
Drehbuch: Chris Morgan
Soundtrack: Brian Tyler und V.A.
Cast: Vin Diesel, Dwayne Johnson, Michelle Rodriguez, Tyrese Gibson, Chris Bridges, Kurt Russell, Jason Statham, Nathalie Emmanuel, Charlize Theron, Helen Mirren, Elsa Pataky, Kristofer Hivju
Laufzeit: 136 Minuten
FSK: 12 Jahre
Kinostart: 13.04.17 (AT)